Google, Microsoft, Meta und Amazon - Kernenergie für KI: Warum Tech-Riesen aus den USA jetzt Atomkraftwerke bauen

Google hat im Oktober als erste private Firma einen Vertrag für den Bau eines Mini-Atomkraftwerkes unterschrieben. Der Tech-Riese aus den USA will mit dem Atomstrom seine Rechenzentren betreiben. Das Kraftwerk ist ein so genannter Small Modular Reactor (SMR), eine seit 70 Jahren in Entwicklung befindliche Klasse von Kernreaktoren, die weniger als die Hälfte des Stroms eines normalen Akws erzeugen, dafür aber auch deutlich günstiger im Bau sind.

Google baut den Reaktor dabei nicht selbst, sondern hat einen Vertrag mit dem Unternehmen Kairos Power geschlossen. Das erst 2016 gegründete Unternehmen aus Kalifornien plant den Bau seines ersten SMR-Kraftwerkes für 2030. Bis 2035 sollen dann mehrere entstehen, deren Strom Google exklusiv abnehmen möchte. Kairos nutzt in seinem Konzept statt Wasser ein Gemisch aus geschmolzenen Salzen, hauptsächlich Fluor, Lithium und Beryllium, um die nuklearen Reaktionen im Reaktor zu kühlen und die dabei entstehende Wärme zu den Turbinen zu transportieren. Das soll effektiver sein als das heute in Akws benutzte Kühlwasser und macht zudem den bisher notwendigen Druckkessel überflüssig. Auch die Brennstäbe will Kairos revolutioniert haben. Sie enthalten nun kleine Kugeln von Brennmaterial, welche sich nicht gegenseitig beeinflussen können sollen. Das erhöht die Sicherheit des Reaktors.

Kairos ist dabei nicht die einzige Firma in den USA, die in den kommenden Jahren einen solchen Mini-Reaktor bauen möchte und Google nicht die einzige Firma, die den Strom aus solchen abkaufen möchte. Microsoft etwa sucht schon seit vergangenem Jahr nach einem Manager, der eine neue Strategie auf- und umsetzt, bei der der Windows-Hersteller seine Rechenzentren mit dem Strom aus SMRs betreibt. Microsofts Gründer Bill Gates hatte im Sommer bereits den Spatenstich im US-Bundesstaat Wyoming getätigt. Dort baut seine neue Firma Terrapower in den kommenden Jahren erst einen Forschungsreaktor, dann in North Carolina eine Fabrik zur Herstellung von Brennstäben und später wahrscheinlich ebenfalls in Wyoming einen echten SMR. Terrapowers Design ist ähnlich dessen von Kairos, Gates‘ Firma hat sich aber darauf spezialisiert, die Reaktoren möglichst modular aufzubauen, so dass sie schnell und günstig überall aufgebaut werden können.

Künstliche Intelligenz benötigt enorm viel Energie 

Im Oktober teilte dann auch Amazon mit, einen Vertrag über die Entwicklung von drei SMRs mit verschiedenen Herstellern geschlossen zu haben. Geplant sind drei Kraftwerke verteilt über die USA, die in den 2030er Jahren fertiggestellt werden sollen. Auch Meta sucht nach Partnern für den Bau von SMRs und musste ein Pilotprojekt in diesem Jahr abbrechen, weil an der unbekannten Baustelle eine seltene Bienenart entdeckt wurde, die den Bau verhinderte. 

Die US-Tech-Riesen haben das gemeinsame Interesse an der Kernkraft nicht aus Zufall entdeckt. Sie könnten damit gleich zwei Probleme lösen. Das eine ist der irrsinnige Energiehunger moderner, auf die Verarbeitung Künstlicher Intelligenzen (KI) ausgelegten Rechenzentren. Sie verbrauchen schon heute geschätzte 1 bis 2 Prozent des weltweiten Stroms, im kommenden Jahrzehnt wird dies Prognosen von Analysten zufolge auf 3 bis 4 Prozent ansteigen. Diesen Strom wollen die Tech-Riesen aber zunehmend aus emissionsfreien Quellen decken. So gut wie alle haben sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten – meist um 2040 – Klimaneutralität als Ziel gesetzt.

Tech-Riesen haben keinen Plan für den Atommüll

Dieses Ziel ließe sich auch mit Solar- oder Windkraftanlagen erreichen, wäre aber wesentlich komplizierter. Erstens müssten dafür mehr Anlagen gebaut werden, die wiederum auch mehr Platz verbrauchen würden, zweitens wären Speicher notwendig, weil Solar- und Windstrom eben nicht gleichmäßig über den Tag und das Jahr verteilt produziert wird. Zweitens versprechen die SMRs eine Laufzeit von 40 bis 60 Jahren, während Solar- oder Windpark schon nach 20 bis 30 Jahren ausgetauscht werden müssten.

Der Bau von SMRs hat aber auch Nachteile. Zwar entstehen keine Emissionen beim Betrieb, dafür aber Atommüll. Die University of Pennsylvania kam 2022 zu dem Schluss, dass SMRs bis zu 30-mal mehr radioaktiven Müll bei gleicher Leistung produzieren wie ein herkömmliches Akw. Der Müll aus SMRs sei zudem noch stärker radioaktiv als aus anderen Kraftwerken. Endlager dafür existieren bis heute nicht. In ihren Ankündigungen schweigen sich Google, Microsoft, Amazon und Meta zu diesem Thema denn auch aus. Allerdings wird es auch noch eine Weile dauern, bis das Thema akut wird: Keine der angekündigten Reaktoren soll vor 2030 fertiggestellt werden. Bisher gibt es nicht einmal Prototypen.