„Wenn wir als CDU nicht stehen, dann kippt das ganze System. Auf uns kommt es jetzt an“, sagt Haseloff im Interview mit dem "Stern" Man müsse den Menschen klarmachen, was auf dem Spiel stehe: „Die AfD will ein völlig anderes Land. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf Bildung, Finanzen, Polizei und Justiz“, so der CDU-Politiker weiter. „Es geht ums Ganze. Wir oder die.“
Parteifreunde, die mit dem Gedanken an eine Kooperation mit der AfD gespielt haben, warnte der Regierungschef: „Eine Zusammenarbeit hieße bei den aktuellen Umfragen, dass wir uns unterwerfen müssten.“ Eine Umfrage hatte die in Sachsen-Anhalt als „gesichert rechtsextrem“ eingestufte AfD zuletzt bei 39 Prozent ausgewiesen. In dem Bundesland wird im kommenden Jahr ein neuer Landtag gewählt. Der 71-jährige Haseloff, zurzeit dienstältester Ministerpräsident, hatte im August erklärt, sich dann aus der Politik zurückzuziehen.
Für den CDU-Politiker laute die entscheidende Frage: „Haben wir die Kraft, dem etwas entgegenzusetzen, oder ist diese Entwicklung in Teilen schon irreversibel? Es braucht keine Revolution für einen Systemwechsel. Ein System kann an der Wahlurne zu Fall gebracht werden. Das ist schon mal von hier aus passiert: Im Freistaat Anhalt hat die NSDAP 1932 durch Wahlen ihren ersten Ministerpräsidenten gestellt.“
Haseloff fordert neue „Grundjustierung“ der Bundesrepublik
Haseloff drängt 35 Jahre nach der Wiedervereinigung auf grundsätzliche Reformen. „Deutschland braucht eine neue Grundjustierung“, sagte Haseloff dem "stern": „Wir Ostdeutschen haben vor 35 Jahren darauf gesetzt, dass dieses System die Stärke hat, sich selbst zu erneuern.“ Das Vertrauen habe nachgelassen, weil Deutschland insgesamt nachgelassen habe. „Made in Germany hat kein Abo darauf, als Qualitätsmerkmal zu gelten.“
Er sagte: „Wir haben den komfortabelsten Sozialstaat der Welt, sind aber wirtschaftlich nicht mehr Weltspitze.“ Haseloff kritisierte, dass Deutschland momentan seine Kreditwürdigkeit aufs Spiel setze: „Wenn ich mir den Haushalt anschaue, weiß ich, dass meine fünf Enkel den Schuldenbatzen mit Zins und Zinseszins an der Backe haben.“ Es könne nicht so weitergehen wie bisher. Entweder würde der Sozialstaat effektiver, oder das Land werde wieder leistungsfähiger. „Wirtschaftlich brauchen wir deshalb einen Befreiungsschlag“, forderte Haseloff.
Die Union schaffe das aber nicht allein, sagte Haseloff. „Friedrich Merz hat die Erwartungshaltung im Wahlkampf bewusst hochgeschraubt. Aber die CDU hat nun mal keine absolute Mehrheit.“ Deshalb brauche es mindestens auch die SPD. Er appellierte an die Koalitionäre in Berlin, sich für Reformen zusammenzutun. „Wir dürfen nicht schon in der Koalition selbst den Protest schüren, die eigene Klientel auf die Barrikaden treiben“, forderte Haseloff. Die politische Mitte müsse zusammenstehen. „Dann kriegt man das auch hin.“