Aktien, Fonds und ETFs: Trumps neues Gesetz hat Folgen für Millionen Deutsche
Donald Trump nennt es „the big beautiful bill”, das „große, schöne Gesetz“. Mit dem umfassenden Konvolut, das derzeit im US-Kongress diskutiert wird und dessen Inhalt der Öffentlichkeit nur in Teilen bekannt ist, will er seine im Wahlkampf versprochenen Steuersenkungen umsetzen. Gleichzeitig wird das 1038 Seiten umfassende Mega-Gesetz, das tatsächlich den Titel „One Big Beautiful Bill Act’’ trägt, Maßnahmen zur Gegenfinanzierung enthalten. Eine bereits bekannte Komponente sind höhere Zölle, eine andere – wie sich jetzt zeigt – höhere Steuern für ausländische Investoren.
Auch Anleger aus Deutschland könnten die Leidtragenden sein. Denn die in der „Section 899“ geplanten Regelungen des Riesen-Gesetzes zielen auf Investoren aus Ländern, deren Steuerpolitik die Trump-Administration als benachteiligend für US-Unternehmen ansieht. Dazu zählen auch europäische Länder – und auch Deutschland könnte betroffen sein. Das hätte direkte finanzielle Folgen für Privatanleger, Fonds, ETFs und Beteiligungen deutscher Unternehmen in den USA.
Zuschlag auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren
Der Vorschlag der Republikaner, der vergangene Woche bereits vom Repräsentantenhaus beschlossen wurde, sieht einen zusätzlichen Steueraufschlag von fünf Prozentpunkten auf bestimmte Einkünfte aus den USA vor. Dazu zählen Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren. Der Zuschlag käme auf die bisher geltenden Quellensteuern obendrauf.
Die Quellensteuer auf Dividenden aus US-Aktien ist für deutsche Anleger aktuell aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens von 30 auf 15 Prozent reduziert. Dieser Wert würde auf 20 Prozent steigen. Zudem darf die Administration den Betrag in besonders hartnäckigen Fällen jedes Jahr um weitere fünf Prozent anheben – bis auf maximal 20 Prozent. Das entspräche dann sogar 35 Prozent Quellensteuer. Betroffen wären nicht nur die Einkünfte von Anlegern in US-Aktien, sondern auch die Renditen europäischer Fonds und ETFs, die in US-Aktien anlegen.
Wen trifft das – und wie?
Eine Dividende von Apple oder Microsoft, auf die bislang 15 Prozent Quellensteuer fällig wurden, würde künftig mit 20 Prozent besteuert. Bei hohen Summen und wiederkehrenden Ausschüttungen kann der Unterschied erheblich sein. Betroffen wären beispielsweise auch Dividendenerträge großer Indexfonds auf den MSCI World-Index, der zu mehr als 70 Prozent auf US-Werten basiert.
Es geht wohlgemerkt um laufende Erträge, nicht um Kursgewinne. Da deutschen Anlegern die zusätzliche US-Steuer nicht auf die Einkommens- oder Körperschaftsteuer angerechnet wird, schlägt der zusätzliche Steuersatz voll durch. Für viele Investoren würde das die USA als Investitionsstandort deutlich unattraktiver machen; die Nachfrage nach US-Aktien würde womöglich weltweit sinken – und damit auch deren Kurse.
Warum kann es Deutschland treffen?
Auch wenn Deutschland im Text des Entwurfs nicht explizit genannt wird, ist es dennoch potenziell betroffen. Denn die Maßnahme richtet sich laut dem Entwurf gegen Länder mit „diskriminierenden ausländischen Steuersystemen“ – insbesondere solchen, die digitale Dienstleistungssteuern erheben oder unterstützen. Dazu zählt vor allem Frankreich, das bereits eine dreiprozentige Steuer auf Umsätze ausländischer Online-Plattformen erhebt und damit vor allem Google, Amazon, Meta und Apple im Visier hat.
In Deutschland wird eine solche Steuer noch nicht erhoben, das Land zählt aber zu den Verfechtern einer europaweit einheitlichen Digitalsteuer für Digitalkonzerne – sehr zum Missfallen Washingtons.
Dem Entwurf zufolge soll das US-Finanzministerium jährlich eine Liste der betroffenen Länder veröffentlichen. Deutschland wäre somit davon abhängig, wie Washington die Steuerpolitik der Bundesregierung beurteilt – ein politischer Spielraum, der für Anleger zur Unsicherheitsfalle werden kann.
Auswirkungen auf Fonds und Unternehmen
Auch institutionelle Investoren, Pensionsfonds oder Versicherer mit US-Beteiligungen wären davon betroffen. Selbst deutsche Unternehmen mit Tochterfirmen in den USA könnten durch Lizenzgebühren oder Zinsströme ins Visier geraten. Das könnte auch Joint Ventures betreffen, bei denen deutsche Partner in der Minderheit sind. Denn dann könne die Beteiligung ebenfalls als Finanzinvestment gewertet werden, warnen Experten.
„Wir sind der Ansicht, dass dieses Gesetz der US-Regierung die Möglichkeit gibt, einen Handelskrieg in einen Kapitalkrieg umzuwandeln“, schrieb George Saravelos, globaler Leiter des Devisenresearch der Deutschen Bank, am Donnerstag in einem Kommentar mit der Überschrift „Bewaffnung der US-Kapitalmärkte durch das Gesetz“. Abschnitt 899 stelle „den offenen Charakter der US-Kapitalmärkte infrage“, fuhr Saravelos fort, „indem er die Besteuerung ausländischer Beteiligungen an US-Vermögenswerten ausdrücklich als Hebel zur Förderung der wirtschaftlichen Ziele der USA einsetzt“.
Die neue Steuer könnte auf passive Einkünfte wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren erhoben werden – „sogar auf solche innerhalb von Konzernstrukturen“, erklärt der US-Börsensender CNBC.
Emmanuel Cau, Leiter des Bereichs European Equity Strategy bei Barclays, warnte seine Kunden, dass allein die Verabschiedung des Steuergesetzes Dollar-Anlagen für ausländische Investoren weniger wertvoll machen könnte. „Unserer Ansicht nach ist dies ein Risiko für Unternehmen, die US-Einnahmen generieren und in Ländern ansässig sind, die Steuern auf digitale Dienstleistungen (DST) eingeführt haben oder die OECD-Regel für zu gering besteuerte Zahlungen (UTPR) umsetzen“, schrieb Cau nach Angaben des US-Börsensenders CNBC am Freitag in einer Mitteilung an seine Kunden. Sollte der Gesetzestext „scharf negativ“ bleiben, sei mit unmittelbaren Kapitalabflüssen aus den USA zu rechnen. Das hieße: sinkende Kurse.
Gilt Section 899 womöglich auch für US-Staatsanleihen?
Noch völlig unklar ist, ob die geplante Regelung auch für Zinszahlungen auf US-Staatsanleihen gelten soll. Dies würde einer Zusatzsteuer auf die wichtigste Anlageklasse der Welt gleichkommen. US-Treasuries sind nach wie vor ein Fixpunkt der globalen Finanzwelt: Fast alle Risikoprämien im Markt werden an ihren Renditen gemessen berechnet.
Sollten US-Staatsanleihen nun ebenfalls einer höheren Besteuerung unterliegen, würde das zum Beispiel auch Notenbanken treffen, die diese halten. Die Folge wären ein Abverkauf und ein Umschichten in andere sichere Anlageklasse wie Gold oder auch deutsche und schweizer Bundesanleihen. Allein in Luxemburg, einer Hochburg der Fondsindustrie, lagen nach Daten des US-Finanzministeriums zum Stichtag Ende März US-Staatsanleihen im Wert von 412,4 Milliarden Dollar. Anleger in Deutschland und Frankreich hielten demnach US-Treasuries im Wert von 475 Milliarden Dollar.
Kritik an Washington: „Das ist Steuerkrieg“
Experten warnen vor einem gefährlichen Dominoeffekt. Sollte Section 899 in Kraft treten, sei mit Vergeltungsmaßnahmen anderer Staaten, insbesondere aus Europa, zu rechnen.
Aus den Reihen der US-Demokraten, von Steuerexperten und ausländischen Regierungen hagelt es deutliche Kritik. Die USA würden ihr Steuersystem politisch instrumentalisieren. Die Maßnahme sei ein Eskalationsschritt und kein konstruktiver Beitrag zu einer globalen Lösung. „Das ist keine Steuerpolitik. Das ist Steuerkrieg“, wird ein anonymer Experte von CNBC zitiert. Ein anderer bezeichnet den Vorstoß als gefährlichen Tabubruch: „Dies wäre ein schockierender Präzedenzfall für die Politisierung des US-Steuerrechts.“
Republikaner verteidigen die Strafmaßnahme
Jason Smith, der republikanische Vorsitzende des „House Ways and Means Committee“, rechtfertigt die Strafmaßnahme als notwendige Gegenreaktion: „Wenn andere Länder unsere Unternehmen angreifen wollen, werden wir ihre angreifen.“ Seiner Ansicht nach benachteiligen digitale Steuern europäischer Länder gezielt US-Tech-Konzerne – nun sollten Bürger und Investoren aus diesen Staaten den Preis dafür zahlen.
Ein weiterer Hebel: der „SuperBEAT“
Zusätzlich zu Section 899 enthält das Gesetzespaket weitere, weitreichende Instrumente. So findet sich in Section 891 eine Vorschrift, die den USA eine einseitige Erhöhung der Steuerlast für bestimmte ausländische Investoren erlaubt. Sie wurde bisher kaum angewendet, könnte nun aber reaktiviert werden. Bereits seit einigen Jahren existiert im US-Steuerrecht eine „Base Erosion and Anti-Abuse Tax“ (Abkürzung: BEAT). Diese Steuer soll es den USA erleichtern, internationale Steuervermeidungsstrategien aggressiver zu bekämpfen. Diese Regelung soll nun durch die sogenannte „SuperBEAT“ ergänzt werden. Sie erlaubt es den USA, den BEAT-Steuersatz von derzeit zehn Prozent in besonders schweren Fällen um ein Viertel auf 12,5 Prozent anzuheben.
„Wichtig ist, dass die Super-BEAT auch dann Anwendung finden kann, wenn die oberste Muttergesellschaft eines ausländischen Konzerns selbst keine steuerpflichtige Person ist“, erklärt die US-Anwaltskanzlei Skadden ihren Klienten in einem Memo.
Dies gelte auch, wenn die oberste Muttergesellschaft keine steuerpflichtige Person sei, zwischengeschaltete Unternehmen innerhalb des Konzerns aber schon. „Da sowohl die Schwellenwerte für die Bruttoeinnahmen als auch die Schwellenwerte für den Prozentsatz der Steuererosion wegfallen, werden viele Konzerne mit ausländischen Muttergesellschaften zum ersten Mal von der BEAT-Regelung erfasst“, warnen die Wirtschaftsanwälte von Skadden.
Fazit: Das Risiko für Anleger steigt
Das Gesetz soll spätestens zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. Dann wird es nicht nur für deutsche Anleger komplizierter und potenziell teurer, in US-Werte zu investieren. Nach Berechnungen des Verbraucherportals "Finanztip" würde die Rendite auf einen MSCI-World-ETF dadurch um 0,15 Prozentpunkte pro Jahr sinken, also beispielsweise von 6,0 auf 5,85 Prozent.
Auch wenn Section 899 im Senat, in dem die Mehrheitsverhältnisse zwischen Republikanern und Demokraten knapper sind, noch scheitern könnte, ist die Richtung klar: Die Regierung um Donald Trumps will ausländische Investoren stärker zur Kasse bitten. Es wird nicht der letzte Vorschlag dieser Art gewesen sein. Deshalb könnte sich der Rückzug aus US-Wertpapieren in den kommenden Wochen beschleunigen – und deren Kurse fallen.