Kempten: Kontroverse Diskussion über den Flächennutzungsplan im Stadtrat – ohne Beschluss

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Ob das Gebiet bei Adelharz im neuen Flächennutzungsplan als Gewerbe- oder Wohnbaufläche ausgewiesen werden soll, wird derzeit im Stadtrat kontrovers diskutiert. © Claudia Schöwe

Nachdem der Bauausschuss den Vorentwurf des Flächennutzungsplans bereits gebilligt hatte, stand die Beschlussfassung im Stadtrat unmittelbar bevor.

Kempten – Das Gutachten des Bauausschusses über den Vorentwurf des Flächennutzungsplans mit inte­griertem Landschaftsplan (FNP) fiel positiv aus, allerdings mit drei Gegenstimmen (wir berichteten). Dementsprechend stand er zum Beschluss auf der Tagesordnung des Stadtrats. Aber dazu kam es nicht. In den beiden Tagen vor der Sitzung gingen zwei Anträge ein. Die Freien Wähler forderten, dass die Flächen im Bereich Adelharz und die sogenannten „Hoefelmayr-Flächen“ nicht – wie vorgeschlagen – als Gewerbe-, sondern überwiegend als Wohnbau­flächen ausgewiesen werden. Die Grünen schlugen vor, die Baufläche im Bereich Hinterbach/Hirschdorf zu reduzieren.

Beschluss zum Flächennutzungsplan vertagt

Oberbürgermeister Thomas Kiechle informierte, dass sich ein Lenkungsausschuss mit dem Thema in 14 Sitzungen intensiv beschäftigt habe. Wegen der Tragweite der Änderungswünsche wolle er, dass der Ausschuss sich mit dem Thema noch einmal beschäftige und der Stadtrat den Beschluss in einer späteren Sitzung treffe. Trotzdem habe er die Entscheidung getroffen, heute die Fachvorträge anzuhören und die Diskussion im Stadtrat zu führen: alles, wie geplant, nur ohne Beschluss am Ende.

Den Vorträgen von Baureferent Tim Koemstedt und der Münchner Landschaftsarchitektin Katrin Rismont folgte eine lange, intensive Diskussion. Nicht nur Argumente wurden ausgetauscht, sondern auch persönliche Seitenhiebe und Zwischenrufe.

Der Baureferent sprach von einem „ausgewogenen Werk“ und erklärte, dass in Kempten das Angebot von Bau­flächen groß genug sei und man hier auf die kostengünstigere und flächensparende Nachverdichtung setzen sollte. Andererseits brauche man dringend Gewerbeflächen, auch auf der Fläche Adelharz/Hoefelmayr. Andreas Kibler (FW) sagte, seiner Fraktion gehe es nicht um eine Prozentzahl. Sie wollten nur wissen, ob dort Wohnen überhaupt möglich sei. Koemstedt wies darauf hin, dass im Antrag mit der Forderung nach Wohnfläche auf dem überwiegenden Teil des Gebiets etwas anderes stehe.

Manche Planung sei nicht zielführend

Ingrid Vornberger (SPD) betonte, dass sie sich seit langer Zeit für Wohnungsbau einsetze, aber nicht um jeden Preis. Für die Umsetzung eines größeren Wohngebiets mit sozial­gerechter Wohnungsnutzung sehe sie die finanziellen Spielräume nicht. Sie plädiere dafür, die Fläche überwiegend für Gewerbe zu nutzen. Für die Entwicklung der Stadt und deren Finanzierung brauche man Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Aber die Steuer­einnahmen reichten nicht, um die Kosten zu decken, ergänzte Katharina Schrader (SPD). Man müsse die Investoren an den Ausgaben für die soziale Infrastruktur beteiligen.

Dr. Dominik Spitzer (FDP) wollte wissen, ob man simulieren könne, wie hoch die Kosten für die Infrastruktur seien, wenn die Stadt tatsächlich um 5.000 Menschen wachse. Es gebe Folgekostenrechner, die das problemlos berechnen könnten, so Koemstedt. Aber die Zahl werde groß sein. Die Stadt müsse eine vernünftige Finanzstruktur schaffen. Die höchste Einnahmequelle dafür sei die Gewerbesteuer. Gewerbeflächen kosten viel Geld, schaffen aber Einkommensmöglichkeiten. Wegen eines Zwischenrufs von Kibler sprach er nicht weiter.

Flächensparziele sind in Gefahr

„Wir haben nicht nur Wohnbauziele, sondern auch Flächensparziele“, hob Franziska Maurer (Grüne) hervor. Und diese verpasse man sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene. Wenn die Größe der eingeplanten Wohnbauflächen in Kempten den Bedarf sowieso übersteige, sei die geplante Fläche in Hirschdorf nicht zielführend. Weder eine öffentliche Infrastruktur noch die Möglichkeit für Geschosswohnbau gebe es dort, ergänzte Parteikollege Thomas Hartmann. Maurer habe als Mitglied des Ausschusses „gebetsartig“ darauf hingewiesen, damit aber keinen Anklang gefunden, deswegen habe die Fraktion den Antrag gestellt.

Sie sei gebetsartig dagegen gewesen, meinte Erwin Hagenmaier (CSU), habe aber nur eine Stimme gehabt. „Der Eintopf ist fertig. Manche sagen, die Suppe esse ich nicht, obwohl alle etwas reingeworfen haben.“ Ihm gefalle manches im Entwurf auch nicht. Man sollte in den Ausschuss kompetente Mitglieder schicken, die für die Fraktion sprechen würden. Maurer habe immer in enger Abstimmung mit der Fraktion gehandelt, konterte Thomas Hartmann. Kompetenz heiße nicht, gleicher Meinung wie Erwin Hagenmaier zu sein. Maurer fand das Verhalten des CSU-Stadtrates „unverschämt“.

„Ein finanzpolitisches Desaster“

Hagenmaier unterstellte auch Vorn­berger, nicht zu sehen, dass die vorgestellten Karten keine Unterscheidung zwischen Geschossbau und Einfamilienhaus machten. „Ich lasse mir das nicht gefallen“, erwiderte die SPD-Stadträtin, sie wisse genau, worüber sie rede, sie habe bereits beim letzten FNP mitgewirkt.

Der Lenkungsausschuss sei kein städtisches Entscheidungsgremium. Er habe gute Arbeit geleistet, könne aber die politische Bewertung im Stadtrat nicht ersetzen, meinte Alexander Hold (FW). Die Flächen Adelharz/Hoefelmayr seien zu wertvoll für Gewerbeflächen. Die Stadt habe dafür einen hohen Preis bezahlt, weil man bei dem Kauf von Wohnflächen ausgegangen sei. Wenn man diese für Gewerbe verkaufen wolle, müsse die Kommune draufzahlen oder sie werde diese nicht los: „Ein finanzpolitisches Desaster“. Er wollte seine Aussage von Dr. Richard Schießl bestätigt haben. Der Referent sprach von einem Mischpreis und über eine Pauschalsumme und wies auf die zusätzlichen Kosten durch Zinsen hin, wurde aber von Hold mehrmals unterbrochen. Hans-Peter Hartmann blute das Herz, auf dem Gelände nur Gewerbe auszuweisen. Außerdem habe er erst am Montag erfahren, wie viel die Stadt für das Gebiet bezahlt habe. Deswegen sei es kurzfristig zur Antragstellung gekommen.

Sibylle Knott (parteilos, Mitglied CSU-Fraktion) meinte, der Vorschlag, den man in 14 Sitzungen intensiv diskutiert habe, sei ausgewogen. Diesen zwei Tage vor der Entscheidung noch einmal auszubremsen, empfinde sie als „eine Zumutung dem Stadtrat gegenüber“. Wer an einer Stelle Flächen reduziere, sollte anderswo welche vorschlagen, sagte Kiechle.

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