Kempten – Was eine Kemptenerin erlebte, gleicht einem Albtraum: Erst der jähe Tod ihres Vaters und dann gestaltet sich die Nachlassabwicklung unerwartet schwierig: Mysteriöse Bargeldabhebungen und eine Bank, die sich alles andere als kooperativ zeigt. Gemeinsam mit ihrem Mann bat sie den Kreisboten um Hilfe – mit Erfolg.
„Für mich bricht da ein wichtiger Pfeiler unserer Gesellschaft zusammen“, erklärt der Ehemann der Erbin aus Kempten, als die Redaktion des Kreisboten für ein Interview vor Ort ist. „Wenn eine große Bank in Deutschland sich so verhalten darf. Also das ist eine der ganz wenigen Sachen, auf die man sich verlassen können muss. Das ist eine ganze Lebensleistung von einem Menschen gewesen. Und dass eine Bank die Eigentümer über ein halbes Jahr komplett ignorieren kann, das gibt’s doch gar nicht.“ Die beiden Ehepartner wirken verzweifelt und sind gezeichnet von den Ereignissen der letzten Wochen und Monate. „Erst gestern hätten sie sich wieder deshalb gestritten“, räumt seine Frau resigniert ein.
Als ihr Vater einen Arzttermin versäumt hatte, schlug die Familie damals umgehend Alarm; der Rettungsdienst konnte aber nur noch den Tod feststellen – das war am 5. Mai 2023. Die Bestürzung der drei Töchter aus Netphen, Siegen und Kempten war entsprechend groß, aber auch der Nachlass musste irgendwann geordnet werden. Ein Testament existierte nicht, aus Gesprächen war aber das ungefähre Guthaben auf einem Sparkonto der Postbank bekannt – rund 100.000 Euro. Für die Herausgabe von Informationen forderte die Filiale in Kempten einen Erbschein, der am 11. August 2023 erstmals im Original vorgelegt wurde.
Abhebungsbetrug
Zum Konto wird ein Finanzstatus abgefragt, der Rätsel aufgibt: Obwohl sich die Bankkarte im Portemonnaie des Verstorbenen befand und deren PIN den Erben nicht bekannt war, finden weiterhin Bargeldabhebungen statt. Die Töchter lassen daraufhin das Konto sperren und erstatten Anzeige gegen die Postbank und gegen Unbekannt. Wie die Polizei ermittelte, hatte ein illegales Lesegerät am Geldautomaten der Postbankfiliale in Kempten Bankkarten nebst PIN von über 100 Kunden kopiert. Inzwischen wurde ein Täter festgenommen, der sich vor Gericht verantworten muss.
Durch den Abhebungsbetrug entstand den Erben ein Schaden von rund 10.000 Euro. Um später Schadensersatzansprüche geltend machen zu können, musste dieser umgehend dokumentiert werden. Doch das war keine leichte Aufgabe: „Die Polizei wollte uns nicht glauben, dass wir keine Kontoauszüge bekommen können“, erklärt der Ehemann. Erst als die Kommissarin am Telefon richtig grob geworden sei, fand sich eine einvernehmliche Lösung. Ob Gerichte den Schadensersatzanspruch werden klären müssen, wird sich zeigen. Nach Aussage einer Kundenberaterin sei die Bank aber für derartige Fälle versichert.
Monatelang war es der Erbengemeinschaft nicht möglich gewesen, das Sparkonto aufzulösen und das Guthaben auf ein anderes Konto zu transferieren. Die Kemptener Filiale forderte immer wieder Nachweise ein, die längst vorgelegt worden waren, aber noch nicht im System seien. Auf eine schriftliche Bestätigung ließ sich die Bank lange nicht ein.
Hunderte von Beschwerden
Im Zuge der Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank traten bei der Migration der IT-Systeme seit Jahresbeginn erhebliche Probleme auf: Lastschriften wurden nicht eingelöst, Konten trotz Pfändungsschutz gepfändet und bei vielen Konten war ein Zugriff unmöglich. Hunderte von Beschwerden gingen allein bei den Verbraucherzentralen ein und auch die Finanzaufsicht Bafin trat auf den Plan.
Vor einigen Wochen wandte sich das Paar aus Kempten dann an den Kreisboten: „Unser Anliegen ist nicht so sehr oder gar nicht, der Postbank zu schaden. Unser Anliegen ist, dass die anderen wissen, was passiert ist“, beteuert der Ehemann, und seine Frau ergänzt: „Hier geht’s jetzt auch nicht mehr um das Geld, hier geht’s um Gerechtigkeit.“
Eine Anfrage an die Pressestelle der Postbank mit dem Verweis auf die bevorstehende Drucklegung eines Artikels zu dieser Angelegenheit zeigte Wirkung: Das Sparkonto wurde umgehend aufgelöst, sodass die Erben über das Guthaben verfügen konnten. Ein interner Bearbeitungsfehler habe dazu geführt, dass die Erben so lange warten mussten, räumte ein Pressesprecher der Postbank ein.
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Die Erben sind überglücklich: „Das ist ja wirklich ein wunderschönes Weihnachtsgeschenk! Unglaublich, was Sie da erreicht haben, wir können uns nur tausendmal bei Ihnen bedanken.“