Martinszeller Kinder wollen Abschiebung von jesidischer Familie verhindern

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Bittbriefe von Kindern und eine Petition an den Bayerischen Landtag sollen die Abschiebung der gut integrierten jesidischen Familie Mahdi-Bibo in den Irak verhindern. © Elisabeth Brock

Oberallgäu/Martinszell – Die Pinnwand in der Kirche St. Martin in Martinszell ist gespickt mit Briefen von Kindern, in denen sie „die liebe Regierung“ bitten, ihre Schulfreunde Redar (14), Hiwa (11), Deldar (10) und die achtjährige Darin nicht abzuschieben.

Sehr viele Menschen sind der Einladung des Helferkreises gefolgt, zahlreiche Schulkinder, Lehrkräfte, auch Bürgermeister Eckhard Harscher, um bei einer ökumenischen Andacht auf die Situation der unmittelbar von Abschiebung bedrohten jesidischen Familie Mahdi-Bibo aufmerksam zu machen und Solidarität zu zeigen.

Birgit Krause, Sylvia Rehm und Monika Schirutschke, die Sprecherinnen des Helferkreises sind bestürzt und berichten dazu: Die Familie lebte im Irak und ist geflüchtet, weil sie als Kurden und wegen ihrer Religion vom IS (Islamischer Staat) bedroht und verfolgt wurde. Den Kindern war der Schulbesuch verwehrt. Die Eltern verkauften ihre Wohnung und ein Grundstück, um die Flucht zu finanzieren. Diese dauerte drei Wochen und war mit großen Strapazen und Gefahren verbunden. Seit Juni 2021 wohnt die sechsköpfige Familie in einer Flüchtlingsunterkunft in Martinszell; seither besuchen die Kinder den Unterricht in der Grundschule, Mittelschule und Realschule; und zwar, wie ihre Lehrkräfte versichern, mit großem Erfolg! Redar, Hiwa, Deldar und Darin lernten sehr schnell Deutsch, sind sozial kompetent und überall gern gesehen.

Dass diesen bestens integrierten Menschen nun die Abschiebung droht, erschüttert die Dorfgemeinschaft. Eine Petition an den Bayerischen Landtag soll sie verhindern. „Schutzsuchende werden derzeit nur als Problem betrachtet, nicht mehr als Menschen“, bedauerte der Geistliche bei der Andacht.

Der Helferkreis wünscht sich dringend, die Regierung von Bayern möge dem Beispiel Nordrhein-Westfalens folgen. Dort gilt jetzt ein Abschiebestopp für jesidische Frauen und Kinder, da der Irak nicht in der Lage ist, den Schutz religiöser Minderheiten sicherzustellen.

Die jesidische Religion

Die Religion der Jesiden gehört zu den ältesten des Mittleren Ostens. Ihre Wurzeln reichen bis zu 4000 Jahre zurück. Die jesidische Gemeinschaft besitzt kein heiliges Buch, der Glaube wird mündlich weitergegeben, der blaue Pfau ist sein Symbol. Das Jesidentum wurde von anderen Religionen wie Judentum, Christentum und Islam beeinflusst.

Im Jahr 2014 verübte die IS Terrormiliz ein Massaker am jesidischen Volk. Im nördlichen Irak wurden Tausende ermordet, Frauen und Kinder verschleppt, versklavt, vergewaltigt. Der Deutsche Bundestag stufte diese Verbrechen im Januar 2023 als Völkermord ein. Mit Verweis auf die „schwierige menschenrechtliche Situation für Angehörige der Minderheit der Jesiden im Irak“ hat die Regierung von Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland jetzt Rückführungen jesidischer Frauen und Kinder für drei Monate ausgesetzt. Sie fordert die Bundesregierung auf, eine dauerhafte Lösung zu finden.

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