Strafgebühren für geplatzte Arzttermine: Berechtigt oder nicht?

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Die Wartezeiten für Arzttermine sind lang, die Frustration groß, wenn Patienten nicht erscheinen. Einige Ärzte reagieren mit Strafgebühren – doch ist das erlaubt?

München – Inzwischen wird es für viele Leute schnell eine Herausforderung, einen Arzttermin zu bekommen. Besonders für gesetzlich Versicherte. Die Wartezeiten können sich über Monate erstrecken. Daher ist es besonders frustrierend, wenn Patienten ihre vereinbarten Termine nicht wahrnehmen. Als Reaktion darauf erheben immer mehr Arztpraxen sogenannte Ausfallhonorare. Nicht immer sind diese Strafgebühren gerechtfertigt. Dann können – und sollten – Patienten sich dagegen wehren?

Eine Ärztin schaut auf ihre Uhr
Taucht die Patientin oder der Patient nicht auf, ist der Ärger in der Arztpraxis groß. (Symbolbild) © Westend61/imago

Ausfallhonorare bei Ärzten: Was Patienten wissen müssen

In Deutschland berichten viele Kassenärzte, dass der zunehmende bürokratische Aufwand sie von ihrer eigentlichen Arbeit mit den Patienten ablenkt. Ein Arzt gab sogar seinen Beruf aufgrund dieser Belastung auf. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA kritisiert der frühere Arzt das System und die Krankenkassen. Ein Problem: Termine sind leider häufig Mangelware.

Es kommt zudem immer wieder vor, dass Patienten ihre Arzttermine nicht absagen und einfach nicht erscheinen. Dies ist nicht nur für die Patienten, die keinen Termin bekommen haben, ärgerlich, sondern auch für die betroffenen Praxen. Ein Zahnarzt in Schleswig-Holstein hat eine klare Regelung getroffen: Verpasste Termine sollen Patienten künftig 100 Euro kosten. Die Verbraucherzentrale weist jedoch darauf hin, dass es nicht so einfach ist, eine Gebühr für verpasste Arzttermine durchzusetzen.

  • Sagen Sie Arzttermine, die Sie nicht wahrnehmen können, so früh wie möglich ab (idealerweise mindestens 24 Stunden vor dem Termin).
  • Vereinbaren Sie bei Bedarf direkt einen neuen Termin.
  • Bei festen Terminen sollte die Absage schriftlich oder per E-Mail erfolgen, damit diese belegt werden kann.

Immer mehr Ärzte erheben Strafgebühren für nicht wahrgenommene Termine

Die Verbraucherzentrale erklärt auf ihrer Website, wie Patienten ein Ausfallhonorar vermeiden können. Die Rechtslage ist jedoch nicht ganz klar. „Ob Patientinnen und Patienten für versäumte Arzttermine zahlen müssen, wird von den Gerichten je nach Sachlage unterschiedlich beurteilt. Aus Gründen der Fairness und um das Vertrauensverhältnis nicht unnötig zu belasten, sollten Sie Arzttermine, die Sie nicht wahrnehmen können, aber immer frühzeitig absagen. Als Patientin und Patient haben Sie im Behandlungsvertrag (gemäß §§ 630b i.V.m. 627 BGB) ein jederzeitiges Kündigungsrecht.“

Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied am 17. April 2007 (Az. 1 U 154/06) in einem ähnlichen Fall, dass die Voraussetzungen für ein Ausfallhonorar nicht gegeben sind, wenn ein Arzttermin von der Praxis und dem Patienten einvernehmlich verschoben wurde. In diesem Fall kann keine Strafgebühr erhoben werden.

Geplatzte Arzttermine: Zwischen Bürokratie und Strafgebühren

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Mai 2022 (Az. III ZR 78/21) zeigt, dass das Ausfallhonorar nicht automatisch fällig wird, selbst wenn der Arzttermin weniger als 24 Stunden vor dem vereinbarten Zeitpunkt abgesagt wurde. In diesem Fall hatte eine Mutter Termine für zwei ihrer Kinder in einer Praxis für Ergotherapie und Neurofeedback vereinbart. Als eines der Kinder, die zu diesem Zeitpunkt zwischen sieben und neun Jahren alt waren, kurzfristig erkrankte, sagte die Mutter die Termine am frühen Morgen des Behandlungstages ab. Sie sollte daraufhin 50 Euro Strafgebühr an die Praxis zahlen.

Die Rechtsanwältin Annett Sterrer, die in Berlin eine Kanzlei für Familienrecht und Arzthaftungsrecht betreibt, kommentierte das BGH-Urteil auf dem Fachportal anwalt.de wie folgt: „Der BGH stellte fest, dass der Klägerin (die Ärztin; Anm. d. Red) das Ausfallhonorar trotz der geschlossenen Vereinbarung nicht zustand. Denn dafür müsste die Beklagte (die Mutter der Kinder; Anm. d. Red.) in Annahmeverzug gem. § 293 BGB geraten sein. Die Mutter müsste also die Annahme der vereinbarten Leistung, die die Praxis auch angeboten hat, verweigert haben. Das setzt voraus, dass die Klägerin die Kinder an diesem Tag überhaupt hätte behandeln können und dürfen.“

mmer mehr Praxen verlangen Ausfallhonorare für geplatzte Termine

Die Tatsache, dass zum Zeitpunkt des vereinbarten Arzttermins am 23. März 2020 die Coronaschutzverordnung in Kraft war, spielte ebenfalls eine Rolle bei dem BGH-Urteil. „Es lag kein aktuelles ärztliches Attest oder eine entsprechende ärztliche Verordnung vor, die die medizinische Notwendigkeit der Behandlung nach dem Inkrafttreten der Coronaschutzverordnung bescheinigte“, erklärte die Expertin.

Darüber hinaus konnte die klagende Ärztin nicht nachweisen, dass „in ihrer Praxis bereits am Nachmittag des 23. März 2020 ein der Coronaschutzverordnung entsprechendes Patienten- und Hygienemanagement umgesetzt“ wurde. Daher bleibt die Rechtslage bezüglich einer Strafgebühr für verpasste Arzttermine weiterhin unklar. Trotzdem fordern die Kassenärzte weiterhin Strafzahlungen, um ihre Praxen wieder zu füllen. (kh/kiba)

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