Bei VW droht ein heißer Winter: „Bitterer, blutiger Kampf“ könnte für Scholz zum Desaster werden

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Die Gräben sind nicht nur zwischen den Parteien sehr tief. Noch in diesem Winter bahnt sich eine heiße Phase bei VW. Für Scholz ist das nach dem Ampel-Aus ein ungünstiger Zeitpunkt.

Berlin – Donald Trump als Sieger der US-Wahl, Konjunkturflaute, Ampel-Aus: Für Deutschland ist 2024 ein prägendes Jahr. Der November könnte nur der Anfang einer heißen Phase sein. Vor knapp einer Woche erreichte die VW-Krise ihren bisherigen Höhepunkt. Bei den jüngsten Tarifverhandlungen kamen IG Metall und VW zu keiner Einigung. Nun bahnen sich weitere unruhige Zeiten für die Wirtschaft an, die auch die geforderte Neuwahl überschatten könnten.

Ampel-Aus nicht das einzige Problem für Scholz – wegen VW-Krise drohen Streiks

Nach der Ankündigung, massiv Stellen abzubauen und mindestens drei Werke in Deutschland zu schließen, gingen VW-Mitarbeitende auf die Barrikaden. Der VW-Betriebsrat verurteilte die Entscheidung des Vorstands aufs Schärfste. In einigen Wochen endet die Friedenspflicht, ab dem 1. Dezember sind dann wieder Warnstreiks der Gewerkschaft möglich. Vieles spricht dafür, dass die VW-Belegschaft ihre Arbeit niederlegen wird.

„Die Fronten sind verhärtet“, sagte Streikforscher Alexander Gallas von der Universität Kassel zu IPPEN.MEDIA. „Noch im letzten Jahr hat VW 4,5 Milliarden als Dividende an Aktionäre und Aktionärinnen ausgezahlt. Der Frust und die Verunsicherung unter den Beschäftigten ist verständlicherweise groß.“ Die Beschäftigten seien auch nicht für die strategischen Fehler des Unternehmens bei der Umstellung auf die Elektromobilität verantwortlich gewesen. Gallas hält es für möglich, dass es ab Dezember zu Warnstreiks kommt.

Scholz, Lindner und Habeck und VW-Logo
VW will sparen. Ökonomen warnen vor staatlichen Eingriffen. © Kay Nietfeld/dpa/Julian Stratenschulte/dpa

Personalabbau und Lohnkosteneinsparungen bei VW „unvermeidlich“

Auch Dr. Christoph Kurzböck, Rechtsanwalt für Arbeitsrecht bei Rödl & Partner, rechnet mit Streiks. Die Gewerkschaft IG Metall und der VW-Betriebsrat fordern sieben Prozent mehr Lohn für die Volkswagen-Beschäftigten in den westdeutschen Werken. Die Unternehmensleitung hingegen erwägt neben Werksschließungen auch Lohnkürzungen. „Beide Seiten bauen maximale Positionen auf“, sagte Kurzböck.

„Jetzt gibt es eigentlich zwei Wege. Entweder man beharrt auf seinen Positionen und geht in einen wahnsinnig bitteren und blutigen Kampf. Oder man schafft es trotzdem, im Gespräch zu bleiben und sich dann über wechselseitige Positionen zunehmend anzunähern“. Ein Personalabbau und Lohnkosteneinsparungen auf der Arbeitnehmerseite sei aber unvermeidlich. Er fordert vom Vorstand, der Belegschaft entgegenzukommen. „Das Management wird sich dann schon auch die Frage stellen müssen, ob man nicht auch da ein Signal setzt und sagt: ‚Wir verzichten auf einen Teil unserer Boni, wir verzichten selber auch auf einen Teil unserer Vergütung‘, um zu signalisieren: ‚Wir sitzen alle in einem Boot.‘“

VW würde massiv einbüßen, wenn es zu keiner Einigung mit IG-Metall und dem Betriebsrat kommt

Trotz allem ist Kurzböck zuversichtlich, dass beide Seiten im VW-Konflikt einen Kompromiss finden werden, wenn auch „die nächsten Wochen und Monaten sicherlich wahnsinnig intensiv werden.“ Das hat vor allem einen Grund: „Wenn man sich auf nichts verständigt, dann werden die Mitarbeiter nächstes Jahr im Juli auf einen Tarifvertrag zurückfallen, der vor 1994 geschlossen worden ist“, erklärte Kurzböck.

„Dieser Tarifvertrag sieht eine Erhöhung der Arbeitszeit bei Lohnausgleich vor und weitere Zulagen wie zum Beispiel für Samstagsarbeit. Das würde das Unternehmen nach Schätzungen wohl eine Milliarde Euro kosten. VW muss ein großes Interesse haben, einen Konsens zu erzielen, um nicht auf diesen Tarifvertrag zurückzufallen.“

Kurzböck weist noch auf eine weitere grundlegende Problematik bei VW hin. „Durch die sehr komplexe Beteiligungsstruktur hält das Land Niedersachsen 20 Prozent der Anteile, was wiederum wohl dazu führt, dass sie auch zusammen mit den Arbeitnehmervertretern ein Vetorecht gegen wichtige Entscheidungen haben.“ Selbiges hatte auch Autopapst Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit unserer Redaktion angemerkt. (bohy)

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