„Wir wollen, dass Schüler gerne lernen“ : Gründer von bekannter Plattform über ihr neues Azubi-Projekt

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Digitale Lernplattformen sind ihr Metier: Die Gründer von Simpleclub: Nico Schork (r.) und Alex Giesecke. © Privat

Milliarde von Videoaufrufen haben die Gründer von „Simpleclub“ mit ihrem Bildungskanal generiert. Jetzt haben sie eine neue Lernplattform geschaffen – für Auszubildende.

Mit drei Millionen Abonnenten und einer Milliarde Videoaufrufen haben Nicolai Schork und Alex Giesecke den größten Bildungskanal in Deutschland aufgebaut. Heute ist Simpleclub ein Technologieunternehmen mit über 100 Mitarbeitern und Sitz in Grünwald. Vor drei Jahren haben die Gründer neben der Lernplattform für weiterführende Schulen eine eigene Plattform für Ausbildungen geschaffen. Unter den 400 Unternehmenskunden profitieren Azubis der Deutschen Bahn, Sparkasse und Globus von dem Konzept. Der Fokus liegt auf kaufmännischen und gewerblich-technische Berufen, Informatik, aber auch auf Gesundheit und Handwerk. Aktuell deckt Simpleclub knapp 40 Ausbildungsberufe ab. Im Interview erklärt Andreas Giesecke, weshalb sich die Investition in die digitale betriebliche Ausbildung lohnt.

Los ging alles mit einer Lernplattform für Schüler. Wie kam es dazu, die Brücke zur Ausbildung zu schlagen?

Wir hatten durchschnittlich zwei Millionen Nutzer im Monat, die wir durch den Abschluss gebracht haben. Gymnasiasten, Realschüler und Mittelschüler. Vor knapp zwei Jahren kamen die ersten Azubis auf uns zu und meinten, sie seien jetzt fertig mit der Schule und würden eine Ausbildung machen. Ihre Betriebe würden aber keine digitale Lernplattform anbieten. Gleichzeitig kamen auch Unternehmer auf uns. Ihre Azubis würden fragen, ob es so etwas wie Simpleclub auch für die Ausbildung gebe.

Und dann haben
Sie losgelegt?

Und dann haben wir vor etwa eineinhalb Jahren mit Pilotkunden angefangen. Einer der ersten war die Lack- und Farbfirma Brillux, deren Maler- und Lackierer-Ausbildung wir digitalisiert haben. Zusammen mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer haben wir nach und nach die größten Ausbildungsberufe in Deutschland aufgenommen. Bürokaufmann, Einzelhandelskaufmann und so weiter. Das Potenzial war riesig. Der Nachwuchskräftemangel in Deutschland ist gigantisch, und an Berufsschulen fehlen die Lehrer.

Wie kamen Sie dazu, vor zehn Jahren eine Lernplattform zu starten?

Damals stieg die Nachfrage nach Online-Lernen. Die Videos auf YouTube waren aber langweilig. Ältere Professoren erklärten mit schlechter Kamera, wie der Dieselmotor funktioniert. Das war wie Schule, nur eben online. Nicolai und ich waren damals in der 10. Klasse und wollten das ändern. Wir wollten etwas schaffen, womit Schüler gerne lernen und sich davon erzählen. Also haben wir angefangen, Mathe-Lernvideos zu produzieren. Bald haben wir das Angebot auf über zehn Fächer ausgeweitet. Wir merkten aber schnell, dass YouTube nicht die perfekte Lernumgebung ist: Das Format ist auf Videos beschränkt und die Plattform optimiert auf Werbeerfolg statt Lernerfolg. Deshalb haben wir 2019 unsere eigene Lernplattform gestartet.

Zurück zur Ausbildungsplattform. Wie lassen sich Azubis motivieren, dranzubleiben?

Um das zu verstehen, muss man in die Ausbildung hineinschauen. Was erlebt ein Azubi? Es gibt große Unterschiede je nach Unternehmen. Manche investieren extrem viel und bieten ihren Azubis eine tolle Lernumgebung. Die Stadtsparkasse München, einer unserer Kunden, hat ein eigenes super modernes Stockwerk nur für Azubis mit digitalen Lernmedien. In anderen Betrieben hängt an einem Werkzeugwagen ein fetter Block Papier mit dem Ausbildungsinhalt. Azubis, die tagtäglich mit Instagram, TikTok und YouTube konfrontiert sind, haben in so einer Lernumgebung keine Motivation. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Neben der generellen Attraktivität des Begriffs Ausbildung ist es zentral, die Ausbildung selbst so zu gestalten, dass Azubis sich davon gerne erzählen.

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Nicht ganz verstanden? Die App erklärt, wie der Dieselmotor funktioniert. © Simpleclub

Werben die
Unternehmen falsch?

Der intuitive Ansatz ist oft, ins Recruiting zu investieren. Die Firmen hängen Banner mit glücklichen Azubis auf. Das Problem ist, wenn man vorab eine coole Werbung schaltet, aber die Erfahrung nicht stimmt, sind die Leute unzufrieden und gehen. Studien belegen, dass die Weiterempfehlungsquote von Azubis während der Ausbildung sinkt. Von Ausbildungsjahr zu Ausbildungsjahr werden sie unzufriedener. Oft sind Qualität und Erfahrung nicht gut genug. Die beste Werbung ist also, die Ausbildung so zu gestalten, dass Azubis am Ende zufrieden sind und sagen: „Das ist das Beste, was ich jemals gemacht habe. Ich werde das meinen Freunden weiterempfehlen.“

Welche Kosten kommen auf Unternehmen mit Simpleclub zu?

In den Berufsschulen herrscht Lehrkräftemangel, weshalb dort der Theorieteil nicht mehr zuverlässig gelehrt wird. Die Azubis müssen im innerbetrieblichen Unterricht den Stoff nachholen. Das sind unheimlich große Extrakosten und Zeitaufwand für die Unternehmen. Mit digitalen Medien können die Unternehmen Geld einsparen. Die Lizenz kostet deutlich weniger als die Nachhilfe.

Was muss in der Berufsschule besser werden?

Das Grundproblem am deutschen Bildungssystem ist, dass die Schulen nicht genug Budget haben, um sich digitale Medien zu kaufen. In den Berufsschulen ist das Budget noch enger. Die Schulen dürfen digitale Tools nicht als Alternative zu klassischen Schulbüchern anschaffen. Meiner Meinung nach sollte jede Schule selbständig darüber entscheiden können, welche Mittel sie nutzen will. Wir sind seit Jahren im bildungspolitischen Kontext unterwegs. Das Thema ist komplex. Auch, weil Bildung Ländersache ist. Aktuell geben wir Lizenzen an Berufsschullehrkräfte kostenlos heraus.

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