Familienanwältin erklärt: Sorgerechtsstreit vor Gericht – So schützen Richter Kinder vor dem Rosenkrieg

Wie kann Fairness im Familiengericht gewährleistet werden, insbesondere in Bezug auf Sorgerechts- und Umgangsrechtsstreitigkeiten?

Die Familiengerichte haben es nicht immer einfach. Sie haben im Ernstfall zu entscheiden, wer wann das gemeinsame Kind sehen darf und wie lange. Sie sind es auch, die im Zweifel darüber entscheiden können, ob Elternteile überhaupt ihre Kinder wiedersehen dürfen. Ich habe es schon häufig erlebt, dass Familiengerichte letztlich nicht über einen Sorgerechtsentzug oder in einem Umgangsverfahren entscheiden konnten. 

Glücklicherweise kann das Familiengericht dann Sachverständige damit beauftragen, zu streitigen Fragen Stellung zu nehmen. Wie zum Beispiel zu der Frage, ob die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils eingeschränkt ist oder zu der Frage, wieviel Umgang dem Kindeswohl dienlich ist. Wenn Eltern in Streit geraten, muss das Familiengericht darauf hinwirken, dass eine gütliche Einigung getroffen wird. 

Aus diesem Grund heißt ein Gerichtstermin vor dem Familiengericht auch Gütetermin. Wenn der Gütetermin somit scheitert, sind gemeinsame Kinder anzuhören. Auch werden bereits im Vorfeld das Jugendamt und ein Verfahrensbeistand beteiligt. Der Verfahrensbeistand ist das Sprachrohr des betreffenden Kindes. Durch dieses Konstrukt kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass vor den Familiengerichten in Deutschland Niemand benachteiligt wird. 

Ich habe trotzdem schon häufiger erlebt, dass es vor Familiengerichten unfair zugegangen ist. Sei es, dass Familienrichter sich abwertend gegenüber einem Beteiligten geäußert haben, oder die Fragen in einem Tonfall gestellt wurden, die eine Befangenheit zumindest hätten vermuten lassen. Ich sehe in diesen Fällen immer zu, diese Momente klar zu kommunizieren. Dies signalisiert dem jeweiligen Familienrichter oder der jeweiligen Familienrichterin, dass ein Befangenheitsantrag gestellt werden wird, wenn sich der Umgangston beispielsweise nicht ändert. 

Betroffene fühlen sich vor Gericht häufig verraten und sind enttäuscht über richterliche Beschlüsse. Letztlich muss das Familiengericht aber entscheiden und in der Regel ist mindestens einer der betroffenen Elternteile nicht zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens. Wichtig ist jedoch, dass das Kindeswohl gewahrt ist, oder?

Über Sandra Günther

Sandra Günther ist seit 2007 Rechtsanwältin und hat sich in den Bereichen Familienrecht und Strafrecht spezialisiert. Sie wird ferner als TV Rechtsexpertin eingesetzt und ist Mitautorin des Ratgebers „ Wenn Liebe toxisch wird“.  Frau Günther hat ihren Kanzleisitz in Dortmund. In ihrem Podcast „ Familienrecht mit Herz und Verstand“ geht Frau Günther auf familienrechtliche Themen ein. Zuletzt stand sie für das TV „Format Ulrich Wetzel- Das Strafgericht“ vor der Kamera und hat sich ferner zu der Entführung der Familie Block im TV geäußert.

Welche Rolle spielt die Menschlichkeit in der Rolle eines Familienrichters und wie wird sie in schwierigen Fällen wie Eheaus und Trennung gewahrt?

Familienrichter und Familienrichterinnen sind Menschen. Es sind Menschen mit individuellen Charaktereigenschaften, mit Höhen und Tiefen, mit zwischenmenschlichen Problemen und Emotionen. Zwar sollen Richter objektiv sein, aber mal ehrlich: Können wir Menschen überhaupt objektiv sein? Sind wir nicht Alle von unseren subjektiven Wahrnehmungen und Erlebnissen geprägt und geleitet? 

Dies vorweggeschickt sind Familienrichter letztlich Personen, die über jahrelange Erfahrung verfügen und in der Lage sind, die Metaebene einzunehmen. Viele von ihnen sind sogar ausgebildete Mediatoren. Bei einvernehmlichen Scheidungen zum Beispiel ist es unerheblich, ob Familienrichter menschlich sind oder nicht. Es spielen in einer einvernehmlichen Scheidung nur drei Fragen eine Rolle:

  1. Wann wurde geheiratet?
  2. Wann ist die Trennung erfolgt?
  3. Ist die Scheidung immer noch gewünscht? 

Diese drei Fragen lassen sich relativ einfach und wenig emotional von dem zuständigen Familiengericht klären. Anders sieht es dagegen aus, wenn die Beteiligten sich in einem schmutzigen Scheidungskrieg befinden, einschließlich dem Zugewinnausgleich und Sorgerechtsstreit sowie die Klärung von Unterhaltsansprüchen. In diesen Fällen ist es unerlässlich, auf die Betroffenen auch als Familienrichter emotional einzugehen. 

Menschen in schwierigen Trennungssituationen müssen emotional abgeholt werden und wollen sich verstanden wissen. Wenn dem Familiengericht dies in einer mündlichen Verhandlung nicht gelingt, dann bleibt bei den Betroffenen, je nachdem wie das Verfahren ausgeht, ein negativer Beigeschmack. "Der Richter war voreingenommen, er hat mir gar nicht zugehört“, sind Sätze, die ein Familienrechtler dann häufiger von seinen Mandanten oder Mandantinnen zu hören bekommt. 

Die Mitmenschlichkeit des zuständigen Familienrichters ist somit unerlässlich, wenn eine Trennung für die betroffenen Ehepaare zu einer Abwärtsspirale geworden ist. Es gibt zum Glück viele Familienrichter:innen, die sich optimal auf die Beteiligten einstellen und dazu in der Lage sind, auch in schwierigen Fällen einen Konsens zu erarbeiten. Der geringe Anteil derer, die als Familienrichter nicht dazu in der Lage sind, bleibt vorbehalten. Aber es gibt in jeder Berufsgruppe Gute und weniger Gute.

Wie können Rechtsanwälte ihre Klienten effektiv unterstützen, wenn es um Streitigkeiten im Zusammenhang mit Trennung und Sorgerecht geht?

Zwar sind Rechtsanwälte für Familienrecht keine ausgebildeten Therapeuten. Aber diejenigen, die diesen Beruf lange genug ausüben, verfügen über so viel Menschenkenntnis und Sachverstand, dass sie zumindest teilweise in der Lage dazu sind, Mandanten in Trennungssituationen aufzufangen. 

Auch hier gibt es natürlich diejenigen Rechtsanwälte, die die jeweilige Angelegenheit trocken und wenig emphatisch bearbeiten. Es gibt aber auch diejenigen, die mit viel Empathie, Fachwissen und Menschenkenntnis dazu in der Lage sind, auch die emotionale Schieflage betroffener Mandanten ein wenig abzufedern. 

Wenn Mandanten das erste Mal zu mir in die Beratung kommen, dann lasse ich sie erstmal reden. Sie wollen sich mitteilen, viele weinen auch oder sind wütend. Sie entladen sich in einem ersten Beratungstermin förmlich. Familienrechtliche Mandate sind keine Mietstreitigkeit. Es geht um Emotionen, um verletzte Gefühle und verletztes Vertrauen. Es geht um Menschen, die mit ihren intimsten Problemen zu einem kommen. Schwierige Trennungen müssen von Außen unterstützt werden. Erfahrene Familienrechtler wissen, wie wichtig es ist, Betroffene ausführlich familienrechtlich zu beraten und sie ferner darin zu unterstützen, sich psycho-emotional neu aufzustellen. 

Dazu gehört in Einzelfällen auch, dass Angelegenheiten mehrfach und wiederholt erörtert werden müssen, da Betroffene dazu neigen, sich gedanklich im Kreis zu drehen. Effektive Unterstützung ist zum Beispiel auch, betroffene Mandanten und Mandantinnen zu keiner Entscheidung zu drängen. Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo und jede Trennung ist anders. Für sein eigene Tempo muss sich Niemand schämen.

Wie sollte man einen Richter oder eine Anwältin korrekt anreden, um Respekt zu zeigen und gleichzeitig seine eigene Position zu stärken?

Wenn das Familiengericht zur gerichtlichen Verhandlung lädt, gibt es Mandanten, die davor überhaupt keine Scheu haben. Dann gibt es aber auch diejenigen, die von einer gerichtlichen Ladung nachhaltig beeindruckt sind, und nicht wissen, wie sie sich vor einem Richter verhalten sollen. Viele Mandanten fragen mich dann, was sie bei Gericht anziehen sollen, wie sie reden sollen und wie die den Richter ansprechen sollen. Authentisch bleiben und dabei respektvoll bleiben lautet dann oft die Antwort darauf. Die Anrede sollte entweder sein: "Herr oder Frau Vorsitzende" oder "Herr oder Frau Richterin". Auf keinen Fall ist Duzen angesagt. Auch sollte ein Richter niemals unterbrochen werden bei seinen Ausführungen. Besser ist es, um Das Wort zu bitten. 

Auch sollte davon abgesehen werden, im Gerichtssaal zu schreien oder die Gegenseite zu beleidigen. Dies kann mit einem Ordnungsgeld quittiert werden. Ein Mandant von mir kam einmal mit Kopfbedeckung und Sonnenbrille, das so etwas gar nicht geht, sollte selbstverständlich sein. Auch ein Kaffee to Go ist unvorteilhaft. Wenn dann der gute Ton gewahrt ist, sollte dennoch nicht vergessen werden, dass die Beteiligten jeweils ein bestimmtes Anliegen haben, für welches sie einstehen möchten. Somit ist es auch wichtig, in einem angemessenen Ton zu verdeutlichen, welche Wünsche und Ziele man hat und was man sich von dem Gerichtstermin erhofft. 

Forderungen sollten dabei immer als Wünsche formuliert werden. Dies wirkt charmanter und entspricht eher der Sprache eines Familienrichters. Der Versuch, einen ruhigen und sachlichen Ton zu treffen und beizubehalten, kann nicht schaden. Auch wenn es in der Verhandlung emotional wird, und das wird es, sollte respektvoll agiert werden. Auch aus prozesstaktischer Sicht ist dies ratsam.

Wichtig ist auch, dass das Geschehen im Gerichtssaal nicht kommentiert wird. Dies obliegt allein dem zuständigen Richter. Auch wirres Umherlaufen in der Verhandlung und lautes Sprechen mit dem jeweiligen Rechtsanwalt sollte unterbleiben. Sofern es erforderlich ist, kann natürlich um eine Pause gebeten werden. Im Gerichtssaal ticken die Uhren eben anders. Die zu beherzigen ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Welche besonderen Herausforderungen stellen Trennungskinder für das Familiengericht dar und wie können diese am besten bewältigt werden?

Das Kindschaftsrecht stellt für Familiengerichte immer wieder eine große Herausforderung dar. Es geht letztlich um das Schicksal von Trennungskindern. Kinder, die unter einer Trennung der Eltern leiden, und das tun viele Kinder, sind häufig in familienrechtliche Verfahren involviert. Sie werden angehört von dem Verfahrensbeistand, von dem Familienrichter und wenn es ganz schlecht läuft, auch noch von einem Gutachter. 

Das Familiengericht hat in Kindschaftssachen nach dem Kindeswohl vorzugehen. Aber wie wird das sogenannte Kindeswohl ermittelt? 

Das Familiengericht ermittelt das Kindeswohl, indem es verschiedene Kriterien berücksichtigt, das Kind anhört und ggf. Gutachten einholt. Ziel ist es, eine Entscheidung im besten Interesse des Kindes zu treffen. Dabei spielen insbesondere der Kindeswille, das Bindungsprinzip, das Kontinuitätsprinzip und das Förderungsprinzip als Kriterien eine Rolle. 

Bei dem Bindungsprinzip erforscht das Familiengericht, zu welcher Person das Kind eine innere Bindung hat bzw. zu wem es eine tiefere Bindung hat. Bei dem Kontinuitätsprinzip wird die Frage gestellt, welcher Elternteil eine möglichst einheitliche und gleichmäßige Erziehung sichergestellt hat. Und beim Förderungsprinzip wird geschaut, welcher Elternteil dem Kind mehr Unterstützung geben kann. Eine Aufgabe, die nicht immer leichtfällt, aber von Familienrichtern mehrmals täglich zu bewältigen ist. 

Wer darf wie oft Umgang mit dem Kind haben, wer übt die Gesundheitsfürsorge oder wer erhält das Aufenthaltsbestimmungsrecht sind dabei an der Tagesordnung. Immer wieder gibt es Eltern, die sich nicht einigen können, weil sie auf der Paarebene noch zu sehr damit beschäftigt sind, wer für das Scheitern der Ehe verantwortlich ist. Oft müssen Familienrichter ausufernde Umgangsregelungen treffen, damit nach Möglichkeit keine Fragen mehr offen sind. Dabei ist sich jeder darüber bewusst, dass nicht für alle Eventualitäten eine richterliche Lösung getroffen werden kann. 

Nicht selten geht es um Kindeswohlgefährdungen, sei es durch physische oder psychische Gewalt, wie zum Beispiel ein das Kind manipulierender Elternteil. Familienrichter bedienen sich daher sogenannter Verfahrensbeistände, die sich vor Ort bei den jeweiligen Familien einen Eindruck von der Familiensituation verschaffen und gegenüber dem Familiengericht Bericht erstattet. Eine schwierige Aufgabe für Alle, die in fachlicher Hinsicht beteiligt sind. Es geht um Kinderseelen, die Erwachsenen von morgen.

Lesetipp (Anzeige)

"Intelligent getrennt: Wie du dich rechtssicher und fair trennst, finanziell absicherst, Ärger vermeidest und deine Kinder schützt" von Sandra Günther

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.