Scheidungsanwältin Sandra Günther - Trennungsjahr und Unterhaltsansprüche: Was Sie wissen müssen

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Getty Images/iStockphoto/fizkes Eine Scheidung ist oft ein emotionaler Kraftakt – und juristisch ein komplexer Prozess.
Mittwoch, 11.12.2024, 09:03

Eine Scheidung ist oft ein emotionaler und komplexer Prozess. Scheidungsanwältin Sandra Günther klärt auf, was Betroffene beachten sollten, um finanziell und rechtlich abgesichert zu sein.

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Was sind die ersten Schritte, die man bei einer Ehescheidung unternehmen sollte?

Wenn Menschen merken, dass sie in ihrer Ehe nicht mehr glücklich sind, sollten sie nicht in der Situation verharren. Häufig ist die Erkenntnis, sich in einer unglücklichen Ehe zu befinden, ein Prozess über mehrere Monate bis Jahre. Natürlich versuchen viele Menschen, die Ehe noch zu retten. Gelangt man jedoch immer wieder an denselben Punkt, nämlich dass die Ehe zerrüttet ist, sollte die Reißleine gezogen werden.

Wichtig ist, sich im Vorfeld zu informieren, welche Wege bei einer Trennung mit einer sich anschließenden Scheidung zu gehen sind. Dass für eine Scheidung das sogenannte Trennungsjahr abgelaufen sein muss ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Dass aber Trennungsunterhaltsansprüche verloren gehen können, wenn sie nicht rechtzeitig eingefordert werden oder die Möglichkeit bestehen kann, auf die Rentenanwartschaften zu verzichten, ist dagegen weniger bekannt.

Wenn Menschen somit in einer Trennungssituation sind dann sollten sie im Trennungsjahr zunächst prüfen, ob ein Anspruch auf Trennungsunterhalt gegen den jeweils anderen besteht. Trennungsunterhalt ist immer erst ab dem Monat zu zahlen, an dem der Pflichtige in Verzug gesetzt wurde. Auch sollte bei gemeinsamen Kindern die Höhe des zu zahlenden Kindesunterhaltes errechnet werden. Hierzu sollte man sich im Vorfeld die Einkommensverhältnisse des jeweils Pflichtigen ansehen und nach Möglichkeit auch kopieren.

Liegen diese Unterlagen beim ersten Anwaltsbesuch nicht vor, ist das aber auch nicht so schlimm, es besteht wechselseitig ein gesetzlicher Auskunftsanspruch. Es sollte auch darüber nachgedacht werden, wer bei einer räumlichen Trennung welche Gegenstände mitnimmt. Hausrat ist zu teilen. Wie die Aufteilung erfolgt, ist den Betroffenen selbst überlassen.

Im Rahmen einer Scheidung kann, sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen, bereits im Vorfeld, durch eine notarielle Vereinbarung , auf die Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens verzichtet werden. Dies bedeutet, dass jeder seine Rentenpunkte für sich behalten darf. Dies sollte mit einem erfahrenen Familienrechtler im Vorfeld besprochen werden.

Ohnehin ist es unerlässlich, vor einer beabsichtigten Scheidung einen Scheidungsanwalt aufzusuchen. Mindestens ein Rechtsanwalt für Familienrecht wird für die Beantragung der Scheidung benötigt. Insoweit herrscht Anwaltszwang. Bei Einigkeit muss die Gegenseite nicht zwingend einen Anwalt einschalten. es genügt , wenn die Gegenseite dem Scheidungsantrag zustimmt.

Über die Gastautorin Sandra Günther

Über die Gastautorin Sandra Günther
Sandra Günther

Sandra Günther ist seit 2007 Rechtsanwältin und hat sich in den Bereichen Familienrecht und Strafrecht spezialisiert. Sie wird ferner als TV-Rechtsexpertin eingesetzt und ist Mitautorin des Ratgebers „ Wenn Liebe toxisch wird“. Günther hat ihren Kanzleisitz in Dortmund. In ihrem Podcast „ Familienrecht mit Herz und Verstand“ geht sie auf familienrechtliche Themen ein. Ihr zweites Buch "Intelligent getrennt" erscheint im Herbst 2024. Die Rechtsanwältin informiert auch auf ihrem Instagram Account "Frau_Familienrecht" täglich über Fälle und Probleme.

Wie wirkt sich Fremdgehen auf die Schuldfrage in einem Scheidungsverfahren aus?

„Ich bin jahrelang betrogen worden“, ist ein Satz, den Familienrechtler häufig hören, wenn das erste Beratungsgespräch stattfindet. Leider muss den jeweiligen Mandanten dann mitgeteilt werden, dass für die Scheidung unerheblich ist, wer wen betrogen hat. Seit 1977 gibt es das Verschuldensprinzip nicht mehr vor dem Familiengericht.

Es gilt mittlerweile das Zerrüttungsprinzip. Wenn eine Trennung ein Jahr andauert und keine Versöhnungsversuche stattgefunden haben, wird geschieden. Für viele Menschen ist es ernüchternd, wenn sie feststellen, dass sich Rechtsanwälte und Familienrichter für ihre persönliche Geschichte in der Tiefe nicht interessieren. Sie möchten sich mitteilen, ihrem Frust Luft machen und sich emotional abgeholt fühlen.

Ich lasse betroffene Mandanten durchaus einige Minuten von sich und ihrem Erleben erzählen, da es meines Erachtens für eine gute Mandatsführung unerlässlich ist. Trotzdem lässt sich nicht beschönigen, dass ein Familiengericht die familiären Probleme im Rahmen einer Scheidung kaum lösen oder aufklären wird. Betroffene sind somit gut damit beraten, sich dies im Vorfeld klar zu machen, um einer möglichen Enttäuschung vorzubeugen.

Fremdgehen ist übrigens auch kein einschlägiger Grund, Trennungsunterhalt zu versagen. Auch zugewinnrechtliche Ansprüche sind nicht ausgeschlossen, nur weil der Andere fremdgegangen ist. Das Thema Fremdgehen wirkt sich somit auf ein Scheidungsverfahren nicht aus. Dass Fremdgehen moralisch verwerflich ist und Betroffene in erheblicher Weise emotional verletzt dürfte dennoch einleuchtend sein.

Wie wird das Sorgerecht und der Kindesunterhalt nach einer Trennung geregelt?

Wenn Kinder in die Ehe hineingeboren werden, dann teilen sich Eltern die elterliche Sorge. Wenn ein Kind unehelich geboren wird, dann zunächst die Kindesmutter die alleinige elterliche Sorge. Die Kindesmutter kann aber dann beim Jungendamt eine sogenannte Sorgeerklärung abgeben. Wenn die Kindesmutter sich dem ablehnend gegenüber stellt, kann das hälftige Sorgerecht beim Familiengericht eingeklagt werden.

Wenn sich verheiratete Eltern trennen, verbleibt es danach bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. Nur wenn sich zwischen den getrenntlebenden Eltern massive Probleme im Hinblick auf zu treffende Entscheidungen ergeben, können einzelne Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen werden. So zum Beispiel wenn die Frage des Lebensmittelpunktes des Kindes streitig ist. In diesen Fällen kann es sein, dass das Familiengericht einem der beiden Elternteile das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teilbereich der elterlichen Sorge übertragen muss.

Mit einer Trennung und der Tatsache, dass gemeinsame Kinder dann überwiegend von einem Elternteil betreut werden, besteht gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil ein Anspruch auf Zahlung von Kindeunterhalt. Die Höhe des Kindesunterhaltes richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des Pflichtigen und nach dem Alter des Kindes. Ein Blick in die sogenannte Düsseldorfer Tabelle hilft an dieser Stelle. Wichtig ist, dass Kindesunterhalt erst ab in Verzug setzen geschuldet wird.

Wenn beispielsweise die Trennung im Januar erfolgt und die erst im April die Aufforderung zur Zahlung an den Pflichtigen erfolgt, sind die Monate Januar, Februar und März verloren. Es ist somit finanziell wichtig, unterhaltsrechtliche Ansprüche unverzüglich geltend zu machen. Wenn nach Aufforderung nicht gezahlt wird, sollte die Angelegenheit gerichtlich geklärt werden.

Nach Antragstellung beim Familiengericht wird dann ein Gerichtstermin anberaumt, um die Angelegenheit zu erörtern. Jeder Beteiligte kann dann seine Einwendungen vorbringen. Wenn keine Einigung erfolgt, dann macht das Familiengericht einen Beschluss. Gegen den Beschluss kann dann beim OLG Beschwerde eingelegt werden. So können unterhaltsverfahren schonmal mehrere Monate bis Jahre dauern. Zu empfehlen ist dies jedoch nicht. Derartig lange Verfahren kosten viel Geduld, Zeit, Nerven und auch Geld. Betroffene sollten sich im Sinne der gemeinsamen Kinder einigen.

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Wie wird der Trennungsunterhalt berechnet und wer hat Anspruch darauf?

Trennungsunterhalt wird ab Trennung bis Rechtskraft der Scheidung gezahlt. Die Zahlung muss aber nur erfolgen, wenn der Pflichtige auch leistungsfähig ist. Es versteht sich von selbst, das Pflichtige die Tendenz haben, sich finanziell schwach zu rechnen. „Nachvollziehbar, denn wir leben in einer Zeit , wo Alles immer teurer wird.

3/7 des bereinigten Nettoeinkommens des Pflichtigen muss in der Regel als Trennungsunterhalt gezahlt werden. Der Selbstbehalt für Pflichtige liegt derzeit bei 1.450 Euro. Sofern das bereinigte Nettoeinkommen unter 1.450 Euro liegt, muss kein Unterhalt geleistet werden. Viele Betroffene gehen von dem Nettoeinkommen bei dem Versuch einer Unterhaltsberechnung aus. Dies ist aber falsch. Das Nettoeinkommen muss unterhalsrechtlich „bereinigt“ werden, und zwar um abzugsfähige Positionen.

Dabei sind nicht alle Kosten abzugsfähig. Abzugsfähig sind ehebedingte Schulden, Lebensversicherungen, private Krankenversicherungen oder berufsbedingte Aufwendungen. Dagegen sind zum Beispiel nicht abzugsfähig Kosten für Miete, Telefon, Strom oder Fitnessstudio. Diese Kosten fallen unter den Selbstbehalt. Bei Ehen, die nicht länger als zwei Jahre angedauert haben, gibt es in der Regel keinen Unterhaltsanspruch.

Trennungsunterhalt kann auch verwirkt sein. Dies zum Beispiel, wenn der oder die Ex im Trennungsjahr und vor der Scheidung zusammenziehen. Nach einer Entscheidung des OLG Oldenburg kann der Anspruch auf Trennungsunterhalt somit entfallen, wenn der Bedürftige seit mehr als einem Jahr in einer neuen, verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.

Für diejenigen, die zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet sind, ist es zielführend, sich schnell scheiden zu lassen. Je eher die Scheidung, desto schneller entfällt der Zahlungsanspruch des Bedürftigen. Dagegen bietet es sich für den Bedürftigen an, die Scheidung so lange wie möglich hinauszuzögern, da der Anspruch auf Trennungsunterhalt erst mit Rechtskraft der Scheidung endet.

Kann eine Trennung auch als Chance gesehen werden und wie findet man Wege ins Glück nach einer Scheidung?

Sich aus einer unglücklichen Beziehung zu befreien kann ein großer Schritt in ein neues, glücklicheres Leben sein. Die meisten Mandanten, die ich familienrechtlich betreue oder betreut habe, haben den Schritt, sich scheiden lassen nie bereut. Die meisten Betroffenen sind nach einer Scheidung zufriedener und autonomer.

Wenn man viele Jahre miteinander verheiratet ist, entsteht eine Dynamik. Es entstehen Muster, Verhaltensmuster, die sich oft nur schwer aufbrechen lassen. Betroffene Eheleute leiden oft jahrelang unter den Umständen zuhause. Mandanten kommen oft verzweifelt zu mir, und ich baue sie dann mit viel Mühe wieder auf, sage ihnen, dass sie es schaffen können, sich aus der Krise zu befreien.

Neue Wege zu gehen ist nie verkehrt. Das Leben lebt jeder nur einmal auf dieser Erde. Warum sollte ein Mensch also in einer Situation verharren, die ihn unglücklich macht? Gerade in Zeiten von Social-Media ist es nicht schwierig, neue Menschen kennenzulernen. Man muss ja nicht direkt in eine neue Beziehung starten. Aber es gibt nichts dagegen einzuwenden, nett Essen zu gehen, zu flirten oder wieder tanzen zu gehen.

Die Fähigkeit, sich selbst wieder zu spüren und die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, geht in einer unglücklichen Beziehung häufig verloren. Jeder Mensch hat das Recht, glücklich zu sein. Jeder Mensch sollte auch das Recht haben, sich selbst zu verwirklichen. Wenn dies innerhalb einer bestehenden Beziehung nicht möglich ist, dann ist es Zeit, etwas zu verändern. Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Dieser Content stammt vom FOCUS online EXPERTS Circle. Unsere Experts verfügen über hohes Fachwissen in ihrem Bereich. Sie sind nicht Teil der Redaktion. Mehr erfahren.