Bademeister enttäuscht: Ich frage mich, was in Deutschland noch Priorität hat
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Manchmal frage ich mich ernsthaft, was in diesem Land Priorität hat. Für Prestigeprojekte oder kurzfristige Wahlgeschenke fließen Millionen oder gar Milliarden oft über Nacht.
Aber wenn es um die Sanierung und den Erhalt unserer Schwimmbäder geht, dann heißt es plötzlich: „Das ist kompliziert, wir müssen erstmal prüfen.“
„Keine Forderung aus Luxus, sondern Investition in Sicherheit und Zukunft“
Die Bäderallianz Deutschland hat es diese Woche klar gemacht: Wir brauchen eine Milliarde Euro pro Jahr, zwölf Jahre lang. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Das sind zwölf Milliarden, um unsere maroden Schwimmbäder zu retten, neue zu bauen und Schwimmunterricht zu sichern.
„Das ist keine Forderung aus Luxus – das ist eine Investition in Sicherheit und Zukunft“, sage ich.
236 Tote bis Juli – und die Zahl steigt
Die DLRG-Zwischenbilanz 2025 ist erschreckend: Bis Ende Juli sind 236 Menschen in Deutschland ertrunken.
Das sind 236 Familien, deren Leben nie wieder so sein wird wie vorher. Im gesamten letzten Jahr waren es 411 Ertrunkene – und wenn wir so weitermachen, wird 2025 noch schlimmer.
Ralf Großmann wuchs im Schwimmbad auf und lebt Bäderbetrieb seit Kindheitstagen. Auf H2ohero.de teilt er seine Erfahrung aus deutschen Bädern – authentisch, alltagsnah und mit Herz für Sicherheit und Qualität. Er ist Teil unseres Experts Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
„Jeder Ertrinkungstod ist einer zu viel – und viele davon wären vermeidbar, wenn wir die Bäder nicht verfallen lassen würden“, sage ich ganz klar. Doch diese Zahlen scheinen in den Haushaltsdebatten kaum Gewicht zu haben. Dabei müsste gerade das jede Politikerin und jeden Politiker wachrütteln.
Uns fehlen im gesamten Land rund 3000 fehlende Retter
Was viele vergessen: Selbst wenn ein Bad technisch in Schuss ist, braucht es Menschen, die aufpassen, retten, unterrichten. Laut DLRG fehlen bundesweit mindestens 3000 Fachkräfte. Das ist keine kleine Lücke – das ist ein Sicherheitsrisiko.
Und während wir um jede Fachkraft kämpfen, verkomplizieren Förderanträge und endlose Bürokratie jede sinnvolle Maßnahme. Ich habe schon erlebt, dass ganze Sanierungspläne in der Schublade verstauben, nur weil ein Formular noch nicht korrekt unterschrieben war oder ein Stempel fehlte.
Der Verwaltungs-Irrsinn in Deutschland betrifft auch uns
Förderanträge, bei denen man sich fragt, ob sie überhaupt für die Realität gemacht wurden. Aktenordner voll, monatelange Wartezeiten, Rückfragen zu Details, die mit dem eigentlichen Problem nichts zu tun haben.
Brandschutzauflagen, Lärmschutzgutachten, Barrierefreiheitspläne – alles wichtig, keine Frage. Aber wir müssen uns ehrlich machen: Wenn ein Dach undicht ist, dann hilft kein Lärmgutachten. Dann muss es repariert werden – sofort.
„Es gibt Entscheidungen, bei denen über Nacht dreistellige Millionenbeträge fließen – warum geht das bei Bädern nicht?“ Ralf Großmann
Und trotzdem erlebe ich es immer wieder: Für ein Schwimmbad, das saniert werden muss, warten wir Jahre auf Bewilligung. Für andere Projekte, die mehr Schlagzeilen bringen, werden Summen in derselben Größenordnung in wenigen Tagen durchgewunken. „Es gibt Entscheidungen, bei denen über Nacht dreistellige Millionenbeträge fließen – warum geht das bei Bädern nicht?“, frage ich mich oft.
Es geht hier nicht um Luxus. Ein Schwimmbad ist keine „Wellness-Oase für ein paar Sommermonate“. Es ist ein Ort, an dem Kinder schwimmen lernen, an dem Rettungsschwimmer ausgebildet werden, an dem Sicherheit im Wasser geübt wird.
Und ja – es ist auch ein Stück Daseinsvorsorge. Wer das nicht begreift, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.
Die Politik muss endlich anerkennen, dass jedes geschlossene Bad langfristig mehr Probleme schafft, als es kurzfristig Kosten spart. Denn fehlende Bäder bedeuten fehlende Schwimmfähigkeit – und das endet zu oft tödlich.
Wir brauchen endlich Priorität für die Bäder, nicht nur schöne Worte und runde Tische
„Wenn wir weiter zusehen, wie Bäder schließen, dann wird die Zahl der Ertrunkenen in den nächsten Jahren weiter steigen. Das ist keine Prognose – das ist eine traurige Gewissheit.“
Wir brauchen endlich Priorität für die Bäder. Nicht nur schöne Worte und runde Tische. Wir brauchen Geld. Planungssicherheit. Weniger Papierkram. Mehr Entscheidungen, die sofort wirken.
Und wir brauchen den Mut, im Bundestag zu sagen: Sicherheit im Wasser ist genauso wichtig wie jede andere öffentliche Aufgabe.
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