Tiefschlag für Dobrindts Asylwende: Nachbarland macht ernst – Polizei schickt Flüchtlinge zurück

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Im Streit über die deutsche Grenzpolitik verweigert Polen die Rücknahme zweier Asylbewerber. Die Begründung ist plötzlich eine andere: das EU-Recht

Guben – Der Streit über die deutsche Migrationspolitik mit Polen bekommt eine brisante Wendung: Bei einem Vorfall am Montagmorgen verweigerte der polnische Grenzschutz die Rücknahme zweier in Deutschland abgewiesener Asylbewerber. Schon beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz hatte Polens Ministerpräsident Donald Tusk die deutsche Abschiebepraxis kritisiert.

Nun scheinen nach den Worten Taten zu folgen – mitten im polnischen Präsidentschaftswahlkampf. In Polen wird am 18. Mai gewählt und Migrationspolitik ist eines der Hauptthemen im Wahlkampf. Laut einem Spiegel-Bericht vom Mittwoch (14. Mai) ereignete sich der Vorfall am Montagmorgen um 5.45 Uhr in der brandenburgischen Grenzstadt Guben.

Wohl aus Polen: Dobrindts Asylwende verlangt Rückweisung von Afghanen

Bei den Asylbewerbern handelte es sich demnach um zwei Personen aus Afghanistan (20 und 23 Jahre alt), die keine gültigen Aufenthaltspapiere hatten und laut eigenen Angaben einige Momente zuvor über die Grenzbrücke gekommen sein sollen. Sie wollten in Deutschland Asyl beantragen, sagten die beiden Personen den Polizisten.

Da die beiden Afghanen aus Polen kam, griff allerdings die Asylwende des Innenministers Alexander Dobrindt (CSU): Asylbewerber, die aus anderen EU-Ländern oder der Schweiz einreisen, waren bereits in einem sicheren Land und können zurückgewiesen werden. Das gelte auch für Personen, die erst kurz hinter der Grenze aufgegriffen werden. Bisher war es bei Asylbewerbern nicht möglich, diese umgehend wieder zurückzuschicken.

Bundespolizei will Dobrindts Grenzanordnung anwenden – und scheitert

Sodann wollte die Bundespolizei die neue Regelung umsetzen und die beiden Personen trotz Asylgesuch nach Polen zurückschicken. Nachdem der polnische Grenzschutz dies abgelehnt hatte, verzichtete die Polizei auf einen zweiten Versuch. Stattdessen leitete sie die Afghanen an eine Erstaufnahme-Einrichtung weiter.

Es ist nicht das erste Mal, dass Polen deutsche Zurückweisungen abgelehnt hat. Wenn sich Personen, so wie auch die beiden Afghanen, bereits mehr als einen Kilometer von der Grenzbrücke entfernt befanden, argumentierte Polen bereits, dass die Herkunft aus Polen nicht bewiesen werden könne.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister, spricht zum Verbot der Reichsbürger-Gruppe „Königreich Deutschland“.
Wenige Tage im Amt und bereits international in der Kritik: Dobrindts Asylwende verursacht einen Grenzstreit mit Polen. © picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Gegen EU-Recht? Polen gibt Widerstand gegen Asylwende – Dobrindt sieht Schlupfloch

Diesmal war die Begründung allerdings eine andere: Wegen des Erstschutzgesuch in Deutschland gelte laut polnischen Stimme das Dublin-Abkommen. Danach müsste Deutschland die Personen vorerst aufnehmen und hätte ein halbes Jahr Zeit, um die Asylbewerber in das Land zu schicken, das sie als erster betreten hatten. Ist die Zeit verstrichen, bleiben die Personen in Deutschland.

Der Paragraf 18 im deutschen Asylgesetz, auf den Dobrindt sich bezieht, steht mit der EU-Regelung im Widerspruch. Nach deutschem Gesetz könnten die Personen direkt zurückgewiesen werden – in den Staat, aus dem sie nach Deutschland eingereist sind. Der Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU soll dem Innenminister laut ZDF ein Schlupfloch bieten: Dort sind Ausnahmen von EU-Regelungen möglich, insofern die öffentliche Ordnung oder der Schutz der inneren Sicherheit betroffen ist.

In der Bundespolizei wird davon ausgegangen, dass es sich bei dem Vorfall Montagmorgen um keinen Einzelfall halte. Es werde vermehrt zu Ablehnungen kommen, so die Prognose. Die „guten Lösungen“, die Merz Tusk versprochen hatte, sind wohl bisher nicht gefunden worden. Neben der polnischen Reaktion findet die neue Grenzpolitik auch Kritik bei Grünen und Linken, die darin einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht sehen. (lismah)

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