„Er starb so, wie er lebte“: Putins „Schildkrötenpanzer“ im Artillerie-Feuer zerstört

  1. Startseite
  2. Politik

KommentareDrucken

Der ultimative Panzerschreck: Ein ukrainischer Soldat bereitet Drohnen an der Frontlinie vor. Sie können aufklären und zerstören, ohne viele Ressourcen zu verbrauchen. © Efrem Lukatsky/AP/dpa

Er ist plump und schwer. Unbeweglich und auffällig. Und er ist Geschichte: Putins „Schildkrötenpanzer“. Der erste seiner Art. Weitere werden folgen.

Krasnogorowka – „Normalerweise tötet man einen Panzer nicht gleich beim ersten Mal; zehn oder mehr Drohnen könnten nötig sein, um einen Panzer zu töten“, sagte Rob Lee kürzlich der Plattform Foreign Policy. Lee ist leitender Mitarbeiter des Foreign Policy Research Institute – die Gesamtgenauigkeit von FPV-Drohnen (First Person View) liege ohnehin unter 50 Prozent. Ihm zufolge könne auch nur ein erfahrener Pilot mit einer FPV-Drohne einen Panzer und die darin befindlichen Soldaten vernichten oder bis in den tiefsten Unterschlupf hinein aufklären. Kein Neuling könne das. Ein Könner hat jetzt also im Ukraine-Krieg die Russen zum Gespött der gesamten Welt gemacht: Er hat geholfen, Wladimir Putins „Schildkröte“ zu vernichten und hat damit die gesamten Bemühungen Russlands um einen Schutz gegen die Raffinesse der ukrainischen Verteidiger ad absurdum geführt.

„Russlands bizarrer ‚Schildkrötenpanzer‘ starb so, wie er lebte: eingehüllt in eine unhandliche Metallhülle, die die Drehung seines Turms verhinderte und sicherlich seine Mobilität einschränkte“, wie Forbes schreibt. Nur wenige Tage, nachdem der modifizierte Panzer vermeintlich auf der Basis eines T-72 aufgetaucht war an der Frontlinie um Krasnogorowka, westlich von Donezk in der Ostukraine, entdeckte ein ukrainisches Drohnenteam den 51 Tonnen schweren Koloss, der in einem Hangar im Petrovskyi von Donezk Schutz gesucht hatte. Tage vorher hatte der Panzer mit dem Aussehen eines Miniatur-Hangars eine Kolonne gepanzerter Fahrzeuge auf einem schnellen Vorstoß durch ukrainisches Feuer geführt, um Infanterie in der Nähe von Krasnogorowka abzusetzen – dort versuchen die Russen im Rahmen einer Winter-Frühlingsoffensive Raum zu gewinnen.

Dieser „Schildkrötenpanzer“ war ausgestattet mit einer wohl aus Stahlplatten bestehenden improvisierten Anti-Drohnen-Panzerung, die die Bewegungsfähigkeit des Fahrzeugs stark beeinträchtigte. Trotz dieses Handicaps überlebte der Panzer seinen ersten Kampfeinsatz beim Absetzen der Infanterie und kehrte danach in seinen Hangar zurück. Allerdings verfolgten ukrainische Drohnen dessen Bewegungen bis zuletzt und, wie es scheint, ohne große Mühe.

Russlands Offensive: Ukraine zu gefährlich für Oben-Ohne-Panzer

Die Truppen konnten den Hangar, in dem sich der Panzer befand, auch dadurch aufspüren, indem sie die sozialen Medien durchforsteten, wie Focus berichtet. Im Netz hatte ein russischer Soldat zuvor bereits Videos des T-72 hochgeladen. Diese glichen Kiews Truppen mit dem von den Drohnen ermittelten Standort ab und beschossen den Hangar dann mit Artillerie, was zur Zerstörung des kurios aussehenden Do-It-Yourself-Panzers geführt hat. Die „Schildkröten“-Panzerung, die selbst wie ein rollender Hangar aufgebaut ist, bildet die aktuelle technische Zuspitzung des „Cope Cage“ – zu Beginn des Ukraine-Krieges tauchten diese Käfige als improvisierte Dächer für Panzer auf. Diese an Pergolen erinnernden Drahtgeflechte sollten verhindern, dass Drohnen Sprengladungen auf Dächer der Panzer oder in offene Luken werfen, wie das Magazin futurezone schreibt.

Die ukrainischen Drohnen-Lenker wurden aber wohl ziemlich gut darin, Drohnen unter diesen Dächern hindurch oder daran vorbei zu steuern. Als Reaktion haben einige Cope Cages seitlich Gitterzäune bekommen, in diesem Fall eine vermeintliche Rundum-Versiegelung aus Stahl. Damit aber wurde der Panzer auch seiner Funktion komplett beraubt. Panzer entwickeln ihr Potenzial aus der Dreifaltigkeit von Panzerung, Feuerkraft und Bewegung – die der „Schildkröte“ verbaut wurde. Letztendlich stieg nicht nur deren Gewicht; auch der Drehwinkel des Turms wurde auf unter zwei Drittel gestutzt.

Ukraine in der Defensive: Russlands Flotte blutet aus durch geschickt gesteuerte Drohnen

Laut dem Magazin Popular Mechanics war Mitte Februar 2022 in Weißrussland erstmals ein Panzer der russischen Bodentruppen, mit über dem Turm angebrachter Gitterpanzerung, gesichtet worden – nur wenige Tage vor dem Einmarsch in die Ukraine. Diese Panzerung wurde vermutlich ad hoc angebracht als Schutz vor Javelin-Raketen der Ukraine. Diese von einer Soldatenschulter abgefeuerten Raketen können über ein Ziel fliegen und dann ihren Hohlladungssprengkopf im Sturzflug in der Turmpanzerung eines Panzers zünden. Für russische Panzer, die einen Großteil ihrer 125-Millimeter-Munition in einem ungeschützten Karussell im Turm lagern, ist die Wirkung verheerend.

Deshalb sah sich die russische Armee zum Überkopf-Schutz ihrer Panzer gezwungen. „Unbedingt habe Russland einen guten Grund, seine Panzer mit Tarn- und Störausrüstung zu verdecken“, sagt Rob Lee. Die Anzahl der gepanzerten Fahrzeuge und Panzer geht zur Neige. Wenn die Ukraine in diesem Tempo weiter erfolgreich gegen Panzer-Kolonnen vorgeht und Russland weiterhin mehr Panzer als Ersatz für die zerstörten Panzer schickt, könnte der Kreml seinen zahlenmäßigen Vorsprung an Panzern verlieren, was den Russen in der Zukunft offensive Operationen erschweren würde.

Daran mag Forbes-Autor David Ax kaum glauben – er mahnt an die russische Strategie „Masse statt Manöver“ – das heißt, die munitionsarmen ukrainischen Streitkräfte mit einer schieren Zahl an Truppen und Panzern zu überwältigen – was dazu geführt hat, dass bereits im Februar die Stadt Awdijiwka an die Russen gefallen ist und die Eroberer jetzt schrittweise die Verteidiger zurückzudrängen versuchen – über den gesamten Frontverlauf hinweg.

Ukraine-Krieg: Seit Jahresbeginn nur marginale Raumgewinne für Russland

Allerdings sei der Landgewinn der russischen Aggressoren im Verhältnis klein, sagt Generalmajor Christian Freuding im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt: „Seit Jahresbeginn ist es den russischen Streitkräften gelungen, ungefähr 300 Quadratkilometer Raum zu nehmen – das ist ungefähr die Größe von Leipzig. Also insgesamt recht marginale Geländegewinne unter Inkaufnahme erheblicher Verluste und Materialaufwendungen.“

Auch interessant

Kommentare