Donald Trump schockt Stahlindustrie mit 50-prozentigen Strafzöllen – „neue Eskalationsstufe“
Donald Trump erhöht die Strafzölle auf Stahlimporte spontan auf 50 Prozent und untergräbt damit die Verhandlungen mit der EU. Für die deutsche Industrie drohen empfindliche Folgen.
Washington – Die Szenerie war erneut an Symbolik und Pathos kaum zu übertreffen: Inmitten des Monongahela Valley im Südwesten von Pennsylvania verkündete US-Präsident Donald Trump, dass er die Zölle auf Stahlimporte von 25 auf satte 50 Prozent verdoppeln werde. In dem Tal befindet sich das Mon Valley Works des US-Stahlkonzerns U.S. Steel Corporation, eines der traditionsreichsten Stahlwerke des Landes. Trump wählte den Ort wohl auch deswegen aus, da einstige industrielle Ballungszentren wie das Mon Valley seit den 1970er Jahren längst den schleichenden Niedergang der US-Stahlindustrie repräsentieren.
Vor Merz-Besuch: Trumps 50-prozentige Strafzölle auf Stahlimporte sorgen für Unruhe in Europa
So versprach er in seiner Rede vor Stahlarbeitern auch, dass durch die Zollerhöhung Arbeitsplätze gesichert und die US-Stahlindustrie langfristig gestärkt werde. So kalkulierend die Ortswahl war, kommt die bloße Ankündigung Trumps durchaus überraschend – und überschattet zudem den Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Washington. Denn eigentlich hatten sich Ursula von der Leyen und Trump zuvor persönlich darauf verständigt, die Verhandlungen über eine Einigung im Zollstreit am 9. Juli fortzuführen – ohne dass eine Seite weitere Maßnahmen ergreift. Auch EU-Handelskommissar Maros Sefcovic hatte sich zwischenzeitlich nach zahlreichen Gesprächen mit US-Handelsminister Howart Lutnick optimistisch in Bezug auf eine baldige Lösung gezeigt.
Nun verschärft sich der Ton allerdings: Ein Sprecher der Kommission verurteilte die neuen Entwicklungen als Untergrabung bisheriger Verhandlungen. Auch deshalb seien auch scharfe Gegenmaßnahmen nicht ausgeschlossen.
Strafzölle auf dem Rücken der EU: Europäische Union verschärft Ton gegenüber Trump
Wirtschaftlich trifft das Vorgehen von Trump die EU hart – darunter besonders Deutschlands Stahlindustrie. „Die meisten der 3,8 Millionen Tonnen EU-Stahlexporte in die USA unterliegen nun faktisch einem Importverbot: Bei einem pauschalen Zollsatz von 50 % werden selbst Europas hochwertigste und wettbewerbsfähigste Stahlprodukte vom Markt verdrängt“, erklärte Axel Eggert, Generaldirektor der Europäischen Stahlvereinigung (EUROFER). Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl exportierte die deutsche Stahlindustrie im Jahr 2024 rund 1,1 Millionen Tonnen im Wert von 2,1 Milliarden US-Dollar in die USA. Hauptgeschäftsführerin Kerstin Maria Rippel spricht deswegen von einer „neuen Eskalationsstufe im transatlantischen Handelskonflikt“.

Für die europäischen Hersteller werden die 50-prozentigen Zölle nicht nur Absatzeinbußen bedeuten, sondern haben auch indirekte Effekte auf den eigenen Markt. Exportländer wie Mexiko, Kanada oder China verlieren ebenfalls den Zugang auf den US-Markt und dürften ihre Produkte fortan auf den zweitgrößten Importmarkt für Stahl umleiten: Die EU. „Dadurch wird sich der ohnehin bereits erhebliche Importdruck auf Europa weiter verschärfen. Schon heute wird jede dritte Tonne Stahl importiert“, erklärt Rippel.
Deutsche Exporte unter Druck: Über 1,1 Mio. Tonnen Stahl betroffen – Mittelstand besonders bedroht
In Deutschland treffen die Zölle vor allem den Mittelstand, der laut BDI mit rund 5.000 Unternehmen Arbeitsplätze für 500.000 Beschäftigte bietet. Wenn die USA künftig andere Stahlquellen erschließen, um den unrentablen Zollaufschlag zu umgehen, dürften speziell die kleineren und mittleren Betriebe in Deutschland im Nachteil sein. Zwar dürfte es auch für die US-Wirtschaft schwierig werden, alternative Stahlquellen zu finden. Doch selbst sie bei ihren deutschen Partnern blieben, müssten sich beide Seiten auf erhebliche Margeneinbußen einstellen.
Fraglich bleibt allerdings ohnehin, wie nachhaltig die Maßnahmen von Trump für die USA selbst sind. Laut der American Iron and Steel Institute (AISI) betrug der Stahlverbrauch in den USA im Jahr 2024 etwa 108 Millionen Tonnen, wobei rund 25 Prozent durch Importe gedeckt wurden.
Preisdruck und Inflation: Warum die Zölle auch die US-Verbraucher teuer zu stehen kommen
Gleichzeitig ging die Inlandproduktion im vergangenen Jahr um 2,4 Prozent zurück. Die Zölle werden die Preise künftig in die Höhe treiben, sodass die Mehrkosten – so sind sich Ökonomen einig – am Ende die Verbraucher übernehmen müssen. Wie der Congressional Budget Office (CBO), das dem US-Kongress unterstellt ist, herausfand, könnten die Zölle die Inflation in den USA in den Jahren 2025 und 2026 um durchschnittlich 0,4 Prozentpunkte erhöhen.
Dabei sind die Folgen restriktiver Zollpolitik in den USA eigentlich bekannt: Als der US-Präsident während seiner ersten Amtszeit 25-prozentige Zölle auf Stahlimporte erhob, brachen nicht nur die deutschen Importe ein, sondern auch die US-Industrie hatte mit steigenden Kosten von bis zu 40 Prozent zu kämpfen. Damals erklärte Trump vollmundig: „Handelskriege sind gut und leicht zu gewinnen.“ Anfangs profitierten große Stahlunternehmen wie U.S. Steel, Nucor, Steel Dynamics und ArcelorMittal von einem Anstieg der Arbeitsplätze und Gewinne.
Kurze Gewinne, hohe Kosten: Studien zeigen Folgen der Strafzölle für die US-Wirtschaft
Doch Studien stellten in den Folgejahren vielmehr die Kurzfristigkeit dieser Zugewinne heraus: Das Washingtoner Forschungsinstitut Peterson Institute for International Economics errechnete, dass die Zölle zu einem Gewinn von 270.000 US-Dollar pro gerettetem Stahljob führten, während die Kosten für die stahlverarbeitende Industrie bei 650.000 US-Dollar pro gerettetem Job lagen. Jene Auto-Bau oder Maschinenbauindustrie dürften auch diesmal unter den hohen Preisen leiden und wohl in erster Linie ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.
Laut Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank, werden diese Sektoren auch unter den aktuellen „prohibitiv hohen Zollsätzen“ leiden: „So wird es nicht gelingen, die US-Industrie wettbewerbsfähiger zu machen und neue Arbeitsplätze zu schaffen.“
Damals wie heute: Trumps Zölle können strukturelle Probleme der US-Stahlindustrie nicht beseitigen
Laut der US-Handelskammer produzierte die US-Stahlindustrie zwischen 2018 und 2024 jährlich rund 80 Millionen Tonnen Stahl, während auch die Beschäftigtenzahl zwischen 80.000 und 90.000 stabil blieb. Beide Werte sind solide, doch der deutliche Zuwachs, den Trump damals angekündigt hatte, blieb aus. Im Gegenteil reduzierten die Zölle das reale Einkommen der USA bis Ende 2018 um 1,4 Milliarden US-Dollar pro Monat, wie eine Studie der American Economic Association herausfand. Die neuen Zölle könnten laut Schätzungen des CBO das US-Bruttoinlandsprodukt in den kommenden zehn Jahren um 0,2 bis zu 0,8 Prozent verringern.
Hinzu kommt die Tatsache, dass Zölle die strukturellen Probleme der US-Stahlindustrie in der Vergangenheit nicht lösen konnten: Überkapazitäten, veraltete Anlagen und die fehlende Wettbewerbsfähigkeit mit der billigeren Konkurrenz aus Ländern wie China blieben genauso wie das enorme Handelsdefizit – damals wie heute ein Hauptargument von Trump für seine Strafzölle.
Diplomatischer Affront: Zölle belasten auch die Beziehungen zu Verbündeten wie Kanada und Mexiko
Und auch der diplomatische Affront gegenüber Verbündeten wie etwa die EU, aber auch Kanada, Mexiko und Südkorea, die zu dritt 2024 fast die Hälfte aller US-Stahlimporte stellten, ist nicht zu unterschätzen. Mit seinen beiden Nachbarstaaten sowie auch dem asiatischen Land haben die USA zudem jeweils Freihandelsabkommen, die – so Kritiker – durch die restriktive Zollpolitik untergraben würden.
Die Exportstaaten stehen unter Zugzwang und vor einem Drahtseilakt zwischen Verhandlungsgeschick und harten Gegenmaßnahmen. Rippel fordert von der EU ein „wirkungsvolles Handelsschutzinstrument für die europäische Stahlindustrie“, wie etwa ein bilaterales Stahlabkommen zwischen EU und USA – und auch Support von der Bundesregierung für Brüssel.
Die Hoffnung liegt auf Friedrich Merz: EU und Bundesregierung suchen Auswege aus dem Zollstreit
Umso größer wiegen die Hoffnungen auf Bundeskanzler Merz, der die Strafzölle im Laufe seines Besuchs im Weißen Haus auch gegenüber Trump persönlich ansprechen dürfte. Der Zeitpunkt von Trumps Ankündigung erscheint erneut wie eine gezielte Inszenierung: Wenige Tage bevor der neue Kanzler aus einem der größten Exporteure von Waren in die USA bei ihm vorstellig wird, verkündet er den Zollhammer. Als wolle er einmal mehr sagen: Die Rollen sind bei dem Empfang klar verteilt.