Vor zehn Jahren kaufen 20 fast Fremde eine verlassene Klinik im Allgäu und gründen eine Gemeinschaft. Heute leben dort 68 Menschen, teilen Ressourcen und feiern ihr Jubiläum mit Ausstellung, Festakt, Buch und Musik.
Sulzberg – Am 11. September 2015 taten 20 Menschen, die sich kaum kannten, etwas ziemlich Verrücktes: Sie legten ihr Geld zusammen und kauften der Diakonie ihre stillgelegte Fachklinik Römerhaus für Suchtkranke ab. Ein Gelände mit acht Häusern und 15 Hektar Wald und Wiesen, ideal geeignet, um dort ein Gemeinschaftsprojekt zu starten.
Und es hat funktioniert. In den ehemaligen Patientenzimmern und Ärztewohnungen leben heute 50 Erwachsene und 18 Kinder zwischen 0 und 86 Jahren. Sie heizen mit Hackschnitzeln, erzeugen den größeren Teil ihres Stroms selber, nutzen Autos gemeinsam, bauen viel Gemüse selber an und kaufen die restlichen Lebensmittel gemeinsam ein.
Entscheidungen treffen sie soziokratisch, das heißt, dass es dabei keine schwerwiegenden Einwände mehr geben soll. Jeder schenkt zudem fünf Stunden Arbeit pro Woche der Gemeinschaft, für Instandhaltungen, Haushalt oder Garten. Das Verwaltungsgebäude der Klinik haben die Mitglieder in ein Seminarhaus verwandelt, in dem zahlreiche Gemeinschaftsmitglieder arbeiten.
Führungen, Festakt und Party bei der Gemeinschaft Sulzbrunn
„Diese Wiederbelebung einer Sozialbrache wollen wir mit einem großen Fest feiern und laden dazu alle ein, die sich für uns und unsere Gemeinschaft interessieren“, sagt Leo Frühschütz. Los geht’s am Samstag, 13. September, um 14 Uhr mit Kaffee und Kuchen, sowie Führungen durchs Gelände und die Energieversorgungsanlagen. Für 15.30 Uhr ist ein kleiner offizieller Festakt geplant. Später werden in einer Talkshow Gemeinschaftsmitglieder aus ihrem Alltag berichten. Parallel dazu gibt es im Seminarhaus die Ausstellung 200 Jahre Sulzbrunn. Ab 18 Uhr steht das Abendessen bereit und ab 20 Uhr steigt die Party mit Rainer von Vielen und DJ Nachbar House.
Sulzbrunn hat eine lange Tradition als Heilort. Die Gemeinschaft fühlt sich dieser Tradition und der Heilquelle verbunden und will sie mit ihrem Seminarhaus und ihren Veranstaltungen fortsetzen.
Buch und Ausstellung zur Geschichte von Sulzbrunn
So entstand die Idee, den Geburtstag zu nutzen, um die Geschichte aufzuarbeiten. Die Sulzbrunner Archivarin und Co-Autorin Marlene Christ erzählt, dass die Kurgäste, die einst nach Sulzbrunn kamen, das Wasser der sehr reinen Jodquelle für Inhalationen und Trinkkuren nutzten oder die Milch von Kühen und Ziegen, die zuvor das jodhaltige Wasser getrunken hatten, für therapeutische Zwecke einsetzten.
Finanziell unterstützt vom Förderverein der Gemeinschaft und mit großem Einsatz des Sulzberger Archivars Otto Pritschet erarbeitete Christ eine Ausstellung und ein Buch, das die letzten 200 Jahre in Sulzbrunn mit 100 historischen Abbildungen und zahlreichen Quellen Revue passieren lässt: Von der ersten Erwähnung der Quellfassung im Jahr 1836, über den Kurbetrieb in den 1850er Jahren, die Zeit der Jahrhundertwende, als Dauphin Dornier, der Vater des Flugzeugbauers Claude und des Schriftstellers Marcel das Jodbad betrieb, bis in die 1960er Jahre, als die Diakonie dort eine Klinik für Alkoholkranke und später auch Spielsüchtige einrichtete.
Sechs Informationstafeln sind in der Ausstellung der Historie gewidmet, vier der Gemeinschaft Sulzbrunn. Nach ihrer Präsentation am 13. September bei den Feierlichkeiten wird die Schau auch im Rathaus Sulzberg zu sehen sein.
kb/suk
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