Aufklärungs-Ausflug, Geheim-Chat: Block-Entführer packen über „Operation“ aus

Die Gerichtsverhandlung pausiert drei Wochen, und trotzdem nimmt der Prozess rund um Christina Block zahlreiche Wendungen. Mit David Barkay hat der mutmaßliche Kopf der Entführergruppe den Ermittlern im November Einblicke gegeben, wie die Entführung der Kinder aus der Obhut des Vaters abgelaufen sein soll. Nach ihm haben zwei weitere Israelis freies Geleit erhalten, um auszusagen und sich ihrem Verfahren zu stellen.

Am Donnerstag, 27. November, gegen 10 Uhr sitzt Thach K. im Vernehmungsraum Kriminalbeamten und Staatsanwälten gegenüber. Er soll in der Silvesternacht 2023/24 eines der Fluchtautos gefahren haben, als die Israelis die Block-Kinder nach Deutschland brachten und mit der Mutter in Süddeutschland zusammenführten. Aus den Aussagen, die FOCUS online in Auszügen vorliegen, geht hervor, dass die Gruppe gleich mehrere Szenarien durchgespielt hatte.

„Aufklärungs-Ausflug“ nach Dänemark: Die Sprache der Block-Entführer

Bei einem „Aufklärungs-Ausflug“ nach Dänemark im Vorfeld der Entführung habe der Zeitpunkt für die Aktion noch nicht festgestanden, sagt K. über seinen Dolmetscher: „Und jedes Mal gab es was Neues, aber einen festen Plan gab es nicht anfangs.“ Im Gegenteil habe „er“ – gemeint dürfte Barkay sein – „ganz viele Pläne“ gehabt, ergänzt K.s Rechtsanwalt. Als konkretes Beispiel nennt er, „dass wir vom Hof ins Haus reinkommen“. K. präzisiert, dass der Garten als Zugangsweg dienen könnte. Offen bleibt, wie das hätte gelingen sollen; und mit welchen Mitteln.

Vorab sei der Gruppe gesagt worden, dass die „Operation“ ein bis zwei Wochen dauern werde. An Silvester sahen die Israelis offenbar die Gelegenheit: Hensel stand allein mit Klara und Theodor am Hafen in Gråsten (Gravenstein), Ehefrau Astrid Have und die anderen Kinder waren bereits zurück im Haus.

Auffällig ist die wiederkehrend martialische Sprache, die auf den militärischen oder nachrichtendienstlichen Hintergrund einiger der Israelis zurückzuführen sein dürfte. Ob „Aufklärungs-Ausflug“ und „Operation“, wie in K.s Aussage, oder die gemeinsamen Signal-Chatgruppe, aus der die "Welt" jüngst zitierte: „Bring Kids Home“ (Bringt die Kinder zurück nach Hause) lautet der Name. 

Neben Barkay sollen auch Block und der mitangeklagte Vertrauensanwalt Andreas C. Mitglieder gewesen sein. Dort ist zunächst von einem „Full Spectrum Surveillance & Rescue Plan“ mit 30 Seiten die Rede, also einem Plan zur vollständigen Überwachung der Familie von Blocks Ex-Mann sowie der „Rettung“ der Kinder.

Signal-Chats beginnen am 9. Februar 2023

Diese Chats beginnen wenige Tage zuvor am 9. Februar 2023, zehn Monate vor der Entführung. Ein Mitarbeiter Barkays betont zunächst, dass jede rechtliche Lösung des Sorgerechtsstreits in Betracht gezogen werden müsse. Mittel- und langfristige Maßnahmen sollten parallel geplant werden, falls die juristische Auseinandersetzung nicht zum Ziel führe. A

uch hier arbeitet Barkay mit verschiedenen Bedrohungsszenarien. Eines beinhaltet eine „Rettung“ der Kinder infolge physischer oder emotionaler Beeinträchtigung durch den Vater innerhalb von 36 Stunden.

In diesem Szenario ist sogar Johanna als älteste Schwester erwähnt. Sie war 2021 auf eigenen Wunsch zum Vater gezogen, wenige Wochen, bevor Klara und Theodor nicht mehr zur Mutter zurückkehrten. Im Plan, über den die "Welt" berichtet, heißt es, dass alles auf „sanfte Weise“ passieren solle, also ohne Gewalt.

Wie die "Welt" schlussfolgert, stützt der Gruppen-Nachrichtenverlauf Barkays Aussage bei der Staatsanwaltschaft: Zunächst sei es nur um Informationsbeschaffung und einen Rückführungsplan gegangen, sollten die Kinder ernsthaft in Gefahr sein. Block und Anwalt C. waren demnach eingeweiht.

Entführer widersprechen Christina Block

Bisher hat die Angeklagte verbreitet, dass sie lediglich einen Kontakt zwischen dem Unternehmen „Cyber Cupula“ um David Barkay und dem Familienhotel für IT-Sicherheitstests hergestellt habe. Über dessen rechte Hand, Olga/Keren T., habe er sich zunehmend für den Sorgerechtsstreit interessiert und in der Hoffnung auf Geld die Entführung ohne Auftrag durchgeführt. Dieser Darstellung widerspricht Barkay in seiner Aussage.

Die Chats in der Gruppe reißen indes offenbar schon im März 2023 ab. Unklar ist der "Welt" zufolge, ob es noch mehr Nachrichten gibt. Die bisherigen Ermittlungen legen nahe, dass Barkay in die Missbrauchs- und Kinderpornografievorwürfe gegen Hensel und dessen Familienrechtsanwalt Gerd Uecker ab Sommer 2023 involviert gewesen sein könnte. Das wird ein eigenes Verfahren klären.

Einen Beweis für einen Auftrag durch Block sollen die Chats allerdings nicht enthalten. Einmal heißt es lediglich, Block sei froh, dass die Israelis alles unternähmen, um die Kinder zu schützen.

Anwalt kritisiert Verteidigungsstrategie

In einer weiteren überraschenden Wendung meldete sich kürzlich auch Anwalt Sascha Böttner zu Wort und attackierte im NDR Block für ihre Verteidigungsstrategie. Der Prozess könne für die Mutter in einer "Katastrophe" enden, warnte der Verteidiger des Angeklagten Tal S. und meinte, auf einen Freispruch zu setzen, sei "brandgefährlich". Die bisherigen Indizien reichten bereits für eine Verurteilung. 

Weshalb sein Mandant eine mögliche Teilnahme an einem Vorbereitungstreffen kurz vor der Entführung bisher nicht erwähnt hat, sagte er bislang nicht. Diese Frage dürfte die Vorsitzende Richterin bald aufwerfen.

Sämtliche Aussagen und Darstellungen der mutmaßlichen Entführer sind mit Vorsicht zu genießen: Im Block-Prozess werden sie zwar wahrscheinlich als Zeugen auftreten, müssen sich aber selbst noch für die ihnen zur Last gelegten Taten verantworten. Entsprechend könnten sie hier ganz eigene Interessen verfolgen. 

Für alle Beschuldigten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Den Ermittlern und dem Landgericht Hamburg steht noch einiges an Arbeit bevor, um diesen Komplex aufzuarbeiten. Die Verhandlung geht am Mittwoch, 10. Dezember, weiter. FOCUS online berichtet im Liveticker.