Beim Gesundheitscheck läuft es fast immer gleich ab: Blutdruck, Puls, Laborwerte – und dann die unvermeidliche Frage nach dem Gewicht. Viele Ärztinnen und Ärzte kalkulieren daraus den Body-Mass-Index (BMI). Doch ein entscheidender Messwert wird oft übersehen. Dabei könnte der viel genauer anzeigen, wie hoch das Risiko für stille Herzschäden wirklich ist: das Verhältnis zwischen Taille und Hüfte.
Ein Ärzteteam aus Hamburg hat jetzt auf einer Fachkonferenz neue Daten vorgestellt. Sie zeigen, wie dramatisch sich dieser Wert auswirkt: Der klassische "Bierbauch" – abdominales Fett – verändert das Herz stärker und gefährlicher als Übergewicht insgesamt. Die Umbauprozesse beginnen schleichend, zunächst ohne Symptome.
Das Herz verändert sich – schon lange vor der Herzschwäche
Durchgeführt hat die Studie ein Team um Jennifer Erley vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Mithilfe von MRT-Aufnahmen untersuchten sie die Herzen von mehr als 2000 Personen im Alter von 46 bis 78 Jahren. Sie alle hatten keine bekannte Herz-Kreislauf-Erkrankung.
Zusätzlich gemessen wurden zwei Werte:
- Body-Mass-Index (BMI) – misst das Gesamtgewicht im Verhältnis zur Körpergröße
- Taille-Hüfte-Quotient (Waist-Hip-Ratio, WHR) – zeigt, wie viel Fett sich im Bauchraum ansammelt
Während ein zu hoher BMI häufiger mit vergrößerten Herzkammern verbunden war, zeigte sich bei einem erhöhten Taille-Hüfte-Quotient eine noch ungünstigere Veränderung: Der Herzmuskel war verdickt, allerdings nahm die Gesamtgröße des Organs nicht zu.
"Tatsächlich werden dadurch die inneren Kammern kleiner, sodass das Herz weniger Blut aufnehmen und pumpen kann", berichtet Erley. Kardiologen nennen das konzentrische Hypertrophie. Die hat gravierende Folgen, wie die Forscherin sagt:
"Dieses Muster beeinträchtigt die Fähigkeit des Herzens, sich richtig zu entspannen, was schließlich zu Herzversagen führen kann."
Bei Männern ist der Herzstress besonders stark
Ein Punkt, der die Forschenden besonders überraschte: Bei Männern war die strukturelle Veränderung stärker ausgeprägt und früher nachweisbar. Deutlich wurde das vor allem in der rechten Herzkammer, die für den Blutfluss in die Lunge verantwortlich ist.
Das Ärzteteam vermutet als Ursache, dass das Bauchfett die Atmung erschwert und den Druck in der Lunge erhöht. Dadurch wird das Herz schon früh stärker belastet. Zusätzlich fanden die Forschenden bei Männern feine Gewebeveränderungen im Herzmuskel, die nur mit hochauflösenden MRT-Aufnahmen sichtbar sind – ein Zeichen für frühen Herzstress, noch bevor überhaupt Symptome auftreten.
"Die geschlechtsspezifischen Unterschiede deuten darauf hin, dass Männer besonders empfindlich auf die Auswirkungen von Übergewicht auf das Herz reagieren – ein Befund, der in früheren Studien kaum beschrieben wurde“, erklärt Erley.
Eine mögliche Erklärung wäre, dass Männer schneller Fett am Bauch ansetzen. Andererseits würden Frauen durch das Hormon Östrogen einen gewissen Schutz fürs Herz haben. Woran genau die Unterschiede liegen, wüssten sie bisher noch nicht.
Taille-Hüfte-Quotient – einfach zu Hause bestimmen
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO lässt der Taille-Hüfte-Quotient Hinweise auf das vorhandene Bauchfett und somit auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu. Sie können ihn ganz einfach selbst bestimmen. Dafür benötigen Sie nur ein Maßband:
- Taille an der schmalsten Stelle messen
- Hüfte an der breitesten Stelle messen
- Taillenwert durch Hüftwert teilen = Taille-Hüfte-Quotient
Es gelten folgende Grenzwerte:
- Männer: Werte über 0,90 gelten als erhöht
- Frauen: Werte über 0,85 gelten als erhöht
Statt nur Übergewicht: Wie Sie den Bierbauch verhindern
Die Ärzte ziehen auf Basis ihrer Daten ein klares Fazit: Statt nur auf das Körpergewicht zu achten, sollten Menschen mittleren Alters gezielt verhindern, dass sich Bauchfett ansammelt.
Dafür empfehlen sie
- regelmäßige Bewegung,
- ausgewogene Ernährung
- und gegebenenfalls frühzeitige ärztliche Maßnahmen.
Außerdem wünschen sich die Forscher einen neuen Blickwinkel in den Praxen: Aus radiologischer Sicht würden Mediziner Veränderungen am Herzmuskel bisher meist als Zeichen einer Herzkrankheit oder Bluthochdruck deuten. Übergewicht hingegen würde selten als Ursache in Betracht gezogen werden.
Erley bilanziert: "Unsere Studie sollte Radiologen und Kardiologen darauf aufmerksam machen, dass solche Veränderungen auch unabhängig von anderen Erkrankungen durch Übergewicht verursacht werden können."