Ukraine-Verhandlungen in Berlin: Diese rote Linie ist für Kiew unverhandelbar

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Die Gespräche im Berliner Regierungsviertel könnten über das Schicksal der Ukraine entscheiden, während die militärische Lage immer dramatischer wird.

Berlin – Die Ukraine ist zu schmerzhaften Kompromissen bereit: Bei dem Treffen hinter verschlossenen Türen im Kanzleramt in Berlin bot der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj das größte Zugeständnis seit Beginn des russischen Angriffskrieges an. Gemeinsam mit den Gesandten von Donald Trump versuchte er, einen Weg aus dem blutigsten Konflikt in Europa seit Generationen zu finden.

Ukraine-Beratungen in Berlin
Heute wird Selenskyj erneut im Kanzleramt empfangen. Bei den Verhandlungen in Berlin könnte über die Zukunft der Ukraine entschieden werden. © Guido Bergmann/Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Bereits vor den Verhandlungen sorgte Selenskyj für Aufsehen, indem er erstmals offiziell signalisierte, auf eine NATO-Mitgliedschaft verzichten zu können. „Sicherheitsgarantien der USA sowie europäischer und anderer Partner anstelle einer NATO-Mitgliedschaft seien ein Kompromiss“, erklärte er in einem WhatsApp-Chat mit der Presse. Für die Ukraine, die den NATO-Beitritt in ihrer Verfassung verankert hat, stellt dies einen bedeutenden Kurswechsel dar. Selenskyj betonte: „Von Anfang an war es der Wunsch der Ukraine, der NATO beizutreten, denn das sind echte Sicherheitsgarantien.“ Doch die aktuelle Lage zwinge zu einem Umdenken: „Das ist bereits ein Kompromiss unsererseits.“

Heute Ukraine-Verhandlungen in Berlin – kommt die Waffenruhe in der Ukraine?

Die Verhandlungen zwischen dem US-Sondergesandten Steve Witkoff, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und der ukrainischen Delegation dauerten über fünf Stunden. Witkoff äußerte sich danach optimistisch und sprach von „großen Fortschritten“. Die Gespräche sollen heute fortgesetzt werden.

Ein zentrales Thema der Verhandlungen war die Möglichkeit einer Waffenruhe, die den aktuellen Status quo an der Frontlinie festschreiben würde. Dies wäre für die Ukraine ein empfindliches Zugeständnis, da etwa 20 Prozent ihres Staatsgebiets, einschließlich wichtiger Industrieregionen im Donbass, vorerst unter russischer Kontrolle blieben. Die Waffenruhe soll als erster Schritt zu umfassenderen Friedensverhandlungen dienen, doch bleibt unklar, wie sie überwacht und durchgesetzt werden könnte, da frühere Versuche eines Waffenstillstands regelmäßig scheiterten.

Symmetrischer Rückzug: Dieser Punkt ist für die Ukraine heute nicht verhandelbar

Die Gebietsfrage erweist sich als der schwierigste Punkt der Verhandlungen. Selenskyj diskutiert laut UNIAN drei mögliche Szenarien: eine Pufferzone entlang der aktuellen Frontlinie, eine entmilitarisierte Wirtschaftszone mit polizeilicher Präsenz oder einen beiderseitigen Truppenrückzug. Besonders heikel ist seine Forderung nach Symmetrie: „Wenn sich ukrainische Streitkräfte fünf bis zehn Kilometer zurückziehen, warum sollten sich russische Streitkräfte nicht auch die gleiche Entfernung tiefer in die besetzten Gebiete zurückziehen?“ Ein einseitiger Rückzug ist für Kiew nicht denkbar.

Diese Forderung macht eine Zustimmung Russlands unwahrscheinlich, da Moskau die vollständige Kontrolle über die beanspruchten Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson verlangt. Russland fordert zudem den Abzug ukrainischer Truppen aus Teilen des Donbass, die bisher nicht erobert wurden – eine Forderung, die Kiew strikt ablehnt.

Verhandlungen heute in Berlin: Sicherheitsgarantien für die Ukraine – ähnlich wie NATO-Artikel 5?

Die Verhandlungen drehen sich auch um einen schwierigen Kompromiss bei den Sicherheitsgarantien. Schutz wie in Artikel 5 der NATO, jedoch ohne die rechtliche Bindung des Bündnisartikels. „Das ist die schmale Brücke, die alle zu überqueren versuchen“, so ein hochrangiger westlicher Beamter gegenüber der Kyiv Post. Die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten werden deutlich: „Die Ukraine will Gewissheit. Die USA wollen Handlungsfreiheit. Und Russland will ein Vetorecht über beide.“ Kiew fordert bindende Zusagen für militärischen Beistand im Angriffsfall, während die USA sich nicht automatisch zu einem Kriegseintritt verpflichten wollen. Moskau hingegen besteht darauf, jegliche westliche Sicherheitsarchitektur für die Ukraine blockieren zu können. Diese widersprüchlichen Forderungen erklären die zähen Verhandlungen.

Während in Berlin verhandelt wird, verschlechtert sich die militärische Lage für die Ukraine. In der strategisch wichtigen Bergarbeiterstadt Pokrowsk dauern heftige Kämpfe an. Obwohl Russland die Einnahme der Stadt behauptet, kontrollieren ukrainische Truppen noch den nördlichen Teil. Auch an anderen Frontabschnitten geraten ukrainische Einheiten unter Druck.

Heute Berlin-Verhandlungen: Wirtschaftsgespräche zwischen Selenskyi und Merz

Am Montag, dem 15. Dezember 2025, empfängt Bundeskanzler Friedrich Merz Selenskyj zu Wirtschaftsgesprächen und einem Austausch über den Friedensprozess. Dabei wird auch über die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte verhandelt. Die EU plant, diese Gelder für die Ukraine einzusetzen, was auf Widerstand aus Washington stößt. Am Abend werden weitere europäische Staats- und Regierungschefs in Berlin erwartet, darunter Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premier Keir Starmer. Europa versucht, seinen Einfluss in den Friedensverhandlungen geltend zu machen, nachdem es seit Trumps Amtsantritt weitgehend eine Zuschauerrolle eingenommen hatte. (Quellen: DPA, Unian, Kyiv Post) (cgsc)