Ukraine-Verhandlungen in Berlin: Wer fordert was im Ringen um Frieden?

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Die Suche nach einem Friedenskompromiss im Ukraine-Krieg zieht sich weiter hin. Neben Moskau und Kiew wollen Washington, Brüssel und Berlin mitreden – wer fordert was?

München – Der Krieg in der Ukraine steht erneut im Mittelpunkt internationaler Gespräche, die am Sonntag in Berlin beginnen. Mit dem Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Montag in der deutschen Hauptstadt erreichen die Verhandlungen einen vorläufigen Höhepunkt. Doch wer fordert eigentlich was bei diesen komplexen Friedensgesprächen?

USA: Druck auf schnelle Lösung und Kompromissbereitschaft

Die Vereinigten Staaten, vertreten durch Sondergesandten Steve Witkoff, spielen eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen. Präsident Donald Trump macht Druck auf die Ukraine, einem Friedensabkommen zuzustimmen. Die US-Regierung sieht das von westlicher Unterstützung abhängige Land militärisch im Nachteil gegenüber Russland und drängt auf eine schnelle Lösung. Ein von den USA im November vorgelegter Friedensplan bildet die Grundlage der aktuellen Gespräche. Konkrete Forderungen der USA umfassen:

  • Kompromissbereitschaft der Ukraine bezüglich besetzter Gebiete
  • Mögliche Schaffung einer „freien Wirtschaftszone“ in Teilen des Donbass
  • Begrenzung der ukrainischen Streitkräfte auf etwa 800.000 Soldaten

Ukraine: Territoriale Integrität und Sicherheitsgarantien

Präsident Selenskyj vertritt eine klare Position für sein Land:

  • Keine bedingungslosen Gebietsabtretungen
  • Forderung nach Rückzug russischer Truppen aus besetzten Gebieten
  • Starke Sicherheitsgarantien gegen erneute russische Aggression

Selenskyj betont, dass über Gebietsabtretungen nur das ukrainische Volk per Referendum entscheiden könne. Gleichzeitig zeigt er sich offen für Kompromisse, wie die Idee einer entmilitarisierten Wirtschaftszone im Donbass, besteht aber auf Gegenseitigkeit beim Truppenrückzug.

Kanzler Merz und Präsident Selenskyj bei einem Staatsbesuch in Berlin vergangenen Sommer. (Archivfoto)
Kanzler Merz und Präsident Selenskyj bei einem Staatsbesuch in Berlin vergangenen Sommer. (Archivfoto) © Kay Nietfeld/dpa

Russland: Maximale Gebietsgewinne und Einfluss

Obwohl Russland nicht direkt an den Berliner Gesprächen teilnimmt, sind die Forderungen aus Moskau allgegenwärtig und entsprechen in weiten Teilen den Kriegszielen Putins.

  • Volle Anerkennung der annektierten Gebiete (Krim, Donezk, Luhansk, Saporischschja, Cherson)
  • Verhinderung eines NATO-Beitritts der Ukraine
  • Einfluss in einer möglichen entmilitarisierten Zone durch russische Nationalgarde und Polizei

Kremlchef Wladimir Putin zeigt bisher wenig Bereitschaft zu konkreten Verhandlungen ohne Zugeständnisse Selenskyjs. Eigene Zugeständnisse macht Putin allerdings auch nicht, stattdessen berichten seine Staatsagentur Tass und er selbst immer wieder von Geländegewinnen in der Ukraine. Signifikante Veränderungen am Frontverlauf gab es in den letzten Monaten nicht.

Europäische Union: Sicherheit und wirtschaftlicher Druck

Die EU-Staaten, insbesondere Deutschland als Gastgeber der Gespräche, verfolgen mehrere Ziele:

  • Stabilisierung der Sicherheitslage in Osteuropa
  • Nutzung eingefrorener russischer Gelder (210 Milliarden Euro) als Druckmittel
  • Mögliche beschleunigte EU-Aufnahme der Ukraine (diskutiert wird Anfang 2027)

Besonders die Verwendung der eingefrorenen russischen Guthaben für den Wiederaufbau der Ukraine wird kontrovers diskutiert, mit Bedenken aus Belgien aufgrund möglicher Vergeltungsmaßnahmen Russlands.

NATO: Zurückhaltung bei direktem Engagement

Die NATO als Organisation hält sich in den direkten Verhandlungen zurück, spielt aber eine wichtige Rolle im Hintergrund. Die Kernpositionen des Verteidigungsbündnisses umfassen:

  • Keine unmittelbare NATO-Mitgliedschaft für die Ukraine in Aussicht
  • Diskussion über alternative Sicherheitsgarantien für die Ukraine

All diese Forderungen, Wünsche, Ziele und Garantien in einen real funktionierenden Friedensvorschlag zu vereinen wird eine Mammutaufgabe. Kanzler Friedrich Merz (CDU) steht vor der Herausforderung, als Gastgeber zwischen den verschiedenen Interessen zu vermitteln. (spr/dpa)