„Zeitalter der Bequemlichkeit endgültig vorbei“: Kiesewetter schlägt wegen Trumps Strategie Alarm

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Donald Trumps neue US-Sicherheitsstrategie offenbart eine harte Linie gegenüber der EU. Für Kiesewetter ist der Vorstoß Grund für europäische Reaktionen.

Washington/Berlin – Scharfe Worte aus Washington erschüttern das transatlantische Bündnis: Donald Trumps neue Sicherheitsstrategie sorgt seit Tagen für Unmut bei den europäischen Partnern. Erst am Mittwoch hatte der amerikanische Präsident seine Kritik an den Verbündeten bekräftigt. Der Republikaner sagte vor Trump-Anhängern bei einem Auftritt im US-Bundesstaat Pennsylvania über die Europäer: „Sie sollten besser vorsichtig sein, denn Einwanderung und Energie werden Europa zerstören.“ Die Einwanderungspolitik sei so schlecht, dass sie „unser schönes Europa“ zerstöre. „Ich liebe Europa“, führte Trump aus.

Roderich Kiesewetter
Kiesewetter zur US-Sicherheitsstrategie: „Zeitalter der Bequemlichkeit endgültig vorbei“. (Archivbild) © Monika Skolimowska/dpa

Gegenüber dem Münchner Merkur von Ippen.Media ordnet Roderich Kiesewetter, Obmann im Auswärtigen Ausschuss, Trumps neue Sicherheitsstrategie und die Auswirkungen für Europa ein. Die Änderungen im US-Vorgehen kommen für den CDU-Politiker alles andere als überraschend.

Reaktion auf Trumps neue Sicherheitsstrategie – „Interessiert sich nicht für Europa“

„Trump interessiert sich nicht für Europa, sondern handelt transaktional und mit dem Fokus auf Business-Deals“, sagte Kiesewetter auf Nachfrage. „Wertebündnisse wie die NATO oder die EU interessieren ihn nicht. Er hält die Europäer für schwach und deshalb nimmt er sie nicht als Partner wahr.“ Nach Einschätzung von Kiesewetter folgt Trump mit seiner US-Sicherheitsstrategie durchaus anderen US-Präsidenten, dass Europa mehr Lasten übernehmen und sicherheitspolitisch handlungsfähiger sein müsse.

„Sorgen muss uns bereiten, dass es Trump um seine eigenen Interessen und die Durchsetzung einer Einflusssphäre geht – er ist Team ‚Multipolarität‘. Die regelbasierte Ordnung, zu der auch die NATO als Bündnis gehört, interessiert ihn nicht, weil er dies eher als Ballast sieht, denn als strategischen Mehrwert.“ Sein Urteil: Europa sei sicherheitspolitisch auf sich gestellt, mit allen Konsequenzen für die nächsten Jahre.

Als Reaktion auf Trump erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstagvormittag die Stärkung der europäischen Säule der NATO in der Außen- und Sicherheitspolitik zur „absoluten Priorität“. Während der gemeinsamen Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte verdeutlichte der CDU-Politiker, er wolle ein einiges und starkes Europa mit aller Kraft behaupten. „Das heißt, wo wir jenseits der Rhetorik im eigenen Interesse mit den USA zusammenarbeiten können, werden wir das selbstverständlich weiterführen.“

Kiesewetter reagiert auf Trumps Sicherheitsstrategie und nicht Europa in die Pflicht

Erst am vergangenen Dienstag hatte Merz die neue US-Sicherheitsstrategie von Donald Trump scharf kritisiert. Das Papier entspreche ungefähr dem, was US-Vizepräsident JD Vance im Februar bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz gesagt habe, sagte der CDU-Politiker. „Manches darin ist nachvollziehbar, manches darin ist verständlich, manches darin ist für uns aus der europäischen Sicht inakzeptabel. Dass die Amerikaner nun die Demokratie in Europa retten wollen, dafür sehe ich keine Notwendigkeit. Wenn sie zu retten wäre, das würden wir schon alleine hinbekommen.“

Mit Blick auf die Auswirkungen durch die neue US-Sicherheitsstrategie sagte Kiesewetter gegenüber dem Münchner Merkur: „Die USA stellen essenzielle strategische Fähigkeiten für die europäische Sicherheit und die nukleare wie konventionelle Abschreckung. Kurzfristig wird die Änderung der US-Politik zu einem Abzug einiger US-Fähigkeiten aus Europa kommen, den wir Europäer entsprechend ausgleichen müssen.“ Deutschland sei ohnehin verpflichtet, für die NATO mindestens zehn Prozent der Fähigkeiten zu stellen, was die Bundesrepublik bislang nicht leistet. „Deshalb kommt es jetzt auch auf Effizienz und Geschwindigkeit beim Fähigkeitsaufbau an. Europa muss sich mehr um eigene Abschreckung kümmern und Deutschland hat hier als wirtschaftlich stärkstes Land eine Verantwortung.“

US-Sicherheitsstrategie: Kiesewetter mit drängender Warnung – „Zeitalter der Bequemlichkeit vorbei“

„Das Zeitalter der strategischen Bequemlichkeit ist für uns endgültig vorbei. Deshalb müssen wir jetzt umgehend gesellschaftliche, militärische und geoökonomische Stärke entwickeln“, führt Kiesewetter aus. „Nur so verhindern wir, zum Spielball von Washington, Moskau oder Peking zu werden.“ Dass es sich bei der neuen US-Sicherheitsstrategie quasi um eine Art Scheidungspapier handelt, analysierte zuletzt auch IPG Journal. Demnach sei der Trump-Vorstoß eine amerikanische Kriegserklärung, die für Europa eine doppelte Bedrohung darstellen würde.

Nach Einschätzung von Kiesewetter muss Europa nun beim militärischen Fähigkeitsaufbau „vor allem priorisieren und strategische Enabler priorisieren, die bislang vor allem die USA stellen“. Dabei sollte auf Geschwindigkeit, Effizienz und europäische Standardisierung gesetzt werden. „Die Strategie muss also sein, eigene Smart Power für Europa zu entwickeln. Deutschland muss konkret den Aufbau bei Personal, Material und Fähigkeiten massiv beschleunigen und konkrete Vorbereitungen für mehr Abschreckung treffen“, so der Obmann des Auswärtigen Ausschusses.

Für Kiesewetter bedeutet dies, dass es angesichts der neuen US-Sicherheitsstrategie sinnvoll wäre, nochmals über einen Spannungsfall nachzudenken, „damit wir entschlossener gegen die hybriden Angriffe aus Russland vorgehen können und unsere Wehrfähigkeit rascher aufbauen“. Dafür müssten unter anderem die NATO-Ostflanke gestärkt sowie bestehende Beobachtungsmissionen robuster ausgestattet werden. „Vor allem gilt es, unsere Rüstungsproduktion und technologische Innovationskraft unverzüglich und massiv zu steigern.“ (Quellen: eigene Recherche, dpa, afp, IPG Journal)(fbu/smu)