Was genau ist die Mispel?
Das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) klärt dazu gerade auf: Im Mittelalter war die Mispel ein geschätztes Obst und der Strauch durfte in keinem Klostergarten fehlen. Mit der Zeit geriet sie jedoch in Vergessenheit. Heute erlebt die aromatische Frucht – wie viele andere Wildobstarten – ein Comeback und wird wieder häufiger gesammelt und in der Küche verwendet.
Ihr süßlich-erdiges Aroma entfaltet sich besonders gut in Mus, Konfitüre oder Gelee. Die Mispel (Mespilus germanica) gehört wie Apfel und Birne zur großen Familie der Rosengewächse. Der Strauch oder seltener auch Baum ist in Gärten, Parks, lichten Laubmischwäldern und wilden Hecken zu finden.
Von Mai bis Anfang Juni schmückt er sich mit weißen, apfelähnlichen Blüten. Bis Ende Oktober oder Anfang November entwickeln sich kugelige Früchte, an denen die Kelchblätter der ehemaligen Blüte noch gut zu erkennen sind.
Uwe Knop ist Diplom-Ernährungswissenschaftler, Buchautor, und Referent für Vorträge bei Fachverbänden, Unternehmen und auf Ärztefortbildungen. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Was muss ich bei der Mispel beachten, damit ich sie verarbeiten und essen kann?
Wenn Sie die Mispeln geerntet haben und sie noch hart und ungenießbar herb sind, müssen sie dien sogenannten "Bletting"-Prozess durchlaufen. Das ist der Schlüssel zum Aroma! Denn zunächst sind Mispeln hart und ungenießbar.
Erst nach dem ersten Frost oder einer mehrwöchigen Lagerung entfalten sie ihr typisches Aroma und ihre volle Süße. Das Fruchtfleisch wird dadurch braun und weicher. Die leicht herb-bitteren Gerbsäuren bauen sich etwas ab. Alternativ kann man die reifen Früchte dafür auch zwei bis drei Tage lang einfrieren.
Hier ist der Ablauf, wie Sie aus der steinharte Kugel die teigig-süße Frucht bekommen:
Mispeln "Bletten" (Nachreifen lassen)
- Ernte: Mispeln werden oft nach dem ersten leichten Frost geerntet (ab Ende Oktober/November), da dieser den Reifeprozess anstößt. Sie sind dann noch fest und hellbraun.
- Lagerung: Legen Sie die geernteten Mispeln nebeneinander, idealerweise einlagig, in eine flache Kiste oder Schale.
- Ort: Lagern Sie sie an einem kühlen, aber frostfreien Ort – ein kühler Keller, eine Speisekammer oder eine Garage eignen sich gut. Man kann sie auch traditionell auf Stroh oder in einer Lage Heu betten.
- Geduld: Dieser Prozess dauert meist 2 bis 4 Wochen.
Prüfen: Die Mispel ist reif, wenn sie:
... eine tiefbraune Farbe angenommen hat.
... auf leichten Fingerdruck teigig-weich nachgibt (fast wie eine überreife Feige).
... der harte Kern der Frucht fast schon zerflossen ist.
Witzige Notiz: Die Engländer haben für diesen Prozess den schönen Fachbegriff "bletting" geprägt – eine Art kontrollierte Fäulnis, die die Gerbstoffe abbaut und die Frucht butterweich und süß macht. Vorher sind sie im besten Fall ein Mundpelz, nachher eine Delikatesse.
Tipp zur Beschleunigung (Notfallplan): Wenn Sie ungeduldig sind, können Sie die Mispeln für einige Stunden einfrieren und danach langsam bei Raumtemperatur auftauen lassen. Das simuliert den Frost und beschleunigt das "Bletting", allerdings geht das oft zu Lasten des vollen Aromas.
Mit welchen "inneren Werte" überzeugt die Mispel aus ernährungsphysiologischer Sicht - und wie bereite ich sie zu?
Die Mispel ist nicht nur geschmacklich interessant, sondern auch reich an wertvollen Inhaltsstoffen: Sie enthält unter anderem viele Ballaststoffe (Pektin), Vitamin C, Gerb- und Mineralstoffe.
Die Zubereitung ist nicht schwierig: Reife Mispeln lassen sich roh genießen – einfach halbieren, die Kerne entfernen und das weiche Fruchtfleisch herauslöffeln. Die Schale ist essbar, jedoch etwas zäh.
Für ein Mispelmus werden die Früchte halbiert und in wenig Wasser etwa zehn Minuten lang geköchelt. Anschließend durch ein feines Sieb streichen und mit Zitronensaft sowie etwas Zimt abschmecken. Auch als Konfitüre, Gelee, Chutney oder fruchtige Soße sind Mispeln ein Genuss. Durch ihren hohen Pektingehalt gelieren sie hervorragend und lassen sich auch mit anderen Herbstfrüchten wie Apfel, Birne oder Quitte kombinieren.
Mispeln verleihen auch Kuchen und Muffins eine besondere Note. Für ein saftiges Früchtebrot wird das Fruchtmark mit Nüssen, Trockenfrüchten wie Feigen und Gewürzen wie Anis, Nelken und Piment verarbeitet.
Welches herzhaft leckeres Winterrezept mit Mispeln sollte man probieren?
Die Mispel ist ein unterschätzter Wintergenuss. Ihr süßlich-erdiges Aroma ist die perfekte Basis für dieses herzhafte Mispel-Chutney mit Ingwer & Chili, das ideal zu Käse, Wild oder Braten passt – ein echter "Wachmacher" für kalte Tage.
Zutaten
- 500 g Mispeln (reif/weich, entkernt)
- 200 g Rote Zwiebeln, gewürfelt
- 100 ml Apfelessig
- 100 g brauner Zucker
- 50 g Ingwer, gerieben
- 1 Rote Chili, gehackt
- 1 TL Senfkörner
- 1/2 TL Salz
- 1/4 TL Zimt (optional)
- 2 EL Öl
Zubereitung
- Vorbereitung: Mispeln waschen, halbieren/vierteln, Kerne entfernen.
- Andünsten: Öl erhitzen. Zwiebeln, Ingwer, Chili und Senfkörner ca. 5 Minuten glasig dünsten.
- Kochen & Einkochen: Mispeln, Zucker, Essig, Salz und Zimt zugeben und alles gut verrühren. Aufkochen lassen, dann die Hitze reduzieren.
- Köcheln: Ca. 45–60 Minuten sanft köcheln lassen, bis die Masse dick und marmeladenartig ist und die Flüssigkeit verkocht ist. Dabei gelegentlich umrühren.
- Abfüllen: Das heiße Chutney randvoll in sterilisierte Gläser füllen, fest verschließen und 5 Minuten auf den Kopf stellen.
Servier-Tipp: Schmeckt fantastisch als süß-scharfer Begleiter zur Käseplatte oder zu einem deftigen Wildgericht. Viel Spaß mit diesem Mittelalter-Comeback!
Und hier gern noch die passende Servier-Ideen für das Mispel-Mittelalter-Comeback
Zur Käseplatte: Ein toller Kontrast zu reifem, salzigem Käse (wie Bergkäse oder einem kräftigen Cheddar).
Zum Wildgericht: Passt hervorragend als süß-scharfe Beilage zu Wildgulasch oder einem gebratenen Hirschrücken, ganz im Stile eines klösterlichen Festmahls.
Zum Brot: Einfach als Brotaufstrich zu frischem Sauerteigbrot mit etwas Frischkäse – für ein schnelles, raffiniertes Abendbrot.
Viel Spaß beim Ausprobieren! Möge dieses Chutney die Mispel in Ihrer Küche standesgemäß wieder einführen.
Woher bekomme ich Mispeln? Wachsen Sie in Deutschland wild zum Selbstpflücken?
Mispeln sind in Deutschland nicht mehr so verbreitet wie ihre Cousins Apfel und Birne, aber man kann sie definitiv finden. Hier sind die Hauptwege, um an Mispeln zu kommen:
Wild oder halbwild finden (Zum Selbstpflücken)
Ja, sie wachsen vereinzelt wild: Die Echte Mispel (Mespilus germanica) gilt in Deutschland als halbwild oder verwildert, vor allem in klimatisch begünstigten Gebieten (Weinregionen, Südwestdeutschland).
Wo suchen?
- Vergessene Ecken: Am ehesten finden Sie sie an alten Streuobstwiesen, in Hecken, an Feld- und Waldrändern oder in der Nähe von ehemaligen Bauerngärten.
- Ehemalige Gärten: Durch ihre Popularität im Mittelalter finden sich die Sträucher manchmal noch auf verwilderten Grundstücken oder in der Nähe alter Siedlungen.
- Wichtig beim Selbstpflücken: Suchen Sie auf Plattformen wie mundraub.org. Dort werden Fundorte von essbaren Wildfrüchten und -pflanzen von der Community geteilt, die zum Pflücken freigegeben sind. Das ist die ethischste und sicherste Variante, um Mispeln in der Natur zu finden.
Kaufen (im Handel)
Früchte kaufen: Frische Mispeln sind im konventionellen Supermarkt sehr selten. Man findet sie eher: auf regionalen Wochenmärkten oder bei Obstbauern, die alte Sorten pflegen.
In Spezialitätenläden oder in Läden mit einem Fokus auf türkische/mediterrane Lebensmittel (wobei hier oft die Japanische Wollmispel (Loquat) angeboten wird, die eine andere Frucht ist, aber ähnlich schmeckt).
Baum/Strauch kaufen: Wenn Sie langfristig planen, ist der Kauf eines Mispelbaums bei einer Baumschule oder einem Online-Pflanzenversand die einfachste Lösung. Sie sind winterhart, pflegeleicht und liefern schon nach wenigen Jahren verlässlich Früchte für Ihr Chutney.
Zusammenfassend: Halten Sie die Augen offen auf alten Obstwiesen (oder nutzen Sie eine Pflück-Karte), oder besuchen Sie einen regionalen Markt, um die süß-sauren Schätze zu entdecken.
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Bildquelle: Uwe Knop
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