Bei „Maischberger“ in der ARD war der Ukraine-Krieg Thema. Laut einem Politologen könnte Russland an der Front bald noch überlegener sein.
Berlin – Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag (11. Dezember) erneut mit Vertretern europäischer Unterstützerstaaten über ein Ende des russischen Angriffskriegs beraten will, setzt Russland seine Angriffe im Ukraine-Krieg fort. Laut dem Politikwissenschaftler Christian Mölling könnte Russlands Präsident Wladimir Putin noch ganz andere Pläne verfolgen.
„Russland geht jetzt möglicherweise den Weg, seine weiteren Reserven aus der eigenen Bevölkerung herauszuholen. Nicht über die klassische Rekrutierung, über Geld, sondern tatsächlich über ein Mobilmachungsgesetz“, befürchtete der Experte im ARD-Politik von Sandra Maischberger am Mittwochabend (10. Dezember). Das würde bedeuten, dass Russland im Ukraine-Krieg an der Front personell bald noch überlegener wäre.
Wegen Tomahawk-Entscheidung im Sommer: Putin fürchtet Trumps Unberechenbarkeit
Der Politik-Experte unterstrich auch, dass Putin über ein Ende des Ukraine-Kriegs überhaupt nicht verhandeln wolle. „Moskau hat gesagt, dass es nicht verhandeln will. Es redet, aber Verhandlungen im Sinn des Gebens und Nehmens, des Austauschens und damit auch des Ausgleichs von Interessen, das findet zum jetzigen Zeitpunkt ja gar nicht statt“, so Mölling.
Der Politologe betonte, dass alle aktuellen Diskussionen zu Ukraine-Verhandlungen „nicht nur blanke Theorie“ sind. Putin wolle sich absichern, auch weil US-Präsident Donald Trump immer wieder seine Meinung zum Ende des Ukraine-Kriegs ändere. Laut Mölling fürchtet der Kreml, dass Trump plötzlich doch wieder auf die Position der Ukrainer umschwenke und sagt: „Okay, wir sind bereit, den Ukrainern so stark zu helfen, dass sie eben doch die Lage vor Ort ändern.“ Das sei im Sommer beinahe geschehen, als Trump offenbar kurz vor der Lieferung amerikanischer Tomahawk-Flugkörper stand. „Das hat Moskau wirklich nervös gemacht.“
Vorschlag von Linken-Chef: Ukraine-Gebietsabtretungen könnten wie im Saarland laufen
Ebenfalls Thema in der Maischberger-Sendung waren mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland. Diese waren in Trumps ursprünglich 28-Punkte-Friedensplan vorgesehen, der mittlerweile auf 20 Punkte gekürzt wurde. Der vielfach als „russische Wunschliste“ kritisierte Plan wurde von der ukrainischen Staatsführung und ihren europäischen Verbündeten abgelehnt und gemeinsam überarbeitet. Vor allem Gebietsabtretungen schließt Selenskyj kategorisch aus.
Linke-Chef Jan van Aken brachte bei Maischberger einen alternativen Vorschlag ein: „Wir können auch über Modelle wie das Saarland nachdenken: Die Ukraine gibt kein Land ab, es ist unter russischer Kontrolle, und dann gibt es zehn Jahre, dann gibt es irgendwann Referenden – es gibt ja ganz unterschiedliche Modelle, wie man mit so einer Gebietsfrage umgehen kann. Da müssen wir uns mal für öffnen.“ Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Saarland vorläufig von Frankreich besetzt und nach einer Volksabstimmung 1955 wieder deutsch geworden.
Zeitlinie: Trumps Ukraine-Friedensplan
| Ende November | USA legen 28-Punkte-Plan vor (Gebietsabtretungen) |
| Dezember | Ukraine/EU lehnen Plan als Wunschliste Russlands ab |
| 8.-9. Dezember | Internationale Beratungen (Genf, London) |
| 9. Dezember | Ukraine kürzt Plan auf 20 Punkte |
| 10. Dezember | Trump kritisiert Selenskyj, fordert Wahlen in der Ukraine |
| 11. Dezember | Überarbeiteter Plan wird an USA übermittelt |
Taktik in Ukraine-Verhandlungen: Selenskyj signalisiert Kompromissbereitschaft bei Wahlen
In einem Punkt zeigt sich Selenskyj kompromissbereit gegenüber Trump: Bei möglichen Wahlen in der Ukraine. Laut Verfassung darf in der Ukraine unter Kriegsrecht nicht gewählt werden – obwohl die Amtszeit von Präsident Selenskyj und des Parlaments seit 2024 abgelaufen ist. Nun spricht Selenskyj doch von einem Weg zu Wahlen.
Ein total guter Move, weil er merkt, dass der amerikanische Präsident sich offensichtlich darauf eingeschossen hat.
Das dürfte vor allem ein taktischer Schachzug gegenüber Trump sein. „Zu Wahlen bin ich bereit“, sagte Selenskyj. Er klammere sich nicht an sein Amt. Laut Mölling: „Ein total guter Move, weil er merkt, dass der amerikanische Präsident sich offensichtlich darauf eingeschossen hat.“
Ukraine antwortet auf US-Friedensplan: Kiew gelingt großer Drohnenangriff auf Russland
Außerhalb des TV-Studios bewegte sich etwas in den Ukraine-Verhandlungen: Die Ukraine hat ihre Antwort auf den von den USA vorgelegten Friedensplan formuliert und an Washington zurückgeschickt, berichtete das Nachrichtenportal RBK Ukrajina am späten Mittwochabend. Details des Gegenvorschlags sind bislang nicht bekannt.
Die Ukraine fordert von Russland, keine weiteren Angriffe zu starten. Aktuell attackieren sich beide Länder gegenseitig mit Drohnen, wobei die Verwüstungen, die Putin in der Ukraine anrichtet, wesentlich schlimmer ausfallen als umgekehrt. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat Russland nach eigenen Angaben 287 ukrainische Drohnen abgeschossen. Es handelte sich damit um einen der größten ukrainischen Drohnenangriffe seit Beginn der großangelegten russischen Offensive in der Ukraine im Februar 2022. (Quellen: ARD, dpa) (bg)