Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen steigen seit Jahren mehr als ihre Einnahmen decken. Mittlerweile liegt das Defizit bei rund zwei Milliarden Euro. Um gegenzusteuern, setzt die Politik auf ein Sparprogramm das kurzfristige Einsparungen in Krankenhäusern und bei den Krankenkassen beinhaltet. Ziel ist es, den Zusatzbeitragssatz von derzeit 2,9 Prozent stabil zu halten.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hält dieses Ziel jedoch für unrealistisch. In seiner Stellungnahme heißt es: „Insgesamt ist davon auszugehen, dass die tatsächlich erhobenen Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen zu Jahresbeginn 2026 im Durchschnitt 3 Prozent überschreiten werden.“ Die vorgesehenen Maßnahmen seien zwar ein erster Schritt, reichten aber nicht aus, um die Finanzprobleme langfristig zu lösen.
Auch aus der Klinikbranche und von der Gewerkschaft ver.di kommt scharfe Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung. „Sie gefährden die Gesundheitsversorgung und verschärfen die wirtschaftliche Notlage der Krankenhäuser“, warnte ver.di.
Der Bundesverband der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schlägt unterdessen einen anderen Weg vor. In einem Positionspapier fordert der Verband, die kostenlose Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung abzuschaffen. Künftig soll der Hauptverdiener für den Partner einen Mindestbeitrag von 220 Euro pro Monat zahlen. Auf diese Weise ließen sich laut BDA rund 2,6 Milliarden Euro einsparen.
Dieser Vorschlag sorgt für Diskussionen: Krankenkassen und Sozialverbände warnen vor einer Abkehr vom Solidaritätsprinzip, auf dem das System der gesetzlichen Krankenversicherung beruht.
Industrieverband hat noch eine Idee
Während Politik und Wirtschaft bisher nur begrenzt überzeugende Lösungen bieten, kommt die Forschung mit neuen Ideen. Eine vom BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) beauftragte Studie mit dem Titel „Effizienzpotenziale von Innovation im Gesundheitswesen“ zeigt: Durch digitale Prozesse ließe sich viel Geld sparen.
Laut dem für die Studie beauftragtem Forschungsinstitut Prognos könnte der konsequente Einsatz von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Operationsrobotern bis zum Jahr 2045 Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe ermöglichen.
Ein Vorschlag mit Haken
In ihrer Analyse vergleichen die Forschenden zwei Szenarien:
Im sogenannten Status-quo-Szenario steigen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen bis 2045 auf 663 Milliarden Euro – wenn alles bleibt, wie es ist.
Im Innovationsszenario dagegen werden digitale Prozesse, KI und Telemedizin flächendeckend eingesetzt. Dann würden die Ausgaben auf nur 616 Milliarden Euro wachsen. Das entspräche einer Entlastung von rund 47 Milliarden Euro – und einem um 1,4 Prozentpunkte niedrigeren Beitragssatz.
Nach den Berechnungen der Studie würden die positiven Effekte schrittweise einsetzen und sich ab den Jahren 2030/31 voll zum Tragen kommen. Für den Fortschritt müsste jedoch zuerst investiert werden, zum Beispiel in die Schulung von Fachpersonal oder in bundesweite Datenplattformen. Zudem bräuchten Kliniken und Praxen Mittel für neue Medizintechnik und digitale Systeme. Laut der Studie erstrecken sich diese Anschaffungen über mehrere Jahre.
In welcher Höhe die Investition in die Digitalisierung des Gesundheitssystems ausfallen würde, ist unklar. "Eine direkte Gegenüberstellung einzelner Kostenpunkte innerhalb der Szenariorechnung ist aufgrund der Vielzahl und Komplexität der Variablen im Rahmen der vorliegenden Studie nicht umsetzbar" heißt es.