Betriebsrentenknall: Arbeitgeber müssen sie nicht mehr anpassen – was das für Sie bedeutet

Mit einem Grundsatzurteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Spielregeln für Millionen Betriebsrentner neu geordnet. Arbeitgeber müssen Betriebsrenten künftig nicht mehr automatisch an die Inflation anpassen, wenn ihre wirtschaftliche Lage dies nicht zulässt. Für viele klingt das technisch – doch die Folgen treffen Ruheständler direkt im Geldbeutel. FOCUS online erklärt, was das Urteil für Sie bedeutet, wer Nachteile befürchten muss und wie Sie sich schützen können.

Das hat das Gericht entschieden 

Das Urteil vom 28. Oktober 2025 (Az. 3 AZR 24/25) stellt klar:

  • Arbeitgeber müssen Betriebsrenten nicht erhöhen, wenn ihre wirtschaftlichen Kennzahlen schwach waren.
  • Entscheidend ist der Anpassungs-Stichtag. Spätere Gewinne zählen nicht.
  • Kein Anspruch auf vollen Inflationsausgleich. Kaufkraftverluste müssen Firmen nicht ausgleichen.
  • Unternehmen haben einen weiten Ermessensspielraum, solange sie ihre Entscheidung nachvollziehbar begründen.

Im verhandelten Fall lehnte die Commerzbank eine inflationsgerechte Erhöhung ab und durfte das nach Urteil des BAG auch.

Der konkrete Fall: Verlust von fast 200 Euro Kaufkraft im Monat

Der Kläger bezog seit 2007 eine Betriebsrente, zuletzt 1728 Euro. Zwischen 2019 und 2022 stiegen die Verbraucherpreise deutlich. Ein Inflationsausgleich hätte die Rente rechnerisch auf rund 1962 Euro anheben müssen.

Die Commerzbank verweigerte diese Anpassung mit der Begründung, die Eigenkapitalverzinsung sei in den Jahren 2019 bis 2021schwach gewesen. Dadurch entfalle die Pflicht zur Anpassung. Stattdessen gab es lediglich zwei Prozent im Sinne einer freiwilligen Erhöhung, wodurch die neue Rente 1763 Euro betrug.

Der Kaufkraftverlust für den Rentner lag bei rund 199 Euro pro Monat, also jährlich etwa 2400 Euro.

Das BAG entschied, der Arbeitgeber hat rechtmäßig gehandelt.

Ein einfaches Rechenbeispiel

Ausgangslage:

  • Betriebsrente: 1800 Euro pro Monat
  • Inflation in den letzten drei Jahren: +12 Prozent
  • Kaufkraftverlust: -216 Euro pro Monat (12 Prozent von 1800 Euro)

Was wäre früher oft passiert?
Viele Arbeitgeber haben die Betriebsrenten nahe an der Inflation erhöht.
→ Erhöhung auf circa 2016 Euro (1800 Euro + 12 Prozent).

Was ist jetzt möglich?
Ist die Lage schlecht? Dann muss der Arbeitgeber nicht voll erhöhen.
Beispiel: nur +2 Prozent freiwillig.

Das heißt:

  • Neue Rente: 1836 Euro
  • Realer Verlust trotz Erhöhung: -180 Euro Kaufkraft.

Der Rentner bekommt also 36 Euro mehr, verliert aber real 180 Euro im Monat.

Warum das Urteil so wichtig ist

  • Kein automatischer Inflationsschutz mehr
    Viele Betriebsrentner gingen bisher davon aus, dass ihre Unternehmen Preissteigerungen zumindest teilweise ausgleichen müssen. Damit ist nun Schluss.
  • Spätere Gewinne helfen nicht
    Auch wenn ein Arbeitgeber nach schwierigen Jahren wieder hohe Profite einfährt, bleibt die Entscheidung am Stichtag maßgeblich. Rückwirkende Anpassungen müssen nicht nachgeholt werden.
  • Arbeitgeber bekommen Rechtssicherheit
    Unternehmen können sich künftig klar auf ihre wirtschaftliche Lage berufen und Anpassungen streichen, ohne einen Rechtsstreit zu riskieren, erklärt der Rechtsanwalt und Rentenberater Peter Knöppel.
  • Drei Parallelurteile stärken die neue Linie
    Der BAG-Senat hat am selben Tag zwei weitere identische Fälle entschieden. Die Botschaft: Diese Rechtsauslegung gilt grundsätzlich.

 

Das bedeutet das Urteil für Ihre Betriebsrente 

Ihre Rente kann real schrumpfen

Sie erhalten nominal denselben Betrag, aber Ihre Kaufkraft sinkt, wenn die Inflation stark steigt.

Unternehmen müssen prüfen, aber nicht voll anpassen

Alle drei Jahre muss der Arbeitgeber eine Anpassungsprüfung durchführen.
Die Anpassung selbst ist aber freiwillig, wenn die Wirtschaftslage schwach war.

Inflationsjahre werden für Rentner teuer

Wer 2019 bis 2023 in Rente war, dürfte besonders betroffen sein: die hohe Inflation traf auf Firmen, die oft coronabedingt schlechte Kennzahlen hatten.

Ungleichheit steigt

Rentner großer, erfolgreicher Konzerne profitieren eher von freiwilligen Anpassungen als Ruheständler kleiner oder schwacher Firmen.

So prüfen Sie, ob Ihre Firma künftig anpassen muss

Achten Sie auf diese vier Punkte:

1. Wann war der letzte Anpassungsstichtag?

Alle drei Jahre muss geprüft werden, oft zum 1. Juli.

2. Wie war die wirtschaftliche Lage Ihres Arbeitgebers?

Wichtig sind Kennzahlen wie:

  • Eigenkapitalverzinsung
  • Jahresüberschuss/Verlust
  • Rendite der letzten drei Geschäftsjahre

Liegt die Verzinsung unter dem Kapitalmarktniveau, darf die Firma eine Anpassung verweigern.

3. Liegt eine nachvollziehbare Begründung vor?

Der Arbeitgeber muss zwar erklären, warum er nicht anpasst, aber die Hürden sind gering. Das Urteil stärkt seinen Spielraum.

4. Die Entscheidung muss am Stichtag plausibel sein

Spätere Gewinne oder Konjunkturerholungen heben die Entscheidung nicht auf.

Das sollten Sie jetzt tun

Informationsschreiben prüfen
→ Hat Ihr Arbeitgeber die Entscheidung sauber begründet?
→ Verweist er auf konkrete Kennzahlen?

Betriebsrat oder Personalabteilung kontaktieren, denn viele Unternehmen geben bereits vorab Hinweise zu ihrer Anpassungspraxis.

Eigene Altersvorsorge überprüfen

Gerade bei hohen Inflationsjahren gilt: Die Betriebsrente allein reicht nicht mehr als Inflationsschutz. Denken Sie über andere Möglichkeiten der Altersvorsorge nach wie einen ETF-Sparplan, private Rentenversicherungen, Bank-Sparprodukte oder eine Immobilie. Welche Form für Sie die passende ist, hängt von Ihrer finanziellen Lage ab.

Anpassung trotzdem nachfragen

Auch wenn der Anspruch fehlt, gewähren manche Firmen freiwillige Erhöhungen, um ihre Versorgung attraktiv zu halten.

Das Urteil ist ein Wendepunkt

"Das Urteil stärkt die Planungssicherheit der Arbeitgeber – schwächt aber den Inflationsschutz der Rentner deutlich", erklärt Rentenberater Knöppel. Für viele Ruheständler bedeutet das: Die Rente bleibt gleich, die Preise steigen weiter. Wer sich auf automatische Erhöhungen verlassen hat, muss jetzt genauer hinschauen und könnte darüber nachdenken, die eigene Vorsorge breiter aufzustellen.