Dass Steve Witkoff gewisse Sympathien für Russland und Präsident Wladimir Putin hegt, ist schon länger klar. Dass der US-Sondergesandte seinen russischen Gesprächspartnern offenbar sogar Tipps für die Ukraine-Verhandlungen gibt, kommt aber doch überraschend. Die Agentur "Bloomberg" hat den entsprechenden Inhalt eines Telefonats zwischen Witkoff und dem Kreml-Berater Juri Uschakow veröffentlicht.
Die Enthüllung macht eine Frage noch drängender: Ist Witkoff einfach nur ein unerfahrener Diplomat, der sich von ausgebufften Russen über den Tisch ziehen lässt? Oder ist er ein Politiker mit ausgemachter russlandfreundlicher Agenda, von der er persönlich profitieren will?
Trump und Witkoff freundeten sich wegen Schinkensandwich an
Die Biografie Witkoffs lässt sich in beide Richtungen interpretieren. Er wurde 1957 in New York City geboren. Witkoff stammt aus einer jüdischen Familie mit Wurzeln im russischen Kaiserreich. Es waren seine Großeltern, die im heutigen Belarus und Polen geboren wurden und in die USA übersiedelten.
Nach seinem Studium landete Witkoff bei einer Anwaltskanzlei, die Immobilienfirmen betreute. Dort lernte er den damals in diesem Sektor tätigen Donald Trump kennen. Erzählungen zufolge wurde der spätere US-Präsident zu Witkoffs Freund, als der ihm tief nachts nach einer Verhandlungsrunde ein Schinkensandwich kaufte. Fortan teilten die beiden nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch private wie das Golfen.
War Witkoff mit russischem Mafioso befreundet?
Sowohl Trump als auch Witkoff kamen bei ihren Immobiliengeschäften in den 1990er- und 2000er-Jahren mit dubiosen Geschäftspartnern in Kontakt – auch aus Russland. Das auf Immobilien spezialisierte Nachrichtenportal "The Real Deal" veröffentlichte 2013 eine Recherche, wonach Witkoff im Rahmen eines Immobiliengeschäfts eine Empfehlung für Anatoly Golubchik abgab.
Der Russe spielte eine Schlüsselrolle in einem Glücksspielring mit hohen Einsätzen, der seinen Sitz im Trump Tower hatte. Wie aus einer Anklageschrift von Ermittlern hervorgeht, bezeichnete Witkoff Golubchik als "Freund" und als eine "Person mit gutem Ruf und Integrität". Später bestritt der Immobilienmogul ein gutes Verhältnis zu dem Mafioso. Die Empfehlung für den Deal sei ein Fehler gewesen.
Manche US-Journalisten leiten aus dieser und anderen Episoden aus der Vergangenheit ab, dass Witkoffs Interessen schon lange mit russischen verwoben sind. Wasserdichte Beweise, dass der heutige US-Sondergesandte sich bewusst auf dubiose russische Geschäftsleute einließ, scheint es aber nicht zu geben.
Als Dank für Unterstützung machte Trump Witkoff zum Sondergesandten
Als Trump seine politische Karriere startete, unterstützte ihn sein Freund Witkoff. Er selbst wurde aber erst im Wahlkampf 2024 zum politischen Schwergewicht. Witkoff spendete selbst Geld für Trump, warb finanzstarke jüdische Unterstützer und trat mit seinem Sohn beim Parteitag der Republikaner auf.
Der wiedergewählte US-Präsident dankte ihm dafür umgehend und machte Witkoff zum Sondergesandten. Zunächst sollte er sich in dieser Rolle um den Nahen Osten kümmern, später auch um den Iran und den Krieg in der Ukraine.
"Traditioneller außenpolitischer Prozess zusammengebrochen"
Expertise über die jeweiligen Konflikte brachte Witkoff genauso wenig mit wie diplomatische Vorerfahrung. Doch Trump kam das gerade recht: Die klassische Diplomatie verabscheut er, er setzte stattdessen lieber auf Deal-Maker, so wie er sich auch selbst sieht.
So hat sich seit rund einem Jahr stark verlagert, wer Einfluss auf die Außenpolitik der USA nimmt: Trump hat den Nationalen Sicherheitsrat drastisch verkleinert – das Gremium, das früher zum Beispiel für die Vorbereitung von Friedensgipfeln zuständig war. Ein hochrangiger US-Beamter erklärte im Sommer konsterniert der "Financial Times": "Meines Wissens ist der traditionelle außenpolitische Prozess in Washington, der vom Nationalen Sicherheitsrat geleitet wird, in dieser Regierung weitgehend zusammengebrochen."
Nicht einmal Witkoffs Team kennt seine Pläne
Witkoff hingegen hat zunehmend an Einfluss gewonnen. Wie beispielsweise CNN berichtet, sitzt der Sondergesandte im Weißen Haus im Westflügel – in dem Büro, das in Trumps erster Amtszeit von dessen Tochter Ivanka bezogen wurde. Nicht nur dieses Beispiel zeigt: Witkoff ist für den Präsidenten Teil der Familie, er genießt dessen Vertrauen wie sonst kaum einer in der US-Regierung.
Witkoff nutzt aus, dass er freie Hand hat. Häufig fliegt er in seinem eigenen Privatjet um die Welt, um seine Gesprächspartner zu treffen. Nicht einmal sein kleines Team von weniger als einem Dutzend Beamten im Außenministerium weiß immer genau, woran der Sondergesandte gerade arbeitet und was er plant, berichten US-Medien.
"Witkoff weiß nicht, wovon er spricht"
Wie CNN schreibt, lässt Witkoff sich von seinem Team auch ungern auf die diplomatischen Missionen vorbereiten. Briefing-Mappen, wie sonst üblich, lässt er liegen. Seine Informationen zieht er demnach lieber aus Gesprächen mit Trump, spontanen Treffen oder Geheimdienstberichten.
"Ich bin der Amateur-Diplomat", sagte Witkoff im Frühjahr dem "Atlantic" über sein Selbstverständnis. Viele vermuten daher, dass er ohne Expertise in die Ukraine-Verhandlungen stolpert und schlichtweg von russischen Gesprächspartnern überrumpelt wird. "Witkoff weiß nicht, wovon er spricht", erklärte ein ukrainischer Regierungsbeamter nach dem Alaska-Gipfel von Trump und Putin, an dem auch Witkoff beteiligt war.
Grund für die Vermutung: Nach einem Treffen Witkoffs mit Putin im Vorfeld waren die USA von Fortschritten im Friedensprozess ausgegangen. Der Sondergesandte hatte gesagt: "Ich habe das Gefühl, er will Frieden."
Doch vermutlich gab es diesen Willen nie – Putin war offenbar nicht von seinen Zielen abgerückt, Witkoff hatte den russischen Präsidenten nur falsch verstanden. So analysierte es zumindest Daniel Fried, früher US-Botschafter in Polen und jetzt Mitarbeiter des Thinktanks Atlantic Council.
"Witkoff scheint anfällig für russische Erzählungen zu sein"
Andere Anekdoten und Äußerungen sprechen hingegen eher dafür, dass Witkoff nicht bloß ungeschickt ist, sondern womöglich durch zu große persönliche Nähe zu russischen Akteuren kompromittiert. Der Sondergesandte habe ein Talent dafür, Menschen "ein gutes Gefühl" zu geben, sagte ein Trump-Mitarbeiter der "New York Times". Bei Putin könnte Witkoff dabei über das Ziel hinausgeschossen sein.
Das beginnt schon mit seiner Analyse, wie es zu Russlands Angriff auf die Ukraine kam: Die Invasion sei laut Witkoff "provoziert" worden. Dann schob er nach: "Das bedeutet nicht unbedingt, dass sie von den Russen provoziert wurde." Im Februar verwunderte der Politiker dann mit einer Aussage über seine Treffen mit dem russischen Präsidenten: "Ich habe sehr viel Zeit mit Putin verbracht. Ich habe mit ihm gesprochen und eine Freundschaft und Beziehung zu ihm aufgebaut."
Beamte der US-Regierung beäugen die Nähe der beiden kritisch. Einer sagte zu CNN: "Witkoff scheint sehr anfällig für bestimmte russische Erzählungen zu sein, und das ist ein echtes Problem." Er wiederhole auch in hochrangigen Gesprächen der Trump-Regierung die inhaltlichen Argumente Putins, "sicherlich zum Unbehagen einiger im Raum", so der Beamte.
Will Witkoff sich an Ukraine-Frieden bereichern?
Kritik gibt es auch daran, dass Witkoff in seinem Politiker-Job Interessenkonflikte mit seinem Job als Immobilieninvestor hat. Beispiel Nahost: Die "New York Times" berichtete über einen Deal in Höhe von zwei Milliarden Dollar, den Trump und sein Sondergesandter mit einem Unternehmer und Politiker der Vereinigten Arabischen Emirate abgeschlossen haben. Er würde "den US-Präsidenten und seine engste Umgebung bereichern".
Inwiefern Witkoff und seine Unternehmen auch von einem Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine profitieren könnten, ist offen. Dass es in den USA Bemühungen gibt, wirtschaftlichen Gewinn daraus zu ziehen, ist aber klar. So stand in der ersten Version des 28-Punkte-Plans, dass die Vereinigten Staaten mit der Ukraine zusammenarbeiten würden, um gemeinsam die Gasinfrastruktur der Ukraine wiederaufzubauen und zu betreiben.
Während Witkoffs unkonventionelle Diplomatie vor allem im Ausland kritisch gesehen wird, gibt es in den USA aber auch Fans des Sonderbeauftragten. "Er hat einen Durchbruch erzielt, wo andere es nicht konnten", sagte ein US-Beamter zu CNN über das Gaza-Abkommen, an dem Witkoff beteiligt war. Ein anderer erklärte: "Es ist nicht neu für ihn, mit ausländischen Akteuren zu verhandeln, er hat während seiner gesamten Immobilienkarriere mit ihnen zu tun gehabt. Neu ist nur, dass er jetzt im Auftrag der US-Regierung mit ihnen zu tun hat."