In Belém entpuppt sich Blockade-Front - jetzt muss Klima-Allianz der Willigen handeln

Die Klimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém hätte ein entscheidender Wendepunkt werden können: Ein globaler Fahrplan zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas – jenem Kern der Klimakrise, den die Wissenschaft seit Jahrzehnten klar benennt. Doch der dringend notwendige Durchbruch blieb aus. 

Mehr als 80 Staaten hatten einen verbindlichen Exit aus der fossilen Energie gefordert, dennoch tauchen im Abschlussdokument fossile Energieträger nicht einmal mehr namentlich auf. Eine kleine, aber einflussreiche Koalition fossilorientierter Länder blockierte erneut jeden Durchbruch und damit jeden Fortschritt. Für den globalen Klimaschutz ist das ein herber Rückschlag.

Einstimmigkeit bremst die Klima-Fortschritte

Diese Blockade verweist auf ein strukturelles Problem des multilateralen Systems: Einstimmigkeit ist politisch wünschenswert, aber klimapolitisch fatal. Wenn wenige Staaten die Verhandlungen dominieren, wird das 1,5-Grad-Ziel zur Fata Morgana. 

Schon jetzt steuert die Welt auf rund 2,5 Grad Erwärmung zu – mit dramatischen Folgen für Lebensgrundlagen, Wirtschaftssysteme und geopolitische Stabilität. Die Kosten des Nichthandelns steigen schneller als die Investitionen in Klimaschutz, die unser Wohlstandssystem langfristig sichern würden.

Gleichzeitig gab es in Belém einzelne Lichtblicke. Der neue Tropenwaldfonds ist ein wichtiges Signal für internationalen Waldschutz, auch wenn die Mittel bislang nicht ansatzweise ausreichen. Bei Klimafinanzierung und Anpassung bleibt die Lücke groß: Viele besonders verletzliche Staaten fühlen sich zu Recht im Stich gelassen. Ohne faire Finanzierung drohen soziale Spannungen, Fluchtbewegungen und weitere Ungleichheiten. Klimapolitik braucht Gerechtigkeit – sie ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für Stabilität und Kooperation.

Jetzt muss die Allianz der Hoffnung weitermachen

Doch der entscheidende Punkt ist: Wenn globale Beschlüsse ausbleiben, müssen ambitionierte Staaten Allianzen bilden, die unabhängig vom Konsensprinzip funktionieren. Dafür gibt es Vorbilder – und großes Potenzial.

Die EU könnte gemeinsam mit China, Kanada, Chile, Marokko, Kenia oder auch Australien themenspezifische Kooperationspfade vereinbaren: etwa zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien, zu verbindlichen Methanreduktionszielen, Standards für grünen Wasserstoff oder zu gemeinsamen Mindestpreisen im Emissionshandel. Solche sektoralen Partnerschaften können jährlich überprüft, wissenschaftlich begleitet und bei Bedarf verschärft werden.

So entstünde ein dynamisches Klimabündnis, das unabhängig von Blockierern vorangeht und globalen Druck erzeugt. Ein „Climate Cooperation Track“ außerhalb der COP-Strukturen würde die Vereinten Nationen nicht ersetzen, aber das Tempo an wichtigen Punkten erhöhen – und zeigen, dass ehrgeizige Staaten handlungsfähig bleiben.

Europa muss Klima-Bündnis treiben

Europa trägt dafür eine besondere Verantwortung. Denn glaubwürdig ist nur, wer im eigenen Haus liefert: schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien, von Netzen, Speichern und Effizienz, Abbau fossiler Subventionen und keine neuen fossilen Lock-ins wie überdimensionierte Gaskraftwerke oder CCS-Scheinlösungen. Deutschland und die EU können und müssen deutlich zeigen, dass Klimaschutz wirtschaftlich sinnvoll, technologisch machbar und sozial gerecht gestaltbar ist.

Belém sendet zwar ein enttäuschendes Signal, keine Frage. Aber es zeigt auch, wohin die Reise gehen muss: weg von der Blockade, hin zu kooperativen Klimapakten zwischen ambitionierten Staaten. Die Zeit der Ausreden ist vorbei – jetzt zählt entschlossenes Handeln. Nur so bleibt die Chance, die globale Erwärmung zu begrenzen und eine nachhaltig lebenswerte, wirtschaftlich stabile Zukunft zu sichern.

Claudia Kemfert ist Professorin für Energieökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Leuphana-Universität in Lüneburg. Zudem ist sie Co-Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen. Sie ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen ihre persönliche Auffassung auf Basis ihrer individuellen Expertise dar.