Ein 28-Punkte-Plan soll den Krieg in der Ukraine beenden. Eine ukrainische Expertin sagt im Interview, was für ihr Land akzeptabel wäre – und welche Punkte „extrem schmerzhaft“ wären.
Für viele Beobachter war der ursprüngliche 28-Punkte-Plan, mit dem die USA den Ukraine-Krieg beenden wollen, eine Zumutung: Zu große Zugeständnisse an Russland, von einem Plan aus der Feder Moskaus war bisweilen die Rede. Am Sonntag haben nun Vertreter der USA und der Ukraine sowie mehrerer europäischer Staaten in Genf nachverhandelt. Details sind noch rar, aber offenbar stehen unter anderem robuste Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Raum. Eine Reaktion Moskaus steht noch aus. „Ich befürchte aber, dass sich Russland zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf einen solchen Deal einlassen wird“, sagt die ukrainische Analystin Nataliya Butyrska im Interview mit dem Münchner Merkur von Ippen.Media.
Frau Butyrska, vor ein paar Tagen haben die USA einen 28-Punkte-Plan für Frieden in der Ukraine präsentiert, der nun unter Beteiligung Kiews überarbeitet wurde. Welche Chancen hat dieser Plan?
Der ursprüngliche 28-Punkte-Plan war eindeutig prorussisch. Steve Witkoff, der den Plan für die USA verhandelt hat, ist kein Freund der Ukraine, seine Positionen sind denen der Russen sehr viel näher. Es ist also gut, dass die Ukraine jetzt nachverhandelt und dass unsere Stimme gehört wird. Die Ukraine will mehr als jedes andere Land, dass dieser Krieg beendet wird. Ich befürchte aber, dass sich Russland zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf einen solchen Deal einlassen wird.
Friedensplan im Ukraine-Krieg: „Russland verhandelt aus einer Position der Stärke heraus mit den USA“
Warum nicht?
Russland verhandelt aus einer Position der Stärke heraus mit den USA. Wladimir Putin glaubt, dass er noch immer seine Kriegsziele erreichen kann, er will noch immer, dass die gesamte Ukraine russisch wird. Und tatsächlich sehen wir ja, dass Russland auf dem Schlachtfeld Erfolge feiern kann. Ein Frieden, der aus Sicht der Ukraine wirklich gerecht ist, ist derzeit nicht möglich.
Was dann?
Ich denke, dass sich die Situation zugunsten der Ukraine verändert. Die Ukraine führt immer wieder Angriffe auf Energie- oder Militärinfrastruktur innerhalb Russlands durch, was Moskau zunehmend schwächt. Zudem beginnen die US-Sanktionen gegen die zwei größten russischen Ölfirmen negative Auswirkungen auf die russische Wirtschaft zu zeigen. In ein paar Monaten wäre die Verhandlungsposition der Ukraine also besser, als sie es heute ist. Vor allem, wenn die USA weitere Sanktionen gegen Russland verhängen würden.
Zur Person
Nataliya Butyrska ist Analystin beim New Europe Center, einer Denkfabrik mit Sitz in Kiew.
Donald Trump scheint aber einen schnellen Friedensdeal zu wollen.
Ja, und deswegen werden wir, wenn überhaupt, einen Friedensdeal sehen, der aus Sicht der Ukraine nicht gerecht ist, aber akzeptabel. Ursprünglich wollte Trump, dass die Ukraine seinem Plan bis Donnerstag zustimmt. Derzeit aber scheint es so, als würde er der Ukraine doch noch etwas Zeit lassen. Und diese Zeit brauchen wir auch, um uns das Abkommen ganz genau anzuschauen: Ist es rechtlich bindend, oder handelt es sich um eine bloße Absichtserklärung? Auch die Frage von Sicherheitsgarantien für die Ukraine ist noch offen.
28-Punkte-Plan für Ende des Ukraine-Kriegs: „Sicherheitsgarantien sind entscheidend“
Im Gespräch sind offenbar Sicherheitsgarantien, wie sie Artikel 5 des Nato-Vertrags vorsieht. Dieser besagt, dass ein Angriff auf ein Mitglied als Angriff auf alle Mitglieder gewertet wird.
Sollte es zu einem Waffenstillstand kommen, dann sind Sicherheitsgarantien für die Ukraine entscheidend. Es muss verhindert werden, dass Russland erneut angreift. Entscheidend ist aber auch, dass die Ukraine selbst über genügend Soldaten verfügt, die in der Lage wären, einen Waffenstillstand entlang der Frontlinie zu sichern. Und das ist eine gewaltige Aufgabe, die derzeitige Frontlinie ist mehr als 1000 Kilometer lang.
Der ursprüngliche Plan sieht vor, dass die Ukraine nicht nur Gebiete an Russland abtritt, die derzeit unter Kontrolle Moskaus stehen – sondern auch Territorien, die noch von der Ukraine gehalten werden.
Für die Ukraine wäre es akzeptabel, den Krieg entlang der derzeitigen Frontlinie einzufrieren. Russland aber Städte und Gebiete zu überlassen, die heute noch unter ukrainischer Kontrolle stehen, das wäre extrem schmerzhaft. Dort leben Zehntausende Ukrainer. Außerdem haben wir sehr viele Menschen beim Kampf um diese Gebiete verloren. Wir sind es ihnen schuldig, diese Gebiete nicht einfach an Russland abzutreten. Die Ukraine will diesen Krieg gewinnen, und ein Sieg bedeutet für uns: ein echter, dauerhafter Frieden.