Seit Jahren sprechen wir über „grüne Energie“, als wäre ihre Farbe das Entscheidende. Energie an sich ist nicht das Problem. Sonne, Wind, Gezeiten, Geothermie – sie versiegen nicht. Das eigentliche Problem ist unser Denken in Knappheit.
Wir behandeln Energie, als wäre sie ein begrenztes Gut, das man sparen, zuteilen und besteuern muss. Dabei leben wir längst in einer Welt, in der Energie kein Mangel mehr ist, sondern Überfluss. Die Sonne liefert in einer Stunde mehr Energie, als die Menschheit in einem Jahr verbraucht. Der Engpass liegt nicht in der Natur.
Sonne und Wind schicken keine Rechnungen und mit den kommenden Speichertechnologien, von Festkörper über Natrium-Ionen bis Lithium-Schwefel, fällt die letzte Barriere. Was gestern Betriebskosten waren, wird morgen Kapital. Die Ökonomie der Zukunft rechnet nicht mehr mit dem Preis pro Kilowattstunde, sondern mit der Fähigkeit, Überfluss intelligent zu organisieren.
Zum Autoren
Anders Indset ist Wirtschaftsphilosoph und Autor mit sieben internationalen Bestsellern. Mit mehr als 1.200 Vorträgen in 60 Ländern spricht er weltweit über die Schnittstelle von Mensch und Technologie. Indset tritt bei Konferenzen wie dem World Economic Forum, dem Global HR Summit und dem Mobile World Congress auf.
Als Gründer von tomorrowmensch investiert er in bahnbrechende Wissenschaft sowie Technologien und will globale Vordenker, Investoren und Unternehmer zusammenbringen.
Die falsche Wende
Eine Energiewende ohne Denkwende bleibt Vergangenheitsverwaltung. Wir elektrifizieren die Vergangenheit, statt die Zukunft zu gestalten. Die Frage ist längst nicht mehr, ob Energie sauber produziert werden kann, sondern wie wir sie als strategischen Standortfaktor nutzen.
Deutschland hat die Energiewende zu einer moralischen Erzählung gemacht – sauber, gerecht, grün – aber nie zu einer ökonomischen. Der Fokus auf CO₂-Bilanzen, Subventionen und Regulierung hat den Blick für das Wesentliche verstellt. Wir betreiben Farbkorrektur im alten Denkrahmen: Wir tauschen fossile gegen erneuerbare Quellen, behalten aber das Paradigma des Mangels. Wir optimieren das System, anstatt es wirklich zu transformieren.
Wir haben gelernt, den Verbrauch zu senken, statt den Zugang zu erweitern. Wir messen Erfolg am Verzicht, nicht am Fortschritt. Solange wir Energie als knapp, teuer und politisch verteilbar begreifen, bleibt sie ein Instrument der Begrenzung. Die wahre Wende wäre, Energie als grenzenlos zu denken.
Überfluss als Prinzip
Die Angst vor der „Energiekrise“ ist ein Relikt. In Wahrheit stehen wir an der Schwelle zu einer Epoche des Überflusses. Mit Speichern, intelligenter Vernetzung und dezentraler Produktion lässt sich Energie so organisieren, dass sie jederzeit verfügbar ist.
Energie im Überfluss verändert die Ökonomie des Kapitalismus. Ein System, das einst auf der Verteilung des Knappen beruhte, wird zu einem System der klugen Nutzung des Unendlichen. Energie wird vom Kostenfaktor zum Ermöglicher. Sie befreit die Wirtschaft aus ihrer ökologischen Defensive und eröffnet eine Ökonomie der Möglichkeiten.
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Capex statt Opex
Solar- und Windkraft haben keine laufenden Brennstoffkosten. Sobald die Anlagen gebaut sind, sinken die Grenzkosten gegen null. Strom verliert seine ökonomische Knappheit. Die Kosten verlagern sich auf einmalige Investitionen – Capex statt Opex. Damit verschiebt sich die Logik: Energie wird planbar, kalkulierbar, skalierbar. Sie wird Infrastruktur – wie Straßen, Häfen oder Datenleitungen. Eine Ressource, die man nicht verbraucht, sondern nutzt.
Wer das begreift, erkennt: Die wahre Revolution ist keine ökologische, sondern eine ökonomische. Es geht nicht mehr darum, Knappheit zu verwalten, sondern Überfluss zu gestalten.
Kostenloser Strom als strategischer Vorteil
Die industrielle Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands hängt nicht mehr von Subventionen ab, sondern vom kostenlosen Zugang zu Strom. Chemie, Stahl, Halbleiter und Rechenzentren sind die Schlüsselindustrien der Zukunft. Sie sind stromgetrieben und brauchen keine moralisch grüne Energie, sondern verlässliche, stabile, berechenbare Energie.
Wenn Deutschland als erste Industrienation kostenfreie Energie bereitstellen kann, entsteht ein strategischer Vorteil, der über Dekarbonisierung hinausgeht. Kostenloser Strom wird zum Standortvorteil und damit zur Grundlage eines neuen industriellen Zeitalters.
Wir müssen aufhören, Energie wie Treibstoff zu behandeln, der nach Verbrauch abgerechnet, mit Steuern belegt und politisch kontrolliert wird. Wir müssen endlich anfangen, sie als Infrastrukturleistung zu denken: einmal aufgebaut, unbegrenzt nutzbar.
Die Technologie ist längst da
Die größte Herausforderung ist nicht technischer Natur. Die Technologie ist längst da. Die eigentliche Herausforderung liegt in unserem Denken.
Deutschland hat gelernt, Krisen zu verwalten, statt Zukunft zu gestalten. Wir modellieren die Vergangenheit und wundern uns, dass die Zukunft nicht in unsere Excel-Tabellen passt. Aber Zukunft ist kein Rechenmodell – sie ist ein Entwurf.
Eine Denkwende bedeutet, Energie nicht länger als Problem zu verwalten, sondern als Potenzial zu gestalten. Vielleicht beginnt das nächste deutsche Wirtschaftswunder nicht mit einem neuen Gesetz, sondern mit einer neuen Frage: Was, wenn Energie unendlich ist – und Denken wieder etwas wert ist?