Brisanter Verdacht gegen Vučić wegen Menschenjagd in Sarajevo – „Kugel trieb mich zu Boden“

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Haben Scharfschützentouristen auf Zivilisten in Sarajevo geschossen? Der serbische Präsident Aleksandar Vučić gerät plötzlich ins Visier der Ermittlungen.

Sarajevo – November 1994, Sarajevo. John Jordan, ein ehemaliger US-Marine und Feuerwehrmann aus New York, kämpft gegen die Flammen eines Brandes in der Nähe von Grbavica. Plötzlich der Einschlag: Ein Scharfschützenschuss trifft ihn in die Brust. „Die Kugel trieb mich zu Boden“, wird er Jahre später vor dem Internationalen Strafgerichtshof laut Hoodline aussagen. Er trug zu dem Zeitpunkt nach eigenen Aussagen keine Waffe, doch wegen der angespannten Lage vor Ort hatte er Mitglieder seiner Feuerwehr mit Waffen ausgestattet. Was er damals mit großer Sicherheit nicht wusste: Möglicherweise hatte gerade ein zahlender Tourist auf ihn geschossen.

In Sarajevo kam es während des Jugoslawienkriegs zu Tausenden Zivilopfern. Nun gibt es neue Ermittlungen wegen „Scharfschützentouristen“. (Archivbild)
In Sarajevo kam es während des Jugoslawienkriegs zu Tausenden Zivilopfern. Nun gibt es neue Ermittlungen wegen „Scharfschützentouristen“. (Archivbild) © IMAGO/Duffour/Andia.fr

„Ich habe mehrfach Menschen gesehen, die mir aufgrund ihrer Kleidung, ihrer Waffen und der Art und Weise, wie sie von Einheimischen behandelt, geführt und sogar geleitet wurden, nicht wie Einheimische vorkamen“, sagte Jordan vor dem Tribunal aus. „Ich habe dies in Sarajevo mehrmals beobachtet.“ Er habe in der umkämpften Stadt täglich miterlebt, wie Zivilisten erschossen worden. Über 30 Jahre später sind die Umstände in Sarajevo erneut in den Schlagzeilen: Der Verdacht, dass zahlende Touristen gezielt Jagd auf Menschen machen, steht im Raum. Nun wurde Klage gegen den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić eingereicht.

„Scharfschützentouristen“ in Sarajevo: Verdacht gegen Vučić

Vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft in Mailand eine Untersuchung eingeleitet, um Verstrickungen von italienischen Staatsbürgern in die Vorwürfe der Menschenjagd in Sarajevo zu prüfen. Nach Angaben der Ermittler sollen Gruppen von „Scharfschützentouristen“ an den Massenmorden beteiligt gewesen sein, nachdem sie große Summen Geld an Soldaten der Armee von Radovan Karadžić, dem damaligen bosnisch-serbischen Führer, gezahlt hatten. Wie der Guardian schreibt, starben zwischen 1992 und 1996 in Sarajevo mehr als 10.000 Menschen durch Artillerie- und Scharfschützenbeschuss.

Nun steht auch Vučić im Verdacht, in die sogenannte Menschen-Safari verstrickt zu sein. Der investigative Journalist Domagoj Margetić reichte Beschwerde gegen den Präsidenten ein. Zuvor hatte er in den sozialen Medien Beweise veröffentlicht, die zeigen sollen, dass Vučić, damals ein junger Freiwilliger, an einem der Militärposten in Sarajevo anwesend war, von dem aus, laut Zeugenaussagen, ausländische Staatsbürger und serbische ultranationalistische Einheiten Zivilisten erschossen und töteten.

Die jetzigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft fußen auf einer Beschwerde des Mailänder Schriftstellers Ezio Gavazzeni, der Beweise für die Vorwürfe gesammelt hatte. Er behauptete, „sehr, sehr viele Italiener“ seien an den Scharfschützenabschüssen in Sarajeva beteiligt gewesen, ohne jedoch eine konkrete Zahl zu nennen. „Es waren Deutsche, Franzosen, Engländer … Menschen aus allen westlichen Ländern, die hohe Summen zahlten, um dorthin gebracht zu werden und Zivilisten zu erschießen.“ Es seien reiche Leute gewesen, „die zum Vergnügen und zur persönlichen Befriedigung dorthin fuhren“.

Vučić im Verdacht wegen „Scharfschützentouristen“ in Sarajevo

Damit die Touristen in die Nähe der belagerten Stadt gelangen könnten, flog laut Anklage die serbische Fluggesellschaft Aviognex von Triest nach Belgrad. Obwohl ein formelles Verbot des zivilen Flugverkehrs bestand, nutzten Scharfschützen wohl häufig humanitäre Flüge nach Serbien aus. Wie El Pais schreibt, sollen die Touristen Berichten zufolge zwischen 80.000 und 100.000 Euro bezahlt haben, inflationsbereinigt und angepasst an Währungsschwankungen. Angeblich war das Schießen auf Kinder teurer.

Jordan ist nicht der einzige Augenzeuge, der von den Vorfällen in Sarajevo berichtet. Auch Edin Subašić, ein Literaturprofessor und während des Jusolawienkriegs Teil des Militärnachrichtendienstes, wird in internationalen Berichten immer wieder genannt. „Am meisten schockierte mich, dass die Scharfschützen auf diesen Safaris selbst entscheiden konnten, ob sie einen erwachsenen Zivilisten, eine Frau, ein Kind, eine Schwangere, einen Soldaten töten wollten … Und alles hatte seinen Preis! Makaber und widerlich“, erklärte er laut El Pais. Der Zeitzeuge schilderte seine Erlebnisse auch in der Dokumentation „Sarajevo Safari“, die 2022 von Al Jazeera Balkans ausgestrahlt wurde.

Tote in Sarajevo: Vučić weist Vorwürfe seit Jahren zurück – „keine Waffen eingesetzt“

Auch Croatia Pravda berichtete über die Vorwürfe gegen Vučić und verweist auf Video-Ausschnitte, die den serbischen Präsidenten zeigen sollen. Laut Irish Indepentent soll Vučić zu sehen sein, wie er als junger Mann in einem Geländewagen sitzt, auf dessen Kofferraum ein menschlicher Schädel mit dem blauen Helm der UN-Friedenstruppen angebracht war. Der Präsident streitet aktuelle alle Vorwürfe ab. Ein Sprecher des Präsidenten sagte: „Präsident Vučić hat nicht an Kampfhandlungen teilgenommen, keine Waffen eingesetzt und war an keinerlei Kriegseinsätzen beteiligt.“

In einem Interview mit einem bosnischen Fernsehsender hatte Vučić im Jahr 2021 ausdrücklich bestritten, jemals auf Sarajevo geschossen zu haben, und bezeichnete die Anschuldigungen als politische Manipulation. Diese wurzele in der nationalistischen Rhetorik seiner Jugend und dem fragilen Machtgleichgewicht in der Region. (Quellen: Guardian, El Pais, Croatioa Pravda, Irish Indepentent, Hoodline) (fbu)

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