Ende des Ukraine-Kriegs? Merz-Regierung wusste nichts von Trumps 28-Punkte-Plan
Fortschritte bei den Ukraine-Verhandlungen gab es lange keine. Nun soll die Trump-Regierung mit Russland einen neuen Plan ausgearbeitet haben – ohne Europa.
Washington, D.C./Berlin – Die europäischen Ukraine-Verbündeten werden, wie es scheint, nicht in aktuelle Verhandlungen mit Russland einbezogen. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul erklärte, er habe keine Kenntnis über mögliche Geheimgespräche zwischen der Trump-Regierung und dem Kreml. In Berlin sagte der Außenminister, die Bundesregierung sei über den 28-Punkte-Plan für einen Frieden im Ukraine-Krieg nicht „gebrieft worden“.
Die Trump-Administration arbeitet aktuell an einem umstrittenen 28-Punkte-Friedensplan für die Ukraine, der erhebliche Zugeständnisse von Kiew vorsehen könnte. Der Plan, über dessen Existenz erstmals das US-Medium Axios berichtet hatte, würde in seiner aktuellen Form „bedeutende Zugeständnisse von der Ukraine verlangen, einschließlich Beschränkungen ihrer Streitkräfte und der Aufgabe größerer Gebiete“, wie eine mit dem Vorhaben vertraute Person mitteilte. Allerdings betonte diese Person, dass die Bestimmungen des Plans noch verhandelbar seien.
Verwunderung in Europa über neuen Ukraine-Plan der Trump-Regierung
Amerikanische Verbündete und ukrainische Beamte fühlten sich von der Veröffentlichung des Plans überrumpelt. Besonders schmerzhaft sei dies gewesen, weil sie das Gefühl hatten, Trump habe endlich begonnen, Putins Unaufrichtigkeit bei den Ukraine-Verhandlungen zu erkennen, berichtet Politico unter Berufung auf eine Person, die mit der Sache vertraut ist. Die Bemühungen von Donald Trumps Sondergesandten Steve Witkoff begannen wohl Ende letzten Monats mit einem Treffen mit dem russischen Sondergesandten Kirill Dmitriev in Miami. Gleichzeitig hatte der US-Präsident noch ein Treffen mit Moskaus Machthaber Wladimir Putin in Budapest kurzfristig platzen lassen.
In den europäischen Hauptstädten wurde man wohl nicht über die aktuellen Verhandlungen informiert. Wadephul erklärte am Mittwoch weiter: „Es gibt laufende Bemühungen aller internationalen Partner, Präsident Putin endlich an den Verhandlungstisch zu bringen.“ Er fügte hinzu: „Wir unterstützen natürlich alles, was in diese Richtung führt. Wir konzentrieren uns darauf, die Ukraine zu unterstützen und Putin damit sehr deutlich zu machen, dass es keine Alternative zu einem Verhandlungsprozess gibt.“
Polen kritisiert 28-Punkte-Plan scharf – Kanzleramtschef Frei bezeichnet Trump-Plan als „verstörend“
Polens Regierung hat den angeblichen US-Friedensplan für die Ukraine unterdessen scharf kritisiert. Aus seiner Sicht sollte nicht die Fähigkeit des Opfers zur Verteidigung eingeschränkt werden, sondern die Fähigkeit des Angreifers zu Aggressionen, sagte Außenminister Radosław Sikorski vor einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel.
Laut einem Bericht der Financial Times sieht der neue Friedensplan demnach vor, dass die Ukraine die umkämpften Gebiete Donezk und Luhansk vollständig räumen und seine Armee halbieren soll. Darunter sollen auch Teile der Gebiete fallen, die Russland bislang militärisch nicht erobern konnte. Die Frontlinie im Süden soll weitgehend eingefroren werden.
Sikorski sagte, Polen unterstütze grundsätzlich jede Bemühung um einen Frieden in der Ukraine. Allerdings sei Europa der wichtigste finanzielle und militärische Unterstützer der kämpfenden Ukraine, und auch die Sicherheitslage in Europa hänge im Wesentlichen von der Art ab, wie der Krieg dort beendet werde. Daher verlange Polen, dass Europa in diese Entscheidungen einbezogen werden müsse.
Trump-Regierung optimistisch über mögliches Ende des Ukraine-Kriegs
Auch Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) zeigte sich irritiert über den neuen Vorschlag der USA zum Ende des Ukraine-Kriegs. „Die ersten Nachrichten, die man dazu sieht, die sind durchaus verstörend“, sagte Frei am Donnerstag bei RTL und ntv. „Es mutet etwas an, als ob Putin damit Kriegsziele erreichen könnte, die er auf dem Schlachtfeld nicht erreicht hat. Und das wäre sicherlich ein Ergebnis, das nicht akzeptabel wäre“, sagte Frei mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Frei bestätigte, dass der Merz-Regierung die Pläne nicht bekannt gewesen seien – „also mir persönlich jedenfalls nicht“, fügte Frei hinzu.
Russlands Forderungen scheinen Vorschläge zu wiederholen, die Außenminister Marco Rubio bereits bei den Bemühungen um einen Gipfel der Staatschefs abgelehnt hatte und die für Kiew inakzeptabel wären. Dazu gehören Moskaus wiederholte Forderung, mehr Territorium in der Ostukraine zu kontrollieren, als es im Krieg erobert hat, und dass die Ukraine auf künftige Sicherheitsgarantien westlicher Verbündeter verzichtet.
Das Weiße Haus zeigte sich optimistisch bezüglich des ausgearbeiteten Plans. Ein hochrangiger Beamter des Weißen Hauses sagte, ein Rahmen zur Beendigung des Konflikts könne bis Ende dieses Monats von allen Parteien vereinbart werden – sogar „schon diese Woche“. Ein zweiter Beamter des Weißen Hauses sagte, beide Seiten müssten Flexibilität zeigen.
Gefährdet Witkoffs Alleingang einen möglichen Frieden im Ukraine-Krieg?
Die britische Außenministerin Yvette Cooper wies darauf hin, dass Putin alle Friedensbemühungen Trumps bisher zurückgewiesen und stattdessen „einfach gewählt hat, den Krieg zu eskalieren“. Deshalb sei der europäische Ansatz, Putin durch Wirtschaftssanktionen und Unterstützung für die Ukraine unter Druck zu setzen, damit er an den Verhandlungstisch zurückkehrt.
Europäische und ukrainische Beamte sind seit Monaten wachsam gegenüber Witkoffs Herangehensweise an den Konflikt. Einige haben seine Neigung, allein zu arbeiten, für das bisherige Scheitern der Friedensbemühungen der Administration verantwortlich gemacht, wie Politico schreibt. „Die Russen haben Witkoff eindeutig als jemanden identifiziert, der bereit ist, ihre Interessen zu fördern“, sagte ein EU-Verteidigungsbeamter. „Die Europäer sind zu diesem Thema nicht konsultiert worden.“
Der Kreml spielte am Mittwoch die Bedeutung des neuen Vorschlags herunter. „Es gab nichts Neues zusätzlich zu dem, was in Anchorage diskutiert wurde“, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow, als er nach dem Vorschlag gefragt wurde, und bezog sich dabei auf den Alaska-Gipfel zwischen Trump und Putin im August. (Quellen: Axios/Politico/Financial Times/dpa/ntv) (sischr)