Der neue Grippeerreger breitet sich in Großbritannien rasant aus. „Dieser Winter wird zweifellos einer der härtesten sein, den unsere Mitarbeiter je erlebt haben“, sagt Jim Mackey. Der Geschäftsführer des National Health Service (NHS) England und weitere Fachleute haben Sorge, dass die eben anrollende Influenzawelle die Krankenhäuser überlasten könnte.
Sie warnen in ihrem Bericht in „The British Medical Journal“, dass der derzeit in England vorherrschende H3N2-Stamm des Influenzavirus A im Sommer siebenmal mutiert sei. Dadurch sei er gefährlicher als normal geworden.
Zudem ist die Infektionssaison sehr früh losgegangen, heißt es weiter. Die Grippefälle seien in diesem Jahr deutlich zeitiger als üblich angestiegen, vor allem aufgrund von Fällen unter jungen Erwachsenen und Schulkindern. Außerdem beunruhigt der Blick nach Australien, die bereits von der „schlimmsten Grippesaison seit Beginn der Aufzeichnungen“ sprechen. Darüber berichtet der „Guardian“. Relevant ist das darum: Das Grippegeschehen in der südlichen Hemisphäre deutet an, was auf dieser Seite der Weltkugel zu erwarten ist.
Das bedeuten die Zahlen aus Großbritannien für Deutschland
„Es kann sein, dass diese Grippesaison früher beginnt und die Welle einen höheren Peak haben wird als in den Jahren zuvor“, erläutert der Virologe Timo Ulrichs auf Nachfrage von FOCUS online. Ein früherer Beginn noch in der Vorweihnachtszeit erhöhe wegen vermehrter Kontakte zudem das Risiko für einen schnellen Anstieg der Fallzahlen.
Der Epidemiologe gibt allerdings zu bedenken, dass dies eher die Rückkehr zur Situation vor der Coronapandemie sei. Da beobachteten wir ebenfalls leichtere und schwerere Grippewellen.
„In der Tat scheint sich die Grippewelle in diesem Winter bereits in einigen Ländern und Regionen sehr früh zu verbreiten“, bestätigt der Epidemiologe Ralf Reintjes. „Eine entsprechende Verbreitung in Deutschland ist zu erwarten.“
So verbreitet ist Influenza A (H3N2) in Deutschland
In den offiziellen Zahlen für Deutschland zeigt sich bisher noch kein Anstieg der Grippeinfektionen. „Influenzaviren wurden in den letzten Wochen vereinzelt nachgewiesen“, heißt es im aktuellen Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur Grippesituation im Allgemeinen. Die neue H3N2-Variante von Influenza A taucht bisher lediglich mit geringen Werten auf.
Weiter berichtet das Institut: „Bisher wurden in der Saison 2025/26 insgesamt sieben Influenza-Ausbrüche mit mindestens fünf Fällen pro Ausbruch an das RKI übermittelt.“ Auch die Werte der Influenza-Viruslast im Abwasser befinden sich weiter auf einem niedrigen Niveau.
Gegen diese Virentypen wirken die aktuellen Grippeimpfstoffe
Dass nun in vielen Ländern ein mutierter Influenza-Stamm grassiert, ist erst einmal nicht ungewöhnlich. Die Impfstoffe, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die jeweilige Saison empfiehlt, entstehen immer aufgrund von Prognosen zu den Varianten, die dann vermutlich im Umlauf sind.
Die in Europa zugelassenen Influenza-Impfstoffe zielen grundsätzlich auf alle gängigen Subtypen ab, sprich A(H1N1), A(H3N2), B-Virentypen. Ältere Studien deuten jedoch darauf hin: Unterscheidet sich ein zirkulierendes Virus stark vom Impfstoff-Stamm, kann die Impfwirkung deutlich verringert sein, vor allem für H3N2-Varianten.
So gut schützen die Impfstoffe vor Influenza A (H3N2)
„Die neue Variante H3N2 wurde erst im Juni 2025 entdeckt, da war es schon zu spät, den saisonalen Grippeimpfstoff noch anzupassen“, erläutert Ulrichs. „Aber der vorbereitete Impfstoff für die Herbst-Winter-Saison schützt immer noch gut, es könnte allerdings vermehrt zu Impfdurchbrüchen kommen.“
Diese Einschätzung bestätigt ein aktueller Preprint, der also noch nicht von anderen Fachleuten geprüft wurde. Dieser bilanziert zur Influenza A(H3N2) Subklade K (J.2.4.1), die den Beginn der Grippesaison 2025/26 in England dominiert: Der Schutz ist etwas geringer als in anderen Jahren. Dennoch liege die Wirksamkeit des Impfstoffs hinsichtlich Krankenhausaufenthalten und -einweisungen derzeit im üblichen Bereich
- von 70 bis 75 Prozent bei Kindern und
- 30 bis 40 Prozent bei Erwachsenen.
Das Team schreibt: „Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Impfung weiter ein wirksames Präventionsmittel gegen zirkulierende Influenza A(H3N2) ist.“
Grippetote vermeiden: So gefährlich ist das mutierte Influenzavirus
Aktuell sei die Situation in Deutschland ruhig, urteilt Ulrichs. „Wir befinden uns noch vor der Welle. Umso wichtiger ist eine Impfung genau jetzt, um Ansteckung und schweren Verlaufsformen vorzubeugen.“
Besonders ältere Menschen und Patienten mit chronischen Grunderkrankungen sollten sich impfen lassen, am besten auch gleich gegen das Coronavirus. Aber generell wäre es für alle gut.
Der Experte mahnt: „Eine hohe Zahl von Grippetoten muss nicht sein und kann durch konsequentes Impfen vermieden werden.“
Daran können Sie erkennen, ob Sie Grippe haben
Grippe kann unterschiedliche Verläufe nehmen. Aber: „Typisch für Influenza ist ein schlagartiger Beginn – mit Fieber und Gliederschmerzen. Innerhalb von Stunden fühlen sich die Leute plötzlich richtig krank“, sagt Uwe Popert von der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin der Nachrichtenagentur dpa.
Die Symptome einer Grippe sind oft stärker ausgeprägt als bei einer klassischen Erkältung:
- starke Kopfschmerzen,
- ein fieser, trockener Reizhusten
- und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl.
Schnupfen kommt bei einer Influenza eher selten vor. Und Ältere entwickeln oft kein Fieber.
Verläuft die Infektion ohne Komplikationen, bessern sich die Beschwerden meist nach fünf bis sieben Tagen wieder. Oft bleibt der Husten für insgesamt zwei bis drei Wochen.
Wenn Sie unsicher sind, finden Sie auch beim Patientennavi des Ärzlichen Notdienstes Hilfe.
Mit Informationen der dpa