Putin, Saudis und der Papst: Die Rückkehr der unheiligen Klima-Allianz

Die Rückkehr der „unheiligen“ Allianz: Bereits im vorigen Jahr hatte sich auf der Weltklimakonferenz in Baku ein ungleiches Bündnis aus Russland, Saudi-Arabien und dem Vatikan zusammengetan. In einer Arbeitsgruppe für Genderfragen hat die Gruppe dem Vernehmen nach auf Vollblockade geschaltet, um den dort verwendeten Begriff „gender“ durch „sex“ zu ersetzen – also den streng definierten Begriff für das biologische Geschlecht.

Auf diese Weise sollen zum Beispiel Transgender-Frauen explizit ausgeschlossen werden. Auch sämtliche Formulierungen, die die Möglichkeit offenlassen, dass eine Frau eine andere Frau lieben könnte statt eines Mannes, sollen gestrichen werden.

Was ihnen in Baku nicht gelang, probiert das Triumvirat in Belém erneut. Diesmal erweitert um vier Brüder im Geiste: Auch Paraguay und Argentinien stellen die Legitimität des Begriffs „Gender“ in Frage. Hinzu gesellen sich Iran und Ägypten, aus der unheiligen Allianz wurden die unglorreichen Sieben.

In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.

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„Unterschied zwischen Leben und Tod“

Die Gruppe könnte in Belém massiven Schaden anrichten, warnen Frauenaktivisten. „In einigen Ländern bedeutet geschlechtergerechte Klimapolitik den Unterschied zwischen Leben und Tod“, sagte Lorena Aguilar, Geschäftsführerin des US-amerikanischen Kaschak Institute for Social Justice for Women and Girls und ehemalige stellvertretende Außenministerin Costa Ricas, dem britischen „Guardian“.

Auf dem Spiel steht der sogenannte UNFCCC Gender Action Plan (GAP). Im Jahr 2014 riefen die UN-Staaten das sogenannte Lima-Arbeitsprogramms für Genderfragen ins Leben, um die Perspektive von Frauen im Kampf gegen den Klimawandel stärker in den Mittelpunkt zu rücken. 

Ohne Geschlechtergerechtigkeit kein wirksamer Klimaschutz

Im vorigen Jahr dann der Bruch: Plötzlich stand der Begriff „gender“ zur Diskussion, den die UN schon beim Start des Programms im Jahr 2014 verwendet hatte. Der Begriff „sex“ gilt bei den Vereinten Nationen schon seit Jahren als veraltet, weil er eben nicht alle Frauen mit einbezieht. 

Aktivistinnen vermuten, dass es den Blockade-Staaten nur vordergründig um eine altmodische Sexualmoral geht. Hintergrund sei vielmehr, dass die Bekämpfung von Ungleichheiten nicht finanziert werden soll, glaubt die Frauenrechtsaktivistin Chikondi Chabvuta-Mkawa aus Malawi, die eine Gruppe von 44 Ländern bei Genderfragen koordiniert. Weltweit fließen lediglich vier Prozent der staatlichen Hilfen für die Anpassung an den Klimawandel in Genderarbeit.

Wenn die Geschlechter-Kreuzritter unter der Flagge des Heiligen Stuhls mit ihrem Kurs erfolgreich sind, hätte das fatale Folgen, meint Vanessa Dolce de Faria, Brasiliens Hohe Vertreterin für Geschlechterfragen: „Ohne eine geschlechtsspezifische Perspektive sind Klimaschutzmaßnahmen nicht wirksam.“ 

80 Prozent der Klimaflüchtlinge sind Frauen

Die konkreten Auswirkungen zeigen Zahlen der UN-Organisation  UN Women auf:

  • Geschlechtsspezifische Gewalt

Das Leben in trockenen Gebieten ist mit einer Eherate von Kindern verbunden, die bis zu 32 Prozentpunkte höher liegt als in feuchten Gebieten.

  • Unbezahlte Pflegearbeit

2,3 Milliarden Menschen leben in wasserarmen Ländern. Frauen sind in 80 Prozent der Haushalte für die Wasserentnahme verantwortlich.

  • Wirtschaftliche Sicherheit

Bis 2050 könnten 158 Millionen weitere Frauen in extreme Armut gedrängt werden.

  • Gesundheit

Während Hitzewellen steigt die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt um etwa 26 Prozent.

Studien zeigen bereits seit Jahren, dass Frauen von den Folgen des Klimawandels überproportional stark betroffen sind. Durch das höhere Armutsrisiko sind sie anfälliger für die Folgen von Klimakatastrophen. Der Zugang zu Land, Krediten, Informationen wird ihnen vielerorts systematisch erschwert. UN-Daten zeigen, dass 80 Prozent der Klimaflüchtlinge weltweit Frauen sind. Bei einer Naturkatastrophe sterben Frauen mit einer bis zu 14 mal höheren Wahrscheinlichkeit als Männer - auch durch Gewaltverbrechen, die sich im Nachgang ereignen.

Eine Mutter hält ihr Kind fest
80 Prozent der Klimaflüchtlinge sind Frauen. Beim Streit um Geschlechtergerechtigkeit will der Westen nicht nachgeben. Getty Images

Die westlichen Staaten stellen sich mehrheitlich auf die Seite der Frauenaktivistinnen: Die EU, Norwegen und Kanada fordern Formulierungen zur „Intersektionalität“ und Verweise auf Frauen und Mädchen „in ihrer ganzen Vielfalt“ und auf „geschlechtsdiverse Menschen“.

Chikondi Chabvuta-Mkawa aus Malawi hat Hoffnung, dass sich die progressiven Staaten trotz starker Widerstände damit durchsetzen werden: „Wir haben eine historische Chance, die Rechte und Herausforderungen von Frauen und Mädchen im Zusammenhang mit dem Klimawandel weiter zu berücksichtigen.“

Die ehemalige Außenministerin Costa Ricas und heute Frauenrechtlerin Lorena Aguillar will jedenfalls keinen Jota abweichen: „Es gibt einige Länder, die uns 30 Jahre zurückwerfen wollen. Aber wir werden nichts weniger akzeptieren als das, was wir bereits erreicht haben.“

Auch Gastgeber Brasilien ergreift eindeutig Partei: „Frauen und andere historisch gefährdete Gruppen – wie indigene Völker, traditionelle Gemeinschaften und Bevölkerungsgruppen in Armut – sind nicht nur Opfer des Klimawandels, sondern auch Protagonisten von Lösungen“, heißt es auf der Homepage der COP 30. Brasilien setzt auf Integration, Diversität und Nachhaltigkeit und hat die Geschlechterperspektive in die COP30-Aktionsagenda integriert. „Die COP30 fördert Klimalösungen mit weiblicher Führung und sozial-ökologischer Gerechtigkeit.“