Wie ernst ist die globale Bedrohung? "Die gesamte Bevölkerung verändert sich"

Es ist erst noch gar nicht lange her, da stellten sich die Chefs der drei deutschen Geheimdienste - Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst (MAD) - einer öffentlichen Befragung. 

Wie die "Tagesschau" berichtet, waren ihre Aussagen eindeutig. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und denken, ein russischer Angriff kommt frühestens 2029. Wir stehen schon jetzt im Feuer", sagte BND-Präsident Martin Jäger Mitte Oktober. 

Martina Rosenberg vom MAD sprach von Sabotageversuchen, Spionagedrohnen, Brandstiftung und Angriffen auf die kritische Infrastruktur vonseiten Russlands. Tatsächlich wurden in den vergangenen Monaten immer wieder Drohnen und Jets über Nato-Gebiet gesichtet.

Kreml dementiert, etwas mit Drohnen-Sichtungen zu tun zu haben

Entsprechende Meldungen kamen nicht nur aus Polen, Dänemark oder Estland, sondern auch aus Deutschland. Anfang Oktober musste beispielsweise der Betrieb am Münchner Flughafen unterbrochen werden, weil unbemannte Flugobjekte gesichtet worden waren.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) vermutete in der Talk-Show "Caren Miosga", "dass Russland hinter den meisten dieser Drohnen-Flüge steckt". Bewiesen ist das nicht. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte, es gebe keinen Grund, Russland für die Sichtungen verantwortlich zu machen.

Trotzdem bleibt das Drohnen-Thema brisant. Armin Papperger, Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall, äußerte sich zuletzt ebenfalls zu den Vorfällen. "Es hat mich auf jeden Fall nicht überrascht. Auf mich wirkt es so, als wolle Russland im Augenblick die Reaktion von Deutschland, Europa und der Nato austesten", sagte er dem "Handelsblatt".

Papperger: "Die gesamte deutsche Bevölkerung verändert sich"

Der Unternehmer plädiert dafür, überlegt zu reagieren. Denn: "Ich glaube, dass Russlands Diktator Wladimir Putin im Augenblick die Nato zu einem Fehler provozieren will, damit er eine Aktion gegen das Bündnis rechtfertigen kann."

Pappeger hält zum Beispiel nichts davon, alle kleineren und unbewaffneten Drohnen abzuschießen. Sie stellen in seinen Augen keine größere Gefahr dar. Dabei hat der Rheinmetall-Chef auch direkte Berührungspunkte mit den Drohnen-Sichtungen.

Wieder aufbereiteten Marder-Schützenpanzer stehen bei einem Rheinmetall-Werk.
Wieder aufbereitete Marder-Schützenpanzer stehen bei einem Rheinmetall-Werk. Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild

Zuletzt flogen Spionagedrohnen über Werke des Konzerns in Düsseldorf und Unterlüß in Niedersachsen, wie er dem "Handelsblatt" erzählte. "Aber das ist kein großes Thema für uns. Dinge, die bei uns als geheim eingestuft sind, lassen wir nicht auf dem Hof stehen."

Wichtig ist in seinen Augen, dass jedes Unternehmen lernt, sich selbst zu schützen. Papperger betonte, dass die Erkenntnis, "dass es keine Sicherheit zum Nulltarif gibt", gerade nicht nur bei Firmen reife. "Die gesamte deutsche Bevölkerung verändert sich mental. Immer mehr Menschen verstehen, dass die Zeit der Bequemlichkeit vorbei ist, die Zeit des großen Sozialstaates und der Überzeugung, dass wir nichts ausgeben müssen für unseren Schutz."

Deutschlands Rüstungsindustrie boomt

Klar ist auch, dass Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall von der angespannten geopolitischen Lage profitieren. Der Aktienkurs des Konzerns hat sich seit Russlands Ukraine-Invasion versechzehnfacht. Papperger sagte dem "Handelsblatt": "Die europäischen Nato-Staaten, die gesamten westlichen Staaten müssen sich darauf vorbereiten, wehrhaft zu sein."

Insgesamt zeichnet sich ein neuer Trend ab. Die deutsche Industrie scheint vom Rüstungsboom erfasst zu werden. Erst vor kurzem veröffentlichte der "Spiegel" einen Text mit der Überschrift "Die Panzerrepublik". Demnach versuchen viele hiesige Unternehmen, vom Waffengeschäft zu profitieren.

So will beispielsweise die VW-Muttergesellschaft Porsche SE eine Plattform für Investitionen in Rüstungstechnologien aufbauen. Autozulieferer wie Schaeffler widmen sich der Herstellung von Verteidigungsprodukten. Und das Hamburger Food-Tech-Start-up goodBytz erklärte, mit der Lieferung einer autonomen Roboterküche an die U.S. Army ins Verteidigungsgeschäft einzusteigen.