Donald Trump fängt wieder an mit Atomwaffentests, Ältere kennen noch die dystopischen Bilder aus der Wüste von Nevada. Todespilz im Sonnenuntergang: Bald wird es das wieder geben.
Es ist die nächste Stufe einer Rückkehr: In Krieg-in-Sicht-Zeiten. Nach gut 30 Jahren – Fukuyama-Jahre, der angebliche Sieg des westlichen Liberalismus, das „Ende der Geschichte“. Nun aber kehrt er zurück, der Kalte Krieg, dieses Mal aber in einer heißen, weil kriegerischen Variante, siehe Ukraine.
Donald Trump und die Atomwaffentests
Aber etwas hat sich geändert. Etwas Grundlegendes. Der Russe stand auch früher schon vor der Tür. Aber nun ist unser amerikanischer Bodyguard auf Abwegen. Die Amis ziehen Truppen aus Rumänien ab. Und das „dürfte nur der Anfang sein“, sagt Roderich Kiesewetter (CDU), ein Klartext-Mann, der sich mit Derlei auskennt.
Manchmal ist es nicht klar, ob ein Ereignis eine gute oder eine schlechte Nachricht ist. Wenn Trump jetzt nach 33 Jahren zum ersten Mal wieder Atomraketentests veranstaltet, ist daran schlecht, dass das nukleare Wettrüsten wieder losgeht, was teuer ist und gefährlich. Gut daran ist, dass Trump die atomaren Drohungen der Russen nicht im Raum stehen lässt, sondern mit einer Gegendrohung beantwortet.
Diese Gegendrohung war, hier stimmt der Vergleich mit dem Kalten Krieg dann doch wieder, 80 Jahre lang unsere Lebensversicherung. Aber es gibt nun diese eine bange Frage: Was taugt die Lebensversicherung noch? Aber eins nach dem anderen.
Das Start-Abkommen läuft schon bald aus
Erstens:
Das „Start“-Abkommen, ein Abrüstungsvertrag aus der goldenen, der weltfriedensliebenden Fukuyama-Zeit, läuft aus – in weniger als sechs Monaten. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht – derzeit sogar unmöglich, sagen die Russen.
Zweitens:
Im Ukraine-Krieg spielen die russischen Atomwaffen vom ersten Tag an eine Schlüsselrolle. Und zwar als wirksame Waffe psychologischer Kriegsführung. Olaf Scholz bekannte als Bundeskanzler offen, dass ihn Wladimir Putins Atomdrohungen abhielten, bei der Ukraine-Hilfe „all in“ zu gehen. (Abgehalten hat ihn auch seine SPD.) Danach rechnete es sich der deutsche Kanzler selbst als geradezu historisches Verdienst an, die Chinesen dazu bewegt zu haben, die Russen dazu bewegt zu haben, mit Atomwaffen nicht mehr zu drohen.
Drittens:
Putin setzt die Atomwaffen als Bedrohung des Westens unbeeindruckt weiter ein. Das amerikanisch-britische "Institute for the study of war" (ISW) listet auf, wo zuletzt überall: Putin ließ „Poseidon“ testen, eine atomwaffenfähige Unterwasser-Abschussvorrichtung. Putin prahlte mit seiner neu entwickelten "Burevestnik"-Rakete, die er gerade habe erfolgreich testen lassen. Die Frage ist: Warum?
Die ISW-Analytiker sagen, um Trump und die Europäer zu bewegen, seine Ukraine-Forderungen zu akzeptieren. Putin wolle mit der atomaren Säbelrasselei beim Westen erreichen, was er gegenwärtig auf dem Schlachtfeld eben nicht erreichen könne. Denn für Putin ist die Welt auch eine andere geworden.
Medwedew droht und Trump reagiert knallhart
Viertens:
Und das, seit Trump sein jüngstes Sanktionspaket verkündete – gegen die russische Ölindustrie, mit der Putin seinen Krieg in der Ukraine finanziert. Damit geht die Zeit, in der Sanktionen gegen Russland von rohstoffhungrigen Ländern – zu denen auch Deutschland zählt – umgangen werden können, dem Ende entgegen. Unmittelbar nachdem Trump dies verkündet hatte, testete Putin seine neuen Atomwaffen – sicher kein Zufall.
Fünftens:
Was dazu führte, dass Trump klarmachte, dass er nicht einknickt. Anders als sein Vorgänger Joe Biden. Als Putins Scharfmacher Medwedew eine, wie gewohnt großmäulige Atomdrohung Richtung USA losließ, machte Trump gleich mal zwei Atom-U-Boote klar und beorderte sie vor Russlands Grenzen. Und er kündigte die Wiederaufnahme der Atomwaffentests an: „Ich konnte nicht anders.“
Es ist ein Strategie-„Spiel“, für das man gute Nerven braucht. Die Regeln für Amerikaner und Russen haben sich seit dem Kalten Krieg nicht geändert. Der Höhepunkt des prä-atomaren Nervenkriegs wurde Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erreicht – in der Kuba-Krise. Aber: Atomraketen haben von ihrer politischen Wirkung nichts verloren.
Sechstens:
So absurd das ist: Die Atomraketen jener Zeit waren jahrzehntelang ein Friedensgarant. So ist es aber auch im Ukraine-Krieg: „Die nukleare Abschreckung funktioniert“, schreiben die beiden Sicherheitsexperten Claudia Major und Liviu Horowitz in einer Analyse der Fachzeitschrift für Internationale Politik über die Atomwaffen: „Einerseits hat sie die Nato geschützt, denn bislang hat Russland eine militärische Eskalation gegenüber dem Bündnis vermieden. Andererseits schützen Atomwaffen auch Russland, denn aus Sorge vor einer Eskalation haben die westlichen Staaten ihre Unterstützung für die Ukraine sorgfältig abgewogen und eine direkte militärische Beteiligung abgelehnt.“ Was zu einem dynamischen Momentum führt – und zu einer Frage.
Schon FJS hatte die Atomwaffen auf der Rechnung
Siebtens:
Brauchen wir – in Deutschland, in Europa – eine eigene Atombombe?
Die Antwort ist klar – eigentlich: Wenn Atomwaffen den Frieden sichern, aber nicht mehr klar ist, ob der amerikanische Atomwaffenschutz auch unter Trump – und danach – für uns gilt, dann: Braucht Deutschland die Atombombe. Und hier fangen die Probleme an.
Es ist ja nicht so, als ob diese Frage für deutsche Politiker neu wäre. Der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß, unter (neben?) dem Kanzler Adenauer Bundesverteidigungsminister, dachte Anfang der Sechziger Jahre über eine deutsche Atombombe nach. Es wurde nichts daraus: Letztendlich stoppten die Amis den forschen Bayern.
Was nun aber überhaupt nicht heißt, dass es heute anders zuginge als früher, vor 60 Jahren. Die Geschichte hat schon ihre Konstanten. Major und Horowitz analysieren: „Washington hat, selbst wenn es sich von Europa abwenden sollte, wenig Interesse daran, dass die Europäer eigene Atomwaffen entwickeln. Die USA haben in der Vergangenheit beträchtliche diplomatische, wirtschaftliche und politische Mittel mobilisiert, um die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Die Bonner Republik hat dies in den 1950er und 1960er Jahren erfahren. Und auch Moskau würde wohl alles tun, um nukleare Proliferation zu verhindern.“
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten einer deutschen A-Bombe: a) eine eigene b) eine europäische und c) eine französisch-britische.
Eine eigene deutsche Atombombe – reine Utopie. Eine europäische Atombombe setzte eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft voraus, die einen europäischen Bundesstaat voraussetzte. Auch das: Reine Utopie. Die Europäer sind in der Regel großmäulig, aber zerstritten und international – siehe Nahost, siehe China, siehe selbst Russland – einflusslos. Europa, das heißt außenpolitisch: Viel Lärm um nichts.
Es gibt nur einen Bodyguard für Deutschland
Die einzig denkbare Atom-Variante wäre die französisch-britische. Am lautesten hat dafür Frankreichs Präsident Macron geworben – seit Jahren schon. Um genau das im Kleingedruckten unmöglich zu machen: „Paris würde nicht für die Sicherheit anderer Länder zahlen, ein Engagement dürfte Frankreichs Verteidigung nicht schwächen, und die Entscheidung zum Einsatz von Nuklearwaffen bliebe ausschließlich beim französischen Präsidenten.“
Im Klartext: Daraus wird nichts. Und falls doch, dann erst in Jahren. Was zu dem Ergebnis führt:
Deutschland ist auf Gedeih und Verderb, was den atomaren Schutz angeht, den Amerikanern ausgeliefert. Das wird auch noch lange so bleiben, ob wir Trump mögen oder nicht.
Achtens:
In den ersten fünf Jahrzehnten nach dem Krieg stabile Nerven zu haben, war einfacher als es heute ist. Denn: Zwischen 1945 und 1989 gab es für die Deutschen die alle einende Erfahrung: Aus dem Kalten Krieg wird kein heißer, auch die Russen sind nicht verrückt und da sind immer noch die Amerikaner.
Dann kamen 30 Jahre gefühlter „ewiger Frieden“. Das ging vorbei, für alle sicht- und fühlbar 2022 (in Wahrheit zehn Jahre früher). Und heute:
Wissen wir nicht mehr, was die Russen wollen.
Wissen wir nicht mehr, was die Amerikaner wollen.
Wissen wir nicht mehr, was wir selbst wollen.
Außer: Unsere Ruhe haben. Die Zeiten sind aber vorbei.