Nach Ende der Grabnutzungsdauer müssen Angehörige Grabsteine entfernen lassen – aus Platzgründen und wegen neuer Urnengräber. Edith Pauckner aus Weilheim ist darüber empört.
Weilheim - Da das Belegungsrecht für das Grab ihrer Eltern nach 40 Jahren im Januar 2026 endet und sie selbst mit dem Gedanken spielt, auf kurz oder lang zur Tochter zu ziehen, hat die 82-Jährige Edith Pauckner im Juli der Kirchenverwaltung Mariä Himmelfahrt in Weilheim angeboten, das Grab schon vor Fristablauf aufzulösen. „Im Zuge der Sanierung des Friedhofsteils St. Sebastian wäre ich bereit gewesen, damit direkt nach Allerheiligen zu beginnen“, sagt Pauckner. Die postwendende Antwort, die Auflösung unverzüglich vorzunehmen und Vollzug zu vermelden, erzürnte die Rentnerin.
Betroffen sind mehrere hundert Angehörige
Tatsächlich seien einige Grabrechteinhaber aufgefordert worden, sehr schnell ihre nicht weiter benötigten Grabstätten aufzulösen. Nur so habe man zügig mit der Sanierung des alten Friedhofs beginnen können, ordnet Steinmetzmeister Philipp Mössmer das Vorgehen der Kirchenverwaltung ein. So hätten in diesem Jahr schon mehr als hundert Angehörige, darunter Edith Pauckner, seinen Betrieb mit der Auflösung ihrer Grabstätte auf dem Weilheimer Friedhof beauftragt.
Pfarrer Igbo wirbt um Verständnis
Die Sanierungsarbeiten auf dem kirchlichen Teil des Friedhofs in Weilheim sind so gut wie abgeschlossen. Auf den Hauptwegen wurde Wegekies aufgebracht, planiert und mit einer wassergebundenen Decke zur besseren Befahrbarkeit versehen. Das rund um viele Gräber wuchernde Unkraut ist beseitigt, auf den Freiflächen sprießt vorsichtig erstes Grün. Richtig angehen wird der Magerrasen aber erst im Frühjahr. Bedauerlicherweise hätten die Bauarbeiten rund um die Gräber bei einigen Angehörigen für Unmut gesorgt, schildert Pfarrer Paul Igbo: „Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich die Bauarbeiter jede Menge Beschwerden anhören mussten, weil die Leute ihre Gräber nicht gut erreichen konnten.“ Igbo wirbt um Verständnis. „Die Arbeiten waren dringend nötig, auf dem Friedhof sah es aus wie im Saustall. Damit das in Zukunft nicht wieder passiert, werden wir eine neue Friedhofsordnung ausarbeiten.“
Mehr noch als „mangelnde Umgangsformen“ der Kirchenmitarbeiter ärgert diese aber, dass sie „wirklich alles“, also die Einfassung, die Platte, den Sockel sowie den Grabstein schreddern lassen sollte: „Geht unsere Wegwerfgesellschaft wirklich so weit, dass Geld wichtiger als Erinnerung ist?“ Ihre Vermutung: Die Verwaltung scheue sich vor den Kosten für die Pflege der alten Steine.
Friedhofsverwalter: „In der Masse geht das einfach nicht“
Friedhofsverwalter Joachim Heberlein äußert als „Fan alter Steine“ Verständnis für Pauckners Wunsch, den Stein an Ort und Stelle zu belassen. Doch sei dies aus Platzgründen nicht möglich. „Wir schauen, dass wir so viele Steine wie möglich behalten. Aber in der Masse geht das einfach nicht. Wir sind ja auch kein Ausstellungspark historischer Grabsteine oder ein Museum für Sepulkralkultur.“ Wenn es sich anbiete, werde auf einen alten Stein eine Platte im selben Material und derselben Farbe aufgeschraubt und neu beschriftet. „Im Falle von Frau Pauckner läuft der Stein oben in einem Dreieck aus, da geht das ästhetisch nicht.“
Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s auch in unserem regelmäßigen Schongau-Newsletter. Und in unserem Weilheim-Penzberg-Newsletter.
Natürlich müsse ein Stein nicht zwangsläufig geschreddert werden, stellt der Friedhofsverwalter klar. Doch seien die Grabrechteinhaber nach Ablauf des Nutzungsrechts dazu verpflichtet, ihr Eigentum von der Grabstelle zu entfernen, ähnlich wie ein Hausbesitzer bei Verkauf seines Hauses. Und dazu gehörten eben auch die Platte, die Umrandung und der Stein. „Ich kann den Stein ja schon deshalb nicht stehenlassen, weil ich nicht weiß, ob der nächste Grabrechteinhaber ihn übernehmen will“, schildert Heberlein sein Dilemma.
Kein Vergleich mit München möglich
Den Hinweis Pauckners, dass auf dem Alten Südfriedhof in München die Grabsteine sehr wohl als Erinnerungsstücke stehen geblieben seien, entkräftet er damit, dass es dort seit den 1940er Jahren keine Bestattungen mehr gegeben habe. Im Gegensatz zu dem unter Denkmalschutz stehenden Münchner Gottesacker unterliege der Weilheimer Friedhof aber nach wie vor einem steten Wandel, dem Rechnung zu tragen sei.
So läuft es in Penzberg und Schongau
Susanne Pöschl von der Friedhofsverwaltung Penzberg pflichtet ihrem Kollegen bei: „Auch bei uns bleiben nur in den seltensten Fällen die Grabsteine stehen, etwa, wenn es sich um einen ganz besonderen Naturstein handelt oder wenn der Verstorbene zu den herausragenden Persönlichkeiten Penzbergs zählte.“ Stünden aber überall alte Steine herum und blieben die Grabstellen für eine Neuvergabe gesperrt, sei weder die Planung neuer Urnengräber möglich, die inzwischen bei 90 Prozent der Bestattungen gewünscht seien, noch die langfristige Verkleinerung oder Vergrößerung eines Friedhofs.
Jessica Bäumler, Leiterin Friedhofsverwaltung in Schongau, ergänzt: „Bei unserem historischen Stadtfriedhof gibt es eine Besonderheit, denn er steht insgesamt unter Ensembleschutz. Vor einer Grabauflösung halten wir Rücksprache mit unserem Kreisheimatpfleger. Unter Ensembleschutz stehende Grabstein übernimmt die Stadt.“ Diese würden dann entweder versetzt oder vollständig erhalten.
„Stein wiegt sicher eine Tonne“
Und Steinmetz Mössmer weiß aus langjähriger Erfahrung: „Es rentiert sich bei unseren Lohnkosten überhaupt nicht, einen alten Grabstein herrichten zu lassen. Da kaufen sich die Leute lieber einen neuen im Baumarkt aus China.“ So seien von allen Steinen, mit deren Abtransport er heuer beauftragt worden sei, nur zwei im Garten der Besitzer gelandet. Als Sitzbank oder Vogeltränke. Der Abtransport und das Schreddern von Edith Pauckners Stein stelle ihn im Übrigen vor besondere Herausforderungen. „Der ist aus Granit und knapp 50 Zentimeter dick. Er wiegt sicher eine Tonne.“