"Bierkönig und Megapark sind cool geworden": Der große Wandel des Ballermanns

Es ist Ende Oktober auf Mallorca. Die Herbstferien neigen sich dem Ende zu, doch an der Playa de Palma wirkt es trotz des anstehenden Saisonendes noch wie mitten in der Hochsaison: Der Strand ist voll, die Beachlokale gut gefüllt, die Stimmung ausgelassen. Nur eines ist anders: Der Ballermann, über Jahrzehnte Sinnbild für deutschen Exzess-Tourismus, wirkt – man glaubt es kaum – erwachsener.

Zum großen Saison-Closing am vergangenen Wochenende kamen noch einmal Tausende Urlauber, um ein letztes Mal in den großen Partytempeln Megapark und Bierkönig zu feiern. Es sei eine gute Saison gewesen, heißt es von den beiden Platzhirschen – und sie habe sich anders angefühlt als in den Vorjahren.

Neuer Ballermann-Trend: Weniger Exzess, mehr Bewusstsein

„Der Kampf gegen den Sauftourismus macht tatsächlich Fortschritte“, sagt der deutsche Journalist Ingo Wohlfeil, der seit vielen Jahren über die Playa berichtet. „Das begann bereits vor acht Jahren. Da wurde Freibier und die Happy Hour abgeschafft – und das ist mittlerweile jedem bekannt in Deutschland. Viele empfinden es heute schlicht als zu kostspielig, sich hier schön den Helm abzuschrauben.“

Wohlfeil spricht von einem Prozess, der lange unterschätzt wurde – und jetzt greift: „Es ist tatsächlich weniger Krawall und Sauftourismus unterwegs als vor Corona – sehr zur Freude aller Beteiligten hier.“

Politik auf Kurswechsel: Kooperation statt Konfrontation

Noch vor wenigen Jahren wollte die mallorquinische Regierung den Ballermann komplett austrocknen, den Megapark sogar schließen lassen. Heute setzt man auf Kooperation statt Konfrontation. „Die Vorgängerregierung wollte Megapark und Bierkönig plattmachen. Jetzt hat man verstanden: Der Imagewandel funktioniert nur mit diesen Läden“, sagt Wohlfeil.

„Diese Läden werden sich weiter modernisieren, werden sich mehr an den Zeitgeist anpassen. Und damit kommt auch ein zahlungskräftigeres Publikum, das sich abends auch mal wieder ein Hemd oder ein Abendkleid anzieht“, ist sich Wohlfeil sicher.

Millionen-Investitionen in Glanz statt Gelage

Vor dieser Saison hatten Megapark und Bierkönig Millionen investiert – in neue Bühnen, Licht- und Soundtechnik, Sicherheit, Komfort und Programm. Im Bierkönig, einst Symbol für den Party-Exzess, entstand eine neue Konzerthalle – mit modernem Licht, besserer Belüftung und Platz für echte Shows. „Bierkönig und Megapark sind cool geworden“, sagt Wohlfeil.

Das Ziel der Betreiber ist klar: ein neues Publikum anziehen, das mehr erwartet als Bier und billige Beats. Entsprechend wurden in dieser Saison vermehrt große deutsche Künstler gebucht – von Sido bis Capital Bra, von Heino bis Finch.

Promis, Popstars und neue Gäste am Ballermann

Für Wohlfeil ist das erst der Anfang: „Ich glaube, dass man schon bald auch Künstler wie Helene Fischer oder die Sportfreunde Stiller hier auf die Bühnen bekommt.“ Und dann sei der Imagewandel vollzogen: „Hin zum Las Vegas Spaniens oder Europas.“

Auch Künstler wie Schürze alias Michael Müller sehen diese Entwicklung positiv: „Von Schlager bis Rap – wir haben in dieser Saison viel Neues ausprobiert, und es kommen immer größere Künstler. Das funktioniert tatsächlich alles richtig gut“, so der Mann hinter dem Hit „Layla“, der in diesem Jahr seine dritte Saison im Bierkönig feierte. „Das macht am Ende einen Schritt nach vorne für den Ballermann.“ 

Helene Fischer ist im August zum zweiten Mal Mutter geworden.
Helene Fischer bei einem Auftritt (Symbolbild) IMAGO / Bildagentur Monn

Weniger Saufen, mehr Erlebnis – der neue Tourismus-Mix

Entsprechend hat sich auch das Publikum insbesondere in dieser Saison verändert: Neben klassischen Partyurlaubern zieht die Playa nun zunehmend Familien, Influencer und internationale Gäste an. „Im Juli und August haben wir verstärkt Familien aus der ganzen Welt gesehen, die hier Urlaub machen“, sagt Wohlfeil. „Und Influencer berichten zunehmend über die Playa – nicht über Sauftourismus, sondern über die coolsten Restaurants, Bars und Promi-Partys. Die Playa de Palma ist hip und cool geworden.“

Das zeigt sich auch in den VIP-Bereichen etwa im Megapark, wo in dieser Saison reichlich Promis oder CEOs großer Unternehmen zu sehen waren.

Neue Gäste, alte Gefühle – der Spagat am Strand

Trotz aller Erneuerungen bleibt der Ballermann in der deutschen Seele verankert. „Der Ballermann hat sich ja schon dramatisch verändert. Es gibt kein Eimersaufen mehr, keine Nackt-Misswahlen mehr“, sagt Wohlfeil. „Aber was man niemals rausbekommen wird aus den Köpfen, ist der Ballermann. Das ist deutsche DNA – die kriegt man nicht so ohne Weiteres da wieder raus.“ Auch deshalb bleibt der Wandel ein Balanceakt.

Denn jahrelang stand die Playa de Palma nun mal für extreme Partys und Trinkgelage. Seitdem die Clubs mit strengen Regeln und Security durchgreifen, haben sich die Exzesse vor allem auf die Straße verlagert. Das zeigt sich dann vor allem in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden: Dann sind Strandpromenade und einzelne Straßen rund um die Lokale übersät mit Bierflaschen, Glasscherben und mitunter dem einen oder anderen Betrunkenen, der es nicht mehr zurück ins Hotel geschafft hat. Hier versuchen die Behörden schon seit Jahren mit Benimmregeln und mehr Polizei entgegenzusteuern.

Ballermann 2.0: Ordnung statt Ausnahmezustand

In dieser Saison zeigten die Maßnahmen offenbar erste kleine Erfolge: So blieben die großen Negativschlagzeilen aus. „Es wurden keine Hotels oder Bars angezündet. Es ist hier niemand ums Leben gekommen durch Mord oder Totschlag, und es gab auch keine Massenschlägereien oder Massenvergewaltigung“, resümiert Playa-Kenner Wohlfeil.

Die Strategie scheint also langsam aufzugehen: Statt die Party zu verbieten, muss man sie auch künftig weiter in geordnete Bahnen lenken. Damit entsteht ein „Ballermann reloaded“ – mit klaren Regeln, Shows, mehr Sicherheitskontrollen und einer Zielgruppe, die sich eher an Ibiza als an Eimersaufen orientiert.

Erste Zahlen zeigen, dass die Touristenzahlen auf der Insel auf hohem Niveau bleiben. Doch klar ist auch, dass viele Gastronomen, Einzelhändler und Betreiber touristischer Attraktionen über deutliche Umsatzrückgänge klagen, wie die DW berichtete. Sorge bereiten den Unternehmen demnach ausgerechnet die deutschen Gäste, die vermehrt, offenbar auch aufgrund der Anti-Touristen-Demos, fernbleiben.

Zwischen Spaß und Stil – der neue Mix

Abends an der Playa: auf der einen Seite Junggesellenabschiede in Trikots, auf der anderen Paare in weißen Hemden, die zu Heino klatschen oder Capital Bra filmen.

Kaum ein Ort auf Mallorca vereint so viele Gegensätze – und so viel Wandel. „Das ist mittlerweile eine friedliche Koexistenz zwischen Party-People und Menschen, die hier ganz normal Urlaub machen, aber auch gerne mal abends Heino vorm Schlafengehen anschauen“, sagt Wohlfeil.

Der Ballermann bleibt – nur erwachsener

Mallorca hat gelernt, dass man den Ballermann nicht abschaffen kann – aber man kann ihn verändern. Die Saison 2025 hat gezeigt, dass der Weg funktioniert: weniger Krawall, mehr Konzept. Das Bier fließt weiter – aber in offenbar etwas kontrollierteren Bahnen.

Der neue Ballermann soll kein Ort der Eskalation mehr  sein – sondern der Inszenierung. Und genau das scheint das Rezept für die Zukunft zu sein.