Urologe appelliert an Männer: "Sperma ist kein Tabu, sondern ein Frühwarnsystem"

Männer sind oft überrascht. Das erleben wir in der Urologie immer wieder, wenn wir erklären: Eine Sperma-Analyse, ein Spermiogramm, kann Hinweise auf den gesamten Gesundheitszustand geben.

Eine aktuelle Publikation im Fachblatt "Nature Reviews Urology" unterstreicht genau diesen Punkt: Die Qualität des Ejakulates steht in engem Zusammenhang mit der allgemeinen Gesundheit des Mannes. Männer mit auffälligen Spermienparametern – etwa einer sehr geringen Zahl, schlechter Beweglichkeit oder veränderten Formen – haben in vielen Studien ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselstörungen und sogar eine verkürzte Lebenserwartung.

Diese Erkenntnisse sollten wir ernst nehmen. Denn sie zeigen, dass der Blick ins Mikroskop nicht nur für Paare mit Kinderwunsch wichtig ist, sondern als Teil einer umfassenden Vorsorge verstanden werden kann.

Über den Experten

Christian Wülfing ist Chefarzt der urologischen Abteilung der Asklepios Klinik Altona in Hamburg und seit 2005 APL-Professor der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. Der Facharzt für Urologie ist außerdem verantwortlicher Arzt für die Gesundheitsplattform „GoSpring“ .

Sperma kann frühe Hinweise auf Diabetes und Bluthochdruck liefern

Wenn Männer ihr Ejakulat untersuchen lassen, erhalten wir nicht selten Hinweise, die über die Fruchtbarkeit hinausgehen. Ein auffälliges Ergebnis kann Anlass sein, Blutwerte, Hormone oder auch Herz-Kreislauf-Risiken genauer zu betrachten. In manchen Fällen haben wir dadurch frühe Hinweise auf Diabetes oder Bluthochdruck erkannt – Erkrankungen, die sonst vielleicht noch Jahre unentdeckt geblieben wären.

Das bedeutet nicht, dass jedes schlechte Spermiogramm eine ernste Krankheit ankündigt. Aber es lohnt sich, aufmerksam hinzusehen und nicht vorschnell abzuwinken. Für mich als Urologen ist es ein Türöffner, mit Männern über Lebensstil, Ernährung, Bewegung und Prävention zu sprechen – Themen, die sie von sich aus oft nur ungern ansprechen.

Was Männer konkret tun können

Natürlich lässt sich die Spermienqualität nicht losgelöst vom Alltag betrachten. Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Übergewicht belasten nicht nur Herz und Kreislauf, sondern auch die Fruchtbarkeit. Umgekehrt sehen wir, dass Männer, die ihren Lebensstil umstellen, in vielen Fällen auch ein verbessertes Spermiogramm haben.

Studien zeigen zudem, dass Mikronährstoffe wie Zink, Selen oder Carnitin in bestimmten Fällen helfen können. Aber wichtig ist: Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für gesunde Gewohnheiten – sie können nur unterstützen, nicht die Grundlage schaffen.

Appell: Sperma untersuchen lassen

Meine Erfahrung ist: Wer sein Sperma untersuchen lässt, gewinnt mehr als nur Gewissheit über die eigene Zeugungsfähigkeit. Es ist eine Chance, die Gesundheit als Ganzes in den Blick zu nehmen. Deshalb appelliere ich an Männer, Scham abzulegen und das Thema offen anzugehen.

Das Sperma ist kein Tabu – es ist ein biologisches Frühwarnsystem

Wer es ernst nimmt, kann nicht nur seine Chancen auf Nachwuchs verbessern, sondern auch aktiv etwas für seine langfristige Gesundheit tun.

  • Ein Spermiogramm zeigt mehr als nur die Fruchtbarkeit – es kann indirekt Hinweise auf Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen liefern.
  • Auffällige Werte sollten Anlass sein, auch den Lebensstil zu überprüfen und weitere Gesundheitschecks beim Arzt einzuleiten.
  • Rauchen, Alkohol, Übergewicht und Bewegungsmangel sind die größten Feinde gesunder Spermien.
  • Verbesserungen brauchen Zeit: Spermien reifen über etwa 70 Tage – Veränderungen werden erst nach Monaten sichtbar.
  • Ein auffälliges Spermiogramm ist kein Grund zur Panik, sondern eine Chance, früh gegenzusteuern.