Das steckt dahinter, wenn Busfahrer an der Haltestelle vorbeifahren

Es gibt diese Momente, die jeder kennt: Man steht an der Haltestelle, schaut erwartungsvoll auf den herannahenden Bus. Und dann das Unglaubliche. Der Bus rollt einfach vorbei, der Fahrer schaut nach vorne, und man selbst bleibt verdutzt mit fragendem Blick zurück. 

„Hat der mich etwa übersehen?“ fragt man sich. Als Busfahrer kann ich sagen: Nein, meistens nicht. Und ich erzähle gern, warum so etwas passiert. Warum das alles viel weniger dramatisch ist, als es im ersten Moment scheint.

Der Fahrplan ist kein Wunschkonzert

Zunächst einmal: Wir Busfahrer fahren nicht einfach irgendwo hin, wie’s uns gerade passt. Wir folgen einem präzisen Fahrplan, einer Art „heiligen Schrift“ des Nahverkehrs. Darin steht genau, welche Haltestellen wann angefahren werden und manchmal eben auch, welche ausgelassen werden. 

Viele Linien haben verschiedene Varianten: mal als Schnellbus, mal als Schulbus, mal als Verstärker im Berufsverkehr. Für uns ist das klar geregelt! Für Fahrgäste wirkt das aber verständlicherweise verwirrend.

Dann gibt’s da noch die Tücken des Alltags: Baustellen, Umleitungen, gesperrte Haltestellen. Auf unserer Seite sieht das oft so aus: Wir wissen, dass dort jemand wartet, aber auf unserem Linienblatt steht fett gedruckt „Halt entfällt“. Da hilft kein Augenzwinkern – wir müssen weiterfahren, selbst wenn’s uns selbst leid tut.

Martin Binias, bekannt als „Herr Busfahrer“, ist Influencer und aktiver Busfahrer. Mit Humor und Reichweite macht er den ÖPNV nahbar, schafft Verständnis für den Berufsalltag und wurde mehrfach ausgezeichnet. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Missverständnisse und Mitgefühl

Manchmal liegt’s auch einfach an der Linienvielfalt. Wenn auf einer Straße mehrere Linien unterwegs sind, kann es vorkommen, dass ein Bus fast genauso aussieht wie „Ihrer“, aber eben in eine ganz andere Richtung fährt. 

Wir Fahrer merken dann oft, wie draußen jemand hoffnungsvoll den Arm hebt und dann enttäuscht die Hand wieder sinken lässt, wenn wir vorbeiziehen. Glauben Sie mir: Wir sehen das, und wir fühlen mit.

Auch für die Leute im Bus ist so eine Situation verwirrend. „Warum hält der denn da nicht?“, fragt dann jemand, während die Haltestelle am Fenster vorbeizieht. In solchen Momenten wünschen wir uns manchmal eine Humor Taste: „Keine Sorge, liebe Fahrgäste – das ist so gewollt!“

Die Unternehmen versuchen, so gut es geht zu informieren. Mit Ansagen, Anzeigen und mittlerweile richtig guten Apps. Trotzdem: Der beste Tipp ist, vor Fahrtantritt kurz in die Verbindung zu schauen. Das erspart so manche Überraschung und vielleicht auch das wilde Winken, wenn der Bus schon vorbeischiebt.

Kein böser Wille – nur ein genauer Plan

Ich kann versprechen: Kein Busfahrer dieser Welt fährt aus Spaß an der Freude an jemandem vorbei. Wir haben selbst ein Herz, wir wissen, wie sich Warten in der Kälte oder im Regen anfühlt. Doch wir haben auch Verantwortung: für Pünktlichkeit, Sicherheit und den gesamten Linienablauf.

Wenn ein Bus an einer Haltestelle vorbeifährt, steckt dahinter kein böser Wille, sondern meist ein genauer Plan. Für uns Fahrer ist das manchmal genauso unangenehm wie für Sie. 

Wir sitzen vorn nicht als strenge Regelausführer, sondern als Menschen, die ihren Job gut machen und möglichst alle ans Ziel bringen wollen: sicher, pünktlich und mit einem Lächeln.

Und falls Sie das nächste Mal an der Haltestelle stehen und ein Bus einfach vorbeifährt: Ärgern Sie sich nicht zu sehr. Vielleicht winke ich Ihnen gerade aus dem Fahrersitz freundlich zu – und denke: „Bis zum nächsten Mal, an der richtigen Haltestelle!“