Passionsspiele in Erding bringen moderne Interpretation

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Bereit für die Passion (v.l.): Georg Bauernfeind als Simon, Simon Lanzinger (Jakobus der Jüngere), Stadtpfarrer Martin Garmaier, Benedikt Klingbeil (Römer), Uwe Becke (Andreas), Stefan Walter (Johannes), Guido Gamauf (Petrus), Wolfgang Mai (Jesus), Regisseurin Renate Eßbaumer, Thomas Gruber (Judas), Jutta Emberger (Soufleuse beziehungsweise Maske), Christoph Mayr (Jakobus der Ältere) und Harry Seeholzer (Thomas). © Dieter Priglmeir

Die Pfarrgemeinde St. Johannes und die Volksspielgruppe Altenerding kooperieren bei einem besonderen Projekt. Gemeinsam bringen sie im Frühjahr 2026 eine szenische Passion auf die Bühne – beziehungsweise in die Liturgie.

„Wir sind nicht Oberammergau, wir sind doch nicht größenwahnsinnig.“ So hat Renate Eßbaumer zwei Jahre lang Martin Garmaiers Idee und unermüdliches Nachfragen abgetan – bis sie sich dann doch entschloss, den Text zu schreiben. Damit beginnt die außergewöhnliche Kooperation zwischen der Pfarrgemeinde St. Johannes und der Volksspielgruppe Altenerding. Gemeinsam bringen sie im Frühjahr 2026 eine szenische Passion auf die Bühne – beziehungsweise in die Liturgie. Ab 13. März werden an drei Freitagabenden vor und dann am Karfreitag jeweils rund 20-minütige Teile der Passionsgeschichte in die Wortgottesdienste in der Stadtpfarrkirche eingebaut.

Ein Novum? „Ich wüsste zumindest nicht, dass es das woanders gibt oder schon mal gegeben hat“, sagt Garmaier. Die Gläubigen erwartet eine Art spirituelles Theater in Etappen: zunächst das Abendmahl, dann die Gefangennahme Jesu und die Verurteilung. Am Karfreitag folgt die Kreuzigung – nicht gelesen, sondern gespielt. Zum Abschluss geht es am Ostermontag um die Auferstehung. Man werde da aber nicht den auferstandenen Jesus zeigen, sondern diejenigen, die die frohe Botschaft verkünden, verrät Eßbaumer.

Der Text stand in fünf Tagen

Die Bühnenautorin führt auch Regie. Ursprünglich wollte Garmaier ausschließlich mit Ministranten und Chormitgliedern arbeiten – „aber so ein Werk nur mit Anfängern, das hätte ich mich nicht getraut“, sagt Eßbaumer. Deshalb sei die Kooperation mit der Volksspielgruppe entstanden. Die Besetzung nun: zur Hälfte erfahrene Bühnenleute, der Rest Neulinge, auch Ministranten.

Den Text schrieb Eßbaumer „in den Herbstferien – am ersten Ferientag angefangen, am Freitag war die Grundversion fertig“. Seitdem wurde gefeilt und verändert: „Manches habe ich liturgisch nicht gewusst. Und ich habe mich lange gegen die Auferstehung gewehrt – aber der Jesus-Darsteller hat mich dann überzeugt.“

Jeder Teil der Aufführung stellt eine biblische Figur in den Mittelpunkt. Die Kirchenbesucher dürften sich auf eine moderne Interpretation freuen, so Eßbaumer: „Sie werden einen modernen Jesus erleben, einen modernen Pilatus. Und wir spielen auch aus dem Publikum heraus.“ Die Geschichte sei zeitlos. „Sie hat alles – Neid, Eifersucht, Liebe, Verrat, die Klassiker eben.“ Und Stadtrat Harry Seeholzer, der den Apostel Thomas spielt, meint augenzwinkernd: „Das ist wie eine gute Netflix-Serie.“

Insgesamt wirken rund 50 Personen mit. Auch die Ausstattung ist aufwendig – allein die Römerausrüstung würde 200 Euro pro Mann kosten, rechnet Eßbaumer vor. „Und mindestens zehn Römer brauchen wir, sonst schaut das komisch aus, wenn Jesus nur von zwei verhaftet wird.“ Die Kirchenverwaltung, so Garmaier, unterstützt mit 2000 Euro.

Jesus-Darsteller hatte Zweifel

Ob es sich in anderer Hinsicht auszahlt? „Es geht nicht bloß darum, dass mehr Leute in die Kirche kommen, sondern dass sie angesprochen werden – auch von dieser Botschaft“, sagt Garmaier.

Die Akteure freuen sich schon jetzt darauf. Dabei wollte Wolfgang Mai anfangs gar nicht Jesus sein. „Aber nach einem Gespräch mit Martin (Garmaier, Anm. d. Red.) bin ich nochmal ins Gebet gegangen und habe keinen Widerspruch bekommen. Dann war ich bereit.“ Selbst Thomas Gruber, der den Judas verkörpert, freut sich über seine Rolle: „Ich habe mich für alle männlichen Rollen beworben – Römer, Fußvolk oder Jesus. Dann hieß es: Du kriegst etwas Besonderes. Und das ist es ja auch – und motiviert mich.“

Auch die Anfänger sind mit Begeisterung dabei. Ministrant Simon Lanzinger, der Jakobus den Jüngeren spielt, erzählt: „Nach dem Gottesdienst hat mich der Pfarrer gefragt, ob ich Lust habe mitzumachen. Ich hab’s mir mit meinem Bruder überlegt und gesagt: Eigentlich wäre das eine super Sache. Ich habe keine Erfahrung – außer in der vierten Klasse beim Krippenspiel stand ich noch nie auf der Bühne.“

Ab Januar beginnen die Proben, ab 13. März wird Erding dann tatsächlich zu einem kleinen Oberammergau.