Sie oder Ihre Nachbarn? 5 Zahlen zeigen, für wen das Geld zuerst knapp wird

Im August sagt Ramona Pop, was viele Menschen in Deutschland bis heute denken, was aber nicht mehr stimmt. "Eine gesunde, nachhaltige und abwechslungsreiche Ernährung darf nicht vom Geldbeutel abhängen", fordert die Berliner Grünen-Politikerin und Vorsitzende der Bundes-Verbraucherzentrale. Gerade gesundes Essen sei aber besonders von der Inflation betroffen. Die Schwarz-Rote Regierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) müsse endlich handeln.

Pops Aussage, während der Hochinflation ab 2022 durchaus zutreffend, spiegelt weiter die Überzeugung vieler Menschen in Deutschland. Die Inflation treffe besonders ärmere Menschen. Salate könnten sich viele nicht mehr leisten. Und veganes Essen sowieso nicht.

Doch neue Inflationszahlen legen eine andere Sicht nahe: 

  • Wenn Sie Fleisch essen und Ihr Nachbar nicht, zahlen sie deutlich mehr für Lebensmittel als vor einem Jahr und er deutlich weniger.
  • Wohnt ihr Nachbar im größeren Haus, spart er gleich doppelt.
  • Heizt Ihr Nachbar außerdem mit Öl oder Strom und Sie mit Gas oder Fernwärme, gehört er zu den großen Inflations-Gewinnern und Sie zu den großen Verlieren.

Fünf Punkte erklären, wie sich die Inflationswelt binnen weniger Monate gedreht hat.

1. Im Durchschnitt haben alle mehr - aber nur im Durchschnitt

Die vergangenen Monate haben ein Problem gelöst: 

  • In der Hochinflationsphase der vergangenen Jahre stiegen die Preise in Deutschland schneller als die Löhne. Die Menschen konnten sich weniger leisten.
  • Inzwischen haben die Löhne aufgeholt. Im Vergleich mit dem Jahr 2019 – vor Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg – sind die Löhne jetzt stärker gestiegen als die Preise. Die Menschen in Deutschland können sich jetzt also mehr leisten als vor den Krisen.
  • Diese Aussage gilt aber nur im Durchschnitt. Im Detail offenbaren die Zahlen bemerkenswerte Entwicklungen, die sich im vergangenen Jahr teils gedreht haben. Einige profitieren besonders, andere zahlen noch drauf.

2. Salat-Fans sparen, Burger-Fans essen teuer

Bleiben wir beim Beispiel mit Ihnen und Ihrem Nachbarn: Isst einer von Ihnen besonders gesund, gehört er überraschenderweise zu den Gewinner der Inflation.

  • Die Preise für Gurken, Kartoffeln, Auberginen und Mais sind in den vergangenen zwölf Monaten um zwölf bis 25 Prozent gesunken. Die Preise für Olivenöl sanken um rund ein Viertel. Wer gemischten Salat mag, ernährt sich heute deutlich günstiger als vor einem Jahr.
  • Fleisch verteuerte sich hingegen in den zurückliegenden zwölf Monaten weiter, Rinderhackfleisch beispielsweise um knapp 20 Prozent.
  • Das vergangene Jahr hat sogar den Langfrist-Trend umgekehrt: Im Vergleich zum September 2019 sind die Preise für Obst und Gemüse nach heutigem Stand deutlich weniger gestiegen als die Preise für Fleisch. Kosten stehen gesunder Ernährung also immer weniger im Weg.
  • Dazu passt: Schokoladentafeln, Kakaopulver und Pralinen verteuerten sich im Vergleich zum Vorjahr um bis zu ein Drittel. Wer gerne süß isst, erlebte mehr Inflation als Nicht-Nascher.

Dazu passend verteuerten sich alkoholfreie Getränke im September im Vergleich zum Vorjahr mit rund acht Prozent deutlich stärker als der Durchschnitt aller Produkte. Wer seinen Durst mit Wasser aus der Leitung stillt statt mit Softdrinks, senkt seine persönliche Inflationsrate.

Natürlich stimmt weiter: Fast Food kostet weniger als Bio-Essen. Der Griff zu Salat statt Burger schadet dem Geldbeutel heute aber deutlich weniger als vor einem Jahr und sogar weniger als 2019.

3. Haushalte mit Ölheizung sparen - Gas-Haushalte zahlen drauf

Zweite Überraschung: Trotz Gesetzen und Steuern, die fossiles Heizen verteuern sollen, gehören ausgerechnet die Haushalte mit Ölheizung zu den Gewinnern der Inflation:

  • Heizöl verteuerte sich seit 2019 durchschnittlich um knapp 3 Prozent im Jahr. Deutlich weniger als andere Heizarten.
  • Strom verteuerte sich vergleichsweise wenig. Gut für alle Wärmepumpen-Besitzer.
  • Die Preise für Kohlebriketts haben sich in den zurückliegenden sechs Jahren hingegen fast verdoppelt. Die Preise für Gas, Fernwärme und Holz legten ähnlich zu: Alle genannten Heizarten verteuerten sich über die genannte Zeit um rund zehn bis elf Prozent im Jahr. Deutlich mehr als Öl und Strom.

In den vergangenen zwölf Monaten sanken die Energiepreise sogar um 0,7 Prozent. Zwar sanken sie im Schnitt schwächer als im Juli (-3,4 Prozent) und August (-2,4 Prozent) allein gesehen. Aber sie sanken.

Bewohner großer Häuser heizen im Durchschnitt mehr als Bewohner kleinerer Häuser. Sie profitieren daher stärker vom Rückgang: Wer auf vielen Quadratmetern lebt, hat jetzt mehr Geld zusätzlich übrig als sein Nachbar, wenn dieser auf weniger Quadratmetern lebt. Auch eine Neuerung.

4. Autofahrer verlieren, alle anderen gewinnen

Zumindest preislich stehen Bus- und Bahnfahrer heute deutlich besser da als vor sechs Jahren. 

  • Tickets für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) kosten im Durchschnitt heute weniger als vor sechs Jahren. Weil gleichzeitig die Löhne stiegen, zahlen sie einen deutlich geringeren Teil ihres Einkommens für Transport. Dem 58-Euro-Ticket sei Dank.
  • Die Preise für Autos, Reparaturen und Kfz-Versicherungen stiegen seit 2019 um ein bis zwei Drittel. Der eigene Wagen verteuerte sich damit deutlich schneller als die durchschnittliche Inflation.

Billiger von A nach B als vor sechs Jahren oder um ein bis zwei Drittel teurer - eine große Spanne.

5. Gutverdiener zahlen am meisten drauf

Ebenfalls neu: Zuletzt traf die Inflation Gutverdiener stärker als Geringverdiener.

  • Die Inflationsrate für Gutverdiener überstieg die Rate für Geringverdiener in allen Fällen.
  • Das dürfte vor allem an Dienstleistungen liegen, von denen Gutverdiener mehr beanspruchen: Dienstleistungen verteuerten sich wegen höherer Löhne im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent. Deutlich mehr als die durchschnittliche Inflationsrate.
  • Geringverdiener geben einen höheren Teil ihres Gehalts für Lebensmittel aus. Diese verteuerten sich im Mittel langsamer als Dienstleistungen. Dadurch lag ihre Inflationsrate niedriger. 

Inflationswelt dreht sich bald schon wieder

Die Änderungen der vergangenen Monate setzen sich so nicht ewig fort, erwartet das IMK. 

Einiges spricht beispielsweise dafür, dass sich die Preise für alle Lebensmittel bald entspannen, inklusive Fleisch: 

  • Sehr gute Ernten,
  • Mehr Anbauflächen hierzulande,
  • Überwundener Höhepunkt bei der Rinderblauzungenkrankheit,
  • Sinkende Preise bei Butter und Margarine,
  • Angekündigte Preissenkungen bei Käse. 

Gut möglich also, dass auch die Preise für Rinderhack ihren Höhepunkt erreicht haben. Der Veganer-Bonus könnte bald enden.

Gleiches gilt für die Energiepreise, bei denen sich die Sondersituationen der vergangenen Jahre kaum so wiederholen sollten. Künftig entwickeln sich die Preise von Öl, Gas und Strom wohl ähnlicher als zuletzt.

Schließlich dürften die Preise im ÖPNV wieder steigen: Das 58-Euro-Ticket kostet wohl schon bald mehr. Dann verringert sich auch der Unterschied zu den Autokosten. 

Gleich bleiben könnte hingegen, dass Geringverdiener weniger unter Inflation leiden: Sinken die Lebensmittelpreise, entlastet sie das wie erwähnt stärker, weil sie einen höheren Teil ihres Einkommens für Essen ausgeben als Gutverdiener. 

Egal ob Sie oder Ihre Nachbarn bislang besser durch die Inflation gekommen sind – im kommenden Jahr gewinnen und verlieren wohl wieder andere Haushalte.