Hier kommt eine Nachricht, die Anlegerinnen und Anlegern nicht gefallen dürfte: Die Chancen stehen gut, dass Sie eigentlich mehr sparen müssten, als Sie gerade tun. Denn bei allen möglichen Risiken, die Sie bei Ihrer Anlage im Blick behalten, haben Sie vermutlich ein Risiko übersehen: den Klimawandel.
„Früher oder später existenzielle Probleme“
Der jedoch, sagt Unternehmerin Stephanie Feigt, kann bei der Anlagestrategie einen ordentlichen Strich durch die Rechnung machen. „Es ist doch wichtig zu verstehen, dass der Klimawandel sehr konkrete und zumeist negative Auswirkungen auf meine Altersvorsorge hat“, sagt Feigt. „Und wenn ich nichts dagegen tue, dann kriege ich eher früher als später existenzielle Probleme, die kein Mensch haben möchte.“
Mit ihrem Unternehmen 3rd-Eyes will Feigt hier ansetzen: Eine für Vermögensberater und Finanzen entwickelte Software soll dabei helfen, die Risiken für Anleger auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Ziel besser sichtbar zu machen. Eines dieser Risiken: der Klimawandel. „So wie wir seit langem die Inflation mitdenken, müssen wir damit beginnen, auch den Klimawandel mitzudenken“, sagt Feigt.
Die lange Liste der Risiken
Tatsächlich ist der negative Effekt des Klimawandels auf die Gesamtwirtschaft hinlänglich belegt. 3rd-Eyes stützt sich in seinen Modellen stark auf die Arbeit des US-Wirtschaftswissenschaftlers William Nordhaus, der im Jahr 2018 den Nobelpreis für die Integration des Klimawandels in makroökonomische Modelle erhalten hatte. Die Liste an möglichen Folgen des Klimawandels für die Wirtschaft ist lang:
- Naturkatastrophen können Logistik-Ketten unterbrechen oder Produktionsstätten beschädigen, der Börsenwert des betroffenen Unternehmens fällt.
- Hitzewellen und Dürreperioden zerstören landwirtschaftliche Erträge, worunter Agrar- und Lebensmittelkonzerne leiden.
- Immobilien in Küsten- und Ufernähe verlieren an Wert, mit Konsequenzen für Banken und Immobilienfonds.
- Die Transformation zu klimafreundlichen Technologien verpasst bislang verlässlichen Geschäftsmodellen ein Ablaufdatum – etwa Kohlekraftwerke oder Zulieferer für Verbrennungsmotoren.
- Politische Klima-Regulierungen (etwa der CO2-Preis) belasten manche Branchen stärker als andere.
- Versicherungsprämien steigen durch die wachsende Zahl von Extremwetter-Phänomenen, was eine zusätzliche finanzielle Belastung für Unternehmen darstellt.
250 statt 170 Euro im Monat
Viele Dinge also, über die man sich als Anlegerin oder Anleger Sorgen machen kann. Aber ist der Klima-Effekt aufs Portfolio wirklich so groß? Ja, sagt zumindest die Software. Im schlimmsten Klimawandel-Szenario, rechnet Feigt vor, müsste eine 20-jährige Frau 250 Euro im Monat sparen statt wie bisher 170 Euro, um im Alter ihre finanziellen Ziele zu erreichen. „Und das ist dann schon ein erheblicher Unterschied“, sagt Feigt.
Mit Klima-Aktivismus habe der Risikoradar von 3rd-Eyes daher auch nichts zu tun, betont die Gründerin – sondern einfach mit Mathematik. Das Thema Klimawandel sei nicht essentiell, „weil wir besonders grün oder nachhaltig sein wollen“. Sondern, so Feigt, „weil wir wissen, dass der Klimawandel schon jetzt und in Zukunft sehr wahrscheinlich noch stärker negativen Einfluss auf viele Vermögenswerte haben wird.“
„Wir rechnen mit tausenden Szenarien“
Und wie funktioniert das in der Praxis? Feigt zeigt einen überraschend simplen Bildschirm für eine typische Anlegerin. Ein Graph zeigt, wie viel die Anlegerin pro Monat investiert, was ihr Vermögensziel fürs Alter ist – und wann sie dieses Ziel erreicht. Mit einem Mausklick lassen sich verschiedene Klimawandel-Szenarien einbeziehen, optimistischere Varianten sind ebenso dabei wie eher düstere Aussichten.
Je nach Szenario und je nach eigener Anlage-Strategie bewegt sich die Kurve mal mehr, mal weniger nach rechts – das Ziel verschiebt sich nach hinten. Wer sein Portfolio anpasst, etwa mit nachhaltigeren und resilienteren Investments, kann die Kurve wieder nach links verschieben. Als positiven Nebeneffekt verringern Anleger also auch nicht selten ihren eigenen CO2-Fußabdruck.
Mit dem Tool von 3rd-Eyes können Banken und Vermögensberater ganz individuell ihre Kunden beraten, statt lediglich standardisierte Pakete anzubieten, sagt Feigt: „Unsere Software berücksichtigt grundsätzlich alle Risiken, die das künftige Vermögen jedes Bankkunden beeinflussen können. Wir rechnen mit tausenden Szenarien.“ Eines dieser Risiken: Der Klimawandel.
Die komplexe neue Generation
Interessant sei die Software daher vor allem im Umgang mit jüngeren Kundinnen und Kunden, erklärt die Gründerin – ein Anleger Mitte 60 ist den Risiken des Klimawandels nicht mehr so ausgesetzt wie ein Anleger Mitte 20. „Wir haben gerade einen Generationenwechsel bei den Vermögenswerten“, sagt Feigt. Junge Erbinnen und Erben wollen individueller beraten werden, auch digitaler. „Und natürlich stellt die junge Generation auch viel häufiger die Frage: Und was ist mit dem Klimawandel, muss ich den auch berücksichtigen?“
Eine Frage, auf die Finanzinstitute oft noch keine Antwort hätten, glaubt Feigt. Das Thema Klimawandel sei bei vielen Banken und Beratern noch „im Stealth-Modus“. Viele Banken, so die Unternehmerin, „positionieren sich bis dato gar nicht als innovativer und offensiver Anbieter für Nachhaltigkeit und verschlafen dadurch Marktchancen – so ähnlich wie lange Zeit auch die deutschen Automobilhersteller bei der Elektromobilität. Die sind inzwischen aber aufgewacht.“
Langsam jedoch kommen auch die Risiken des Klimawandels in der Finanzwelt an. Zu den Kunden von 3rd-Eyes gehört unter anderem die große Schweizer Versicherungs- und Beratungsgesellschaft Swiss Life. Ein Trend, der trotz des aktuellen Gegenwinds für nachhaltige Finanzanlagen nicht abnehmen wird, glaubt die Unternehmerin. „Man weiß, dass Unternehmen, die nachhaltig agieren, auf längere Sicht erfolgreicher sind“, sagt Feigt. „Das ist heutzutage keine Frage mehr, glaube ich. Das ist absolut Common Sense.“