Vom Gardasee bis ans Eismeer: Valentine Gesché radelte durch Regen, Wind und Zweifel – und fand auf dem Weg zum Nordkap ihr ganz persönliches Glück.
München/Egling– Sie hatte nicht danach gesucht, aber kurz vor dem Nordkap, auf dem Fahrrad am Eismeer, da fand sich Valentine Gesché selbst. 22 Tage war sie unterwegs: vorbei an italienischen Weinbergen, über die Alpen, durch dunkle Wälder und entlang historischer Alleen. Am Gardasee startete die 39-Jährige in diesem Sommer gemeinsam mit rund 500 Abenteurern aus aller Welt zum „NorthCape4000“ – und radelte mehr als 4000 Kilometer und über acht Länder bis in den hohen Norden.

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„Das sind 500 individuelle Träume, die in Erfüllung gehen konnten – der Fokus liegt auf dem Abenteuer.“ Lediglich die Route war vorgegeben. Alles andere – von Unterkunft und Verpflegung bis hin zur täglichen Etappenlänge – lag in der Verantwortung der Radler. Unterwegs warteten vier Kontrollstationen, an denen sich die Fahrradfahrer ihre Stempel abholen mussten.
Die 39-Jährige ist in Egling aufgewachsen und hat am Gymnasium in Bad Tölz ihr Abitur abgelegt. Heute lebt Gesché in München – ihre Verbundenheit zu ihrer Heimat ist jedoch geblieben. Auf ihrer Tour zum Nordkap legte sie in Bad Tölz einen Zwischenstopp ein. „Ich wusste einfach, da muss ich hin“, erzählt sie. Auch durch Wolfratshausen führte ihre Route. „Ich habe kurz überlegt, einen kleinen Abstecher nach Egling zu machen“, erinnert sich Gesché. Schließlich blieb es bei der Idee – doch ganz ohne Egling ging es nicht: „Ein Freund aus dem Ort hat mich unterwegs überrascht und mir begeistert zugejubelt.“
2022 machte Gesché ihre erste große Radltour – von München nach Hamburg. Das waren insgesamt 1100 Kilometer, pro Tag fuhr die Geschäftsführerin rund 110 Kilometer. „Ich hab einen kleinen Umweg gemacht und eine Freundin besucht“, fügt sie hinzu. Davor legte die 39-Jährige nie mehr als 50 Kilometer am Stück zurück. „Das war eine spontane Entscheidung. Ich brauchte einfach eine Kombi aus Urlaub und Aktivität.“
Ihre Freunde teilen diese Leidenschaft nicht. Als Gesché von ihrem Plan erzählte, beim „NorthCape4000“ mitzufahren, reagierten viele gespalten. „Sie fanden es schön, hielten mich aber auch für verrückt“, sagt die 39-Jährige lachend. Also startete sie ihre Tour in Rovereto allein. Erst auf der Fähre von Swinemünde nach Ystad lernte sie zwei weitere Teilnehmerinnen kennen. „Mit den Mädels bin ich dann den Rest des Weges geradelt.“
Für Gesché lag das große Glück dieser Reise in den vielen kleinen Momenten. Ihr Highlight: „An einem Tag stellte sich heraus, dass wir statt 70 noch 90 Kilometer fahren mussten – wir waren völlig am Ende und wussten nicht, ob wir weitermachen sollen“, erzählt sie. Die Frauen haderten kurz, kamen jedoch schnell zum Entschluss: „Egal, wir fahren das jetzt.“ Eine gute Entscheidung – denn was sie dann erlebten, raubte ihnen den Atem: ein schmaler Landstreifen, links und rechts Wasser, auf einer Seite der Sonnenuntergang und auf der anderen schon die Sterne. „Das war einfach magisch. Ich bin so dankbar, dass ich das erleben durfte.“ In solchen Momenten, sagt sie, verschwänden alle Zweifel.
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Aufgeben kam für Gesché ohnehin nicht infrage. „Ich habe gesehen, wie andere zweifeln und abbrechen wollten. Für mich war das nie ein Gedanke“, betont sie. „Diese Reise hat mir nochmal bewiesen, dass dieses Glücksgefühl, nach dem wir alle streben, wirklich in den kleinen Momenten steckt.“ Selbst der Dauerregen in der ersten Woche konnte ihr das nicht nehmen.

Auf der Tour habe sie sich selbst neu entdeckt. „Mentale Stärke entscheidet bei solchen Abenteuern, wer oben ankommt – und ich habe erkannt, wie ausgeprägt meine ist“, sagt sie stolz. Noch Monate später erinnert sich Gesché mit einem breiten Grinsen an diese ereignisreiche Tour. „Ich habe im Radfahren mein Lebensgefühl gefunden.“
Bei dem Rennen würde sie trotzdem nicht nochmal mitmachen. „Es gibt viele neue Abenteuer, die man erleben kann“, sagt sie. „Außerdem verfliegt dann die Magie des ersten Mals. So bleibt es unvergleichbar.“ Ein neues Projekt plant sie bereits – wohin es geht, weiß sie noch nicht. „Vielleicht nach Westen, vielleicht in den Osten“, meint sie mit Vorfreude.
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Für alle, die selbst ein Radabenteuer wagen wollen, hat sie einen klaren Rat: „Den Moment genießen und das Ziel im Blick behalten. Einfach sagen: Da fahre ich jetzt hin – komme, was wolle.“ Wichtig sei, sich bewusst zu machen, wie besonders jeder einzelne Augenblick ist. „Jeder sollte etwas finden, das ihn erfüllt und glücklich macht – sonst ergibt das Ganze keinen Sinn“, sagt sie. „Und dann: über alle Zweifel hinaus, einfach mal wagen.“