Bizarres Urteil zu Gebühren: Bei ARD und ZDF scheint die Sonne immer – irgendwo

Haben Sie vielleicht gerade Hunger? Sie müssen sich kein Essen zu machen. Irgendwo auf der Welt stellt sich bestimmt gerade einer etwas Leckeres auf den Tisch. Holt der Herbst-Blues Sie gerade ein? Vergessen Sie zähen Nebel, kurze Tage und lange Dunkelheit – die Sonne scheint ja doch, nur eben gerade nicht über Ihnen. Sie sind müde von einer langen Arbeitswoche? Ach was, irgendwo steht gerade jemand bestens ausgeschlafen auf und strotzt vor Energie.

Sie sind trotzdem hungrig, deprimiert und müde? Blöd, das heißt Realität. Und die schöne, hilfreiche, befreiende Anderswo-Welt? Dieses Allheilmittel beschäftigt, ausgerechnet, das Bundesverwaltungsgericht. Und das greift mit seiner Sicht der Welt dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und seiner Finanzierung unter die Arme.

Freiheit von den „Zwangsgebühren“ der Öffentlich-Rechtlichen?

Es geht um unsere Rundfunkgebühren, von manchem als Zwangsgebühren empfunden. Und so geht die Logik für das Bundesverwaltungsgericht: Eigentlich ist alles ja gut – vielleicht nicht bei Ihnen oder für mich. Aber irgendwo doch ganz bestimmt. Die Entscheidung sieht mancher als Geschenk für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Immerhin zeigt sie auch auf: Es gibt eine Chance für Gegner. Zumindest theoretisch.

Was geschehen war? Eine Frau aus Bayern hatte geklagt. Vom Oktober 2021 bis März 2022 hatte sie keinen Rundfunkbeitrag zahlen wollen. Ihre Begründung: ARD, ZDF und Deutschlandradio bieten in ihrer Wahrnehmung kein vielfältiges und unabhängiges Programm, sondern dienen als – Zitat – „Erfüllungsgehilfen staatlicher Meinungsmacht“. Kein Grund für sie, das mit ihren Gebühren zu finanzieren.

Premiere fürs Bundesverwaltungsgericht

Es ist eine Premiere, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit diesem Thema beschäftigen musste. Über das Ergebnis berichten die Fernsehsender in ihren Hauptnachrichten ausführlich – bestens platziert zwischen so bedeutenden Themen wie Wehrpflicht und Aktivrente, Zehn-Milliarden-Investition für Drohnensicherheit und Geiseltod im Gaza-Streifen. 

Das zeigt, wie wichtig ihnen die Nachricht in eigener Sache ist. „Kann man sich weigern“, so die Frage, „den Rundfunkbeitrag zu zahlen, weil einem das Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht ausgewogen genug ist?“ Und dann spielt die ARD-„Tagesschau“ in der mit 5,1 Millionen Zuschauern meistgesehenen Sendung des Tages einen mehr als zwei Minuten langen Beitrag mit dem Vorsitzenden Richter Ingo Kraft ein. Der erklärt das Urteil des Leipziger Gerichts. 

Der Rundfunkbeitrag sei dann in Frage gestellt, „wenn das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lässt“.

Die Freitagsabrechnung
"Der Diskussion stellen wir uns", verspricht ARD-Vorsitzender Florian Hager ARD

„Unser Auftrag ist ein Programm für alle“

Gleich im Anschluss bewertet die ARD selber das Urteil noch und zitiert den ARD-Vorsitzenden Florian Hager: „Unser Auftrag ist ein Programm für alle, das auch alle erreicht. Der Diskussion, ob uns das gelingt, stellen wir uns.“ 

Das Versprechen kann er gut abgeben. Denn das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Hürde denkbar hochgelegt. Erst wenn für mindestens zwei Jahre im Angebot von Fernsehen bis Internet die Meinungsvielfalt fehlt und nachgewiesen werden kann, könne von einem Missverhältnis zwischen Beitrag und Gegenleistung gesprochen werden.

Von der Anderswo-Welt zur Anderswo-Vielfalt

Das bedeutet: Das Programm, das ich nutze, mag vielleicht einseitig sein und wenig ausgewogen. So lange es aber irgendwo anders im öffentlich-rechtlichen Reich bei Fernsehen, Radio oder Internet etwas gibt, das Vielfalt und Ausgewogenheit herstellt, ist alles okay. Wie gesagt: Irgendwo auf der Welt wird, wenn man das Gesamtangebot würdigt, die Sonne schon scheinen.