EU will Abgasregeln aufweichen – Autobauern drohen sonst Millionenstrafen
Das EU-Parlament entscheidet, ob die strengen Abgasziele für Autohersteller aufgeschoben werden. Das soll der kriselnden Branche helfen. Auch das Verbrenner-Aus könnte wackeln.
Die Zollkeule von US-Präsident Donald Trump, hohe Standortkosten, eine Wirtschaftsflaute und riesiger Investitionsbedarf in die E-Mobilität und die Digitalisierung: Die Probleme in der deutschen Autoindustrie sind groß. Entsprechend laut sind die Klagen. Das betrifft auch die strengen Flottengrenzwerte für CO2,die dazu führen könnten, dass manche Autobauer bald Milliardenstrafen zahlen müssen. Doch ob diese wirklich so kommen werden wie geplant, ist alles andere als klar: Am Donnerstag will das EU-Parlament über einen Aufschub abstimmen. Ein entsprechendes Eilverfahren wurde am Dienstag vom Parlament beschlossen.
2024 durfte die Neuwagenflotte der Autobauer in der EU im Schnitt noch 115 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Seit Januar sind es nur noch 93,6 Gramm CO2. Allein mit Verbrennern ist das nicht mehr zu schaffen. Ein VW Golf Benziner stößt beispielsweise minimal 116 Gramm aus, der Diesel 113 Gramm. Je Gramm Überschreitung pro in der EU verkauften Neuwagen werden 95 Euro Strafe fällig. Allein für einen einzigen Audi Q7 mit Diesel wären das weit über 10 000 Euro. Audi stellt deshalb für 2025 einen dreistelligen Millionenbetrag für das Reißen der Flottengrenzwerte zurück, wie am Montag bekannt wurde.
VW drohen hohe Strafen, BMW nicht
Entsprechend sauer sind viele Hersteller, da die strengen Flottengrenzen ihrer Meinung nach auch noch zu Unzeiten kommen. VW-Chef Oliver Blume fordert etwa „flexible Übergangszeiträume“ von der EU. Genau die will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun gewähren und der Branche damit eine „Atempause“ gönnen. Um drohende Bußgelder zu vermeiden, sollen die Hersteller den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Neuwagen des laufenden Jahres mit den Werten der kommenden zwei Jahre verrechnen können. Wer die Grenzwerte in diesem Jahr verfehlt, könnte das also 2026 und 2027 noch ausgleichen.
Stimmt das Parlament am Donnerstag für von der Leyens Vorschlag, können jene Hersteller aufatmen, die weit über den Grenzwerten liegen. Laut einer Analyse von ICCT ist das vor allem der VW-Konzern. Die VW-Tochter Audi reißt das Limit um satte 33 Gramm, Seat um 27 Gramm. Auch viele Konkurrenten kämpfen: Mazda lag 30 Gramm über den Flottenzielen, Ford 28 Gramm, Nissan und Mercedes je 26 Gramm.
BMW dürfte die Ziele dagegen schaffen, hier ist bereits jedes vierte verkaufte Auto ein E-Auto oder ein Hybrid. In München gibt man sich deshalb betont entspannt. Man werde die CO2-Ziele schaffen, sagte Finanzchef Walter Mertel am Mittwoch bei der Vorstellung der Quartalszahlen. Auch für Kia sieht es gut aus, Volvo liegt sogar 30 Gramm unter der Grenze. Diese ist für jeden Hersteller individuell gesetzt und richtet sich nach dem Gewicht der Fahrzeuge. Wer schwere SUV baut, darf also etwas mehr verbrennen.
So können die Autobauer schon jetzt Strafen vermeiden
Doch die Autobauer haben nicht nur die Möglichkeit, mit dem Verkauf von E-Autos, die mit null Emissionen bilanziert werden, unter die Grenze zu kommen. Auch Plug-in-Hybride gehen mit sehr geringem Ausstoß in die Kalkulation ein. So wird etwa der Audi Q7 Hybrid mit 42 Gramm CO2 geführt – auch wenn die Käufer in der Realität meist den Benzinmotor des Fahrzeugs deutlich öfter nutzen als den E-Antrieb und so weitaus mehr Treibhausgase ausstoßen.

Außerdem können Produzenten sich mit anderen Herstellern in Emissionspools zusammenschließen. Der Grenzwert gilt dann für die gesamte Gruppe. Vor den Lockerungsvorschlägen der Kommission hatten Stellantis, Toyota, Ford und Mazda einen solchen Pool mit Tesla angemeldet. Der US-Hersteller von E-Autos gleicht mit seiner makellosen CO2-Bilanz so gegen hohe Zahlungen die Emissionen der Konkurrenten aus. Mercedes hat mit Polestar und Volvo einen Pool und will dafür 300 Millionen Euro an die beiden Marken abdrücken, die zum Geely-Konzern aus China gehören.
Dank Rabatten ziehen E-Autoverkäufe an
Es gebe also für die Autobauer genug Möglichkeiten, die Grenzwerte einzuhalten, heißt es deshalb aus den Reihen der Grünen im Europaparlament. Eine Aufweichung, wie sie vor allem die konservative EVP-Fraktion befürwortet, zu der auch CDU und CSU gehören, brauche es gar nicht, argumentieren die Grünen. Sie befürchten zudem, dass die Abstimmung am Donnerstag nur ein Testlauf ist, um demnächst auch das für 2035 geplante Verbrenner-Aus in der EU abzuräumen. Hier steht zum Jahresende eine Überprüfung an. Das könnte auch für Streit in der künftigen Bundesregierung sorgen, denn anders als die Union will die SPD am Verbrenner-Aus festhalten.
Währenddessen ziehen die Verkäufe von E-Autos in Deutschland nach einem Durchhänger von 2024 wieder an. Allein im April wurden mehr als 45 500 reine Batterie-Pkw neu zugelassen, wie das Kraftfahrt-Bundesamt am Dienstag mitteilte, 54 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Nahezu jeder fünfte Neuwagen fuhr damit elektrisch. Grund für das wieder steigende Interesse seien die hohen Rabatte, mit denen die Hersteller auch angesichts der drohenden CO2-Strafen die Verkäufe von E-Autos ankurbeln wollen, so das Center for Automotive Research. Im Schnitt hätten Käufer von E-Autos im April 16,7 Prozent Nachlass bekommen. Schiebt die EU die Flottenziele wirklich auf, wird es spannend, ob die Hersteller diese Nachlässe wieder zusammenstreichen.