Trump, Musk, Vance und die AfD – US-Experte warnt Europa: „Würde man aus Russland nicht tolerieren“
Donald Trumps Vize J.D. Vance liefert in München einen massiven Aufreger. Ausgerechnet ein Experte aus den USA warnte Europa kurz zuvor eindringlich.
München – Verteidigungs- und Sicherheitspolitik ist vielfältig. Das betonen auch Fachleute gerne: Inneres, Äußeres, Rüstung, Entwicklung, Prävention ... Aber US-Vizepräsident J.D. Vance hat das Spektrum bei seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz dann doch sehr weit gedehnt. Man müsse sich ja erst einmal einig sein, welche Werte man überhaupt verteidige, sagte er am Freitag (14. Februar) vor einem zunehmend irritiert wirkenden Saal. Und schloss mit der These, in Europas Politik sei kein Platz für Brandmauern.
Eine verklausulierte Drohung des wichtigsten Verbündeten mit Kooperationsentzug? Vielleicht. Eine Parteinahme für die AfD mitten im deutschen Wahlkampf? Ganz offensichtlich. Offenbar mit dem Segen Donald Trumps.
Wenige Stunden vor Vance‘ Auftritt hatte mit Ian Bremmer einer der profiliertesten US-Politikwissenschaftler am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz einer Runde internationaler Journalisten seine Sicht auf die Krisenherde der Welt erläutert. Und er urteilte nicht nur klar über den Kurs der neuen Regierung von Donald Trump in Sachen AfD. Sondern auch über die europäische Reaktion auf solche Äußerungen.
Trump und die AfD: US-Experte urteilt deutlich – „Würde niemand tolerieren, wenn es von den Russen käme“
Die Vance-Rede kannte Bremmer da mutmaßlich noch nicht. Aber die Äußerungen von Donald Trumps neuem Schlüsselpartner Elon Musk zur AfD. „Wenn ich sehe, dass Elon proaktiv sagt, dass Deutschland verloren ist, wenn die AfD nicht gewinnt, dann ist das – offen gesagt – eine Intervention und ein Untergraben des deutschen Wahlsystems, die niemand tolerieren würde, wenn sie von den Russen käme“, erklärte Bremmer.

„Warum toleriert man es, wenn es von den Amerikanern kommt? Weil sie anscheinend ein Verbündeter sind.“ Ein wichtiger Verbündeter überdies, betonte der Experte. „Das passiert nur, weil man Angst hat; weil man alleine verliert und gemeinsam gewinnt.“
Er gab Deutschland und Europa einen überraschend klaren Ratschlag: „Sie müssen für die Werte einstehen, für die die Vereinigten Staaten augenscheinlich in all den Jahrzehnten standen.“ Das sei auch die größte Chance, am Ende die USA wieder auf die eigene Seite zu ziehen: „Das ist ein sehr wichtiger Punkt“, fügte Bremmer hinzu. Trump respektierte keine Schwäche, erklärte er an anderer Stelle. Man könne zwar Deals machen. „Aber wenn es um Kernprinzipien und um das Brechen von Recht geht, dann ist unter allen Umständen ein Nein nötig. Das ist meine Theorie.“
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Vance erschüttert Sicherheitskonferenz mit unerwarteter Rede – Was kann Europa nun tun?
Mit Vance umstrittener Siko-Rede in München war indes auch für viele deutsche Spitzenpolitiker eine Grenze überschritten. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hielt eine nahezu emotionale Replik auf dem Konferenz-Podium. Und auch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) gab öffentlich Kontra. Kanzler Olaf Scholz (SPD) rügte Vance Äußerungen ebenfalls. Ihn hatte der US-Vizepräsident aber von vorneherein nicht getroffen. Dafür aber AfD-Co-Chefin Alice Weidel oder auch Merz.

Und doch bleibt offen, wie die EU und Europa an diesem heiklen Punkt ihre Sicherheit und liberale Werte wahren können. Bremmer, verwies auf eine Frage nach einer „smarten“ europäischen Strategie einerseits auf wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit. Ursula von der Leyens „Clean Industry“-Plan sei richtig – aber in ihn müsse auch investiert werden. Der schlechteste Fall für Europa seien Triumphe von Links- und Rechtsaußen aufgrund einer lahmenden Wirtschaft. Europa müsse „alarmiert“ sein.
„Es geht nicht nur um vier Jahre Trump“: US-Experte mahnt Europa auf der Siko eindringlich
Der ukrainische Politikwissenschaftler und zivilgesellschaftliche Aktivist Oleksandr Sushko zeigte sich im Gespräch mit dem Münchner Merkur wenig später nicht überrascht über die schwindende Nähe in den Beziehungen zwischen USA und Europa. „Das ist eine Rückkehr zu einer Art Normalität“, sagte der Direktor der „International Renaissance Foundation“. „Über Jahrhunderte war Europa für sich selbst verantwortlich.“ Der US-amerikanische Schutzschirm sei eine historische Sondersituation gewesen. Nun etwa in Rüstung zu investieren, sei nicht populär – aber erforderlich. Auch die Ukraine sehe sich nicht als Teil der USA, sondern als Teil Europas.
Bremmer warnte Europa in seinen Ausführungen gleich mehrfach. Auch in Sachen Grönland sei eigentlich ein klares, öffentliches Signal nötig gewesen – Trump hatte indirekt mit einer gewaltsamen Annexion der völkerrechtlich zu Dänemark gehörenden Insel gedroht.
Europa müsse gerade dann für seine Werte einstehen, wenn die USA diese breche, mahnte Bremmer. „Es geht hier nicht um ein ‚okay, das werden vier Jahre Trump sein, dann kehren wir zurück zur Normalität‘“, warnte der Politologe. „Nein, Trump wird einen bleibenden Effekt auf das amerikanische System haben. Und wenn Sie ihm das gestatten, dann auch auf das globale System – Ihres inbegriffen.“ (fn)