Weniger Rente für Gutverdiener? Eine Reform, die allen Rentnern mehr Geld bringen würde

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Der Streit der Ampel um das Rentenpaket II bleibt ungelöst. Die SPD hängt an der Reform, da sie die Renten der Zukunft stabilisieren soll. Das geht aber auch anders.

Berlin – Die Ampel-Koalition streitet nach wie vor um ihr Rentenpaket II. Noch immer ist keine Einigung absehbar, die die Reform durch das Parlament bringen könnte. Kernstück der Reform ist die sogenannte Haltelinie: Damit soll das Rentenniveau bis 2040 bei 48 Prozent des durchschnittlichen Lohns gesichert werden. Nach Angaben der Regierung würde das Rentenniveau sonst bis 2040 auf 44,9 Prozent sinken.

Doch um die Haltelinie zu bezahlen, sollen die Arbeitnehmer und Arbeitgeber stärker zur Kasse gebeten werden. Die Sozialversicherungsbeiträge sind aber schon auf einem Höchststand, Unternehmen ächzen unter den hohen Kosten. Die FDP verweigert daher ihre Zustimmung zum Rentenpaket II.

Reformen der Rente: Rentenerhöhungen an die Inflation anpassen

Es gibt aber auch andere Vorschläge, wie man die Renten stabil halten könnte und dafür nicht an die Beitragssätze ran müsste. Zum Beispiel, indem man das Renteneintrittsalter erhöht und die abschlagsfreie Frührente abschafft – dadurch würden mehr Menschen für einen längeren Zeitraum Beiträge leisten, um die Renten zu finanzieren. Dieser Vorschlag erhält Zustimmung aus der CDU und der FDP.

Ein weiterer Weg wäre an die Erhöhung der Renten ranzugehen, also: Anstatt wie gehabt die Renten jedes Jahr anhand der Lohnentwicklung zu erhöhen, könnte man sie an die Inflation koppeln. Das ist etwa in Österreich der Fall. Diesen Vorschlag unterstützen zum Beispiel der Ökonom Axel Börsch-Supan von dem München Center for the Economics of Aging oder der Wirtschaftsweise und Rentenexperte Martin Werding. Gegenüber der Funke-Mediengruppe schlägt letzterer zusätzlich vor, bei der Anpassung zwischen höheren und niedrigeren Renten zu unterscheiden, also: Wer eine hohe Rente hat, bekommt eine weniger große Rentenerhöhung.

Soziale Reform der Rente: Abschaffung des Äquivalenzprinzips?

Eine solche soziale Komponente bei einer Rentenreform wird schon seit längerer Zeit gefordert. Bei einem Pressegespräch im Haus der Bayerischen Wirtschaft hatte sich Axel Börsch-Supan im August 2024 für eine Abschaffung des Äquivalenzprinzips ausgesprochen. Damit ist gemeint: Wer mehr und länger Beiträge in die Rentenkasse zahlt, erhält auch eine höhere Rente.

Auch Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat schon 2021 in einem Gastbeitrag in der Zeit erläutert, warum eine Umverteilung der Renten vonnöten sei:

„Das [Äquivalenzprinzip] klingt erst einmal fair, ist es aber nicht. Denn wie eine neue Studie des DIW Berlin im Auftrag des Sozialverbands VdK zeigt, haben Menschen mit physisch und psychisch anspruchsvoller Arbeit nicht nur eine höhere Wahrscheinlichkeit berufsunfähig zu werden, sondern sie haben vor allem eine deutlich geringere Lebenserwartung. [...] Dies bedeutet ganz konkret, dass das Äquivalenzprinzip eigentlich Augenwischerei ist, denn Menschen mit einer physisch wie psychisch anspruchsvollen Arbeit werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Rente für einen deutlich kürzeren Zeitraum beziehen als Beamte und Beamtinnen, die in den allermeisten Fällen Bürojobs machen.“

Darüber hinaus werden diese Personen in der Regel auch schlechter bezahlt als Menschen in Bürojobs, sodass ihre Renten ohnehin niedriger ausfallen. Daher sollten sie, so die Forderung, mit ihren Beiträgen mehr Rente erhalten können als diejenigen, die ohnehin in der Lage sein werden, länger zu arbeiten. Die Beiträge von Geringverdienern wären also „mehr wert“ als die von Gutverdienern, die ohnehin höhere Renten erzielen werden. Damit würde man, so Fratzscher weiter, das Ziel verfolgen, „sowohl die Unterschiede in der Lebenserwartung auszugleichen als auch eine drohende Altersarmut zu vermeiden“.

Mindestrente für Geringverdiener: Weiterer Vorschlag für eine Reform der Rente

Das DIW geht hier noch weiter und fordert die Einführung einer Mindestrente. Diese sollte auch nur diejenigen erreichen, die sie auch wirklich brauchen. Um das zu erreichen, sollte sie „gezielt besteuert“ werden, damit diejenigen, die über weitere Einkommen verfügen, die sie im Alter absichern, nicht noch mehr Geld vom Staat bekommen.

Zwei Rentner unterhalten sich und spielen ein Spiel am Esstisch
Zwei Rentner unterhalten sich und spielen ein Spiel am Esstisch © IMAGO/Uwe Umstätter

Die Mindestrente wäre zunächst noch teurer, schreiben die Autoren des DIW. Doch dazu müsste man die Rentenformel anpassen, sodass Personen mit höheren Rentenansprüchen entweder irgendwann anfangen, einen geringeren Beitragssatz zu zahlen oder sogar überproportionale Beiträge zahlen. „Wie auch immer die Reformen ‚rententechnisch‘ umgesetzt würden: Die Abkehr von der gegenwärtigen Beitragsäquivalenz hin zu einer weniger starken Beitragsabhängigkeit der Renten würde helfen, Rentnerinnen und Rentner mit niedrigen Renten besser zu stellen als das gegenwärtig und absehbar der Fall ist.“

Ampel arbeitet an weiteren Renten-Reformen: Altersvorsorgedepot für höhere private Renten

Eine Abkehr vom Äquivalenzprinzip haben 2023 auch die „Wirtschaftsweisen“ gefordert. Bisher kam das aber für keine Regierung als Lösung infrage, vermutlich aus Sorge, dass das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen stören würde. Stattdessen will die Ampel-Koalition höhere Renten auf die Beitragszahler abwälzen – perspektivisch sollen die Rentenbeiträge daher auf 22,3 Prozent steigen.

Eine weitere Möglichkeit soll ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot sein. Dafür ist ein Gesetz gerade in die Ressortabstimmung gegangen. Damit sollen die Bürgerinnen und Bürger ermutigt werden, mehr privat vorzusorgen – und so eine höhere Rente im Alter zu erzielen.

Auch interessant

Kommentare