Prozessionen in der Stadt, niemand muss arbeiten - und kaum einer weiß wieso: Was ist Fronleichnam
Am Donnerstag wird ein kirchliches Hochfest gefeiert. Wer nicht genau weiß warum, ist vermutlich nicht alleine. Wir haben uns umgehört.
Der Donnerstag nach Pfingsten – immer genau 60 Tage nach Ostern – ist ein besonderer Tag für die katholische Kirche. An diesem Tag wird das Fronleichnamsfest gefeiert. Gläubige und Vereine mit ihren Fahnenabordnungen werden sich nach dem Gottesdienst zur Prozession aufstellen und durch die Stadt ziehen. Was hat es mit diesem kirchlichen Hochfest auf sich? Wir haben uns auf dem Marienplatz vor der St.-Andreas-Kirche in Wolfratshausen umgehört.
Einer, der schon lange die Fahne für seinen Verein hochhält – und zwar im wahrsten Wortsinn – stutzt bei dieser Frage. „Für mich ist Fronleichnam eigentlich immer nur Fronleichnam.“ Was genau da eigentlich gefeiert wird? Ratloses Schweigen. Aber es gibt eine Erklärung: „Ich habe auch jahrelang in anderen Bundesländern gelebt, vielleicht wurde das da nicht gefeiert.“ Stimmt: Fronleichnam ist kein bundesweiter Feiertag. Nur in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland ist das katholische Fest arbeitsfrei und prozessionsbegleitet.
Kein bundesweiter Feiertag
„Ja, die Prozession kenne ich, die findet ja jedes Jahr statt“, sagt ein Mann, der vorbeikommt. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen – was vermutlich an dieser Aussage liegt: „Meine Eltern wären jetzt nicht sonderlich stolz auf mich: Aber ich habe keine Ahnung, warum es das am Donnerstag gibt.“
Leonie Brand bleibt bei der kleinen Gesprächsgruppe unserer Zeitung stehen. Sie lächelt. „Für mich ist am Donnerstag kein Feiertag – deshalb muss ich gar nicht wissen, worum es geht“, meint sie. Mit ihrer Spatzen-Rikscha wird sie arbeiten, sie ist eine der beiden Betreiberinnen des Unternehmens. Was für sie und ihre Kunden wichtiger zu wissen ist: Wann ist die Prozession wo, denn für die Andachtsgänge in Waldram und Wolfratshausen werden einige Straßen kurzzeitig für den Verkehr gesperrt.
In der Kirche St. Josef der Arbeiter in Waldram und am Marienplatz in Wolfratshausen beginnen um jeweils 9 Uhr die Festgottesdienste. Im Anschluss starten bei gutem Wetter die Prozessionen. In Wolfratshausen über den Untermarkt, die Andreasbrücke und Bahnhofstraße, den Floßkanal und über die Sauerlacher Straße zurück zum Ausgangspunkt. In Waldram durch das Wohngebiet an der Wolfram-Straße zur Faulhaberstraße über den Kolpingplatz zurück zur Kirche. Eine Schlecht-Wetter-Alternative wird in der Waldramer Kirche aufgebaut.
Pflichttermin für die Gebirgsschützen
Für Rainer Lorz ist die Prozession ein Pflichttermin. Der Kommandant der Gebirgsschützenkompanie in Wolfratshausen nimmt selbst an der Tradition teil. So wie jedes Jahr geben die Gebirgsschützen Salutschüsse ab, zu Ehren der Kirche, ganz am Ende der Prozession. Und seinen Mitstreitern erklärt er jedes Jahr, warum sie das tun. Weil vor Ort am Marienplatz bei der kurzen Umfrage unserer Zeitung niemand so recht eine Antwort weiß, muss Lorz am Telefon aufklären. „Das Allerheiligste der Kirche – der Leib Christi – wird an dem Tag aus der Kirche hinaus in die Welt getragen“, sagt er. Und die Gläubigen feiern ihren Glauben in der Prozession. „Ich finde, zwei Sachen sind wichtig: Man sollte es wissen, und man sollte es pflegen“, sagt der Gebirgsschützen-Chef. Früher waren die Schützen noch zum Schutz des Heiligtums dabei – das sind sie heute nur noch ideell: „Die Überfälle von früher sind selten geworden“, sagt Lorz.
Einen ganz eigenen Blick hat ein Jugendlicher auf den Feiertag. Der schleckt in der Marktstraße ein Eis, was er kurz unterbricht, um zu erklären, dass „dieser Fronleichnam“ in seinen Augen „ziemlich geil“ ist, weil er dadurch noch eine Woche schulfrei hat. Der Feiertag fällt in die zweite Pfingstferien-Woche, die er sichtlich genießt. Die Chancen, dass er viel von der Prozession am Donnerstag mitbekommt, sind als äußerst überschaubar einzuschätzen. „Es sind Ferien. Da schlafe ich bis mindestens Mittag.“
Rainer Lorz wird sich einen Wecker stellen. Der Termin ist ihm auch persönlich wichtig. „Ich finde, die Prozession ist auch eine Demonstration. Eigentlich demonstrieren wir für diese Tage und für unseren Glauben.“