Eine Million Flüchtlinge aus Syrien feiern Sturz des Assad-Regimes - müssen sie jetzt ausreisen?
Das Ende des Bürgerkriegs in Syrien kam recht plötzlich. Für Asylanträge von Flüchtlingen in Deutschland gibt es aber bereits eine unmittelbare Folge.
Berlin – Der Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat in Deutschland nicht nur Jubelschreie und Freudentränen ausgelöst. Auch eine Debatte über die mögliche Rückkehr von Flüchtlingen und einen Aufnahmestopp wurde nach Ende des Bürgerkriegs in Syrien losgetreten. Hierzulande leben fast eine Million Syrer, Hunderttausende flüchteten seit 2011 aus dem Land, als der blutige Bürgerkrieg in Nahost begann.
Weder Asyl- noch Flüchtlingsschutz greifen: Meisten Exilsyrer haben den Schutzstatus
Jetzt ist die Frage, ob die Exilsyrer in ihre Heimat zurückkehren können oder sogar müssen. Denn in den allermeisten Fällen wurde kein Asyl gewährt, sondern ein sogenannter subsidärer Schutzstatus (68.945 Fälle). Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) stellten von Januar bis November 74.971 Syrer einen Asylantrag. Bei den Entscheidungen bekamen mehr als 83 Prozent einen Schutzstatus zugesprochen.

Dieser kann gewährt werden, wenn weder Asyl- und Flüchtlingsschutz greifen. Hierbei muss den Betroffenen ein ernsthafter Schaden entweder von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren drohen. Dazu gehört etwa ein drohendes Todesurteil, Folter oder unmenschliche Behandlung oder eine sonstige ernsthafte Bedrohung von Leib und Leben durch willkürliche Gewalt wegen eines Konflikts.
Heißt: Wer politisches Asyl erhalten hat, weil er vom Assad-Regime politisch verfolgt wurde, wird ausreisepflichtig. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums befanden sich mit Stand Ende Oktober 974.136 Menschen mit syrischer Staatsbürgerschaft in Deutschland.
Migrationsforscher: Ende des Bürgerkriegs in Syrien könnte Wendepunkt für Flüchtlingskrise in Europa sein
Der Migrationsforscher Gerald Knaus sieht nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien die Chance auf Entspannung in der Flüchtlingskrise. „Mittelfristig - sollte Stabilität hergestellt werden - könnte das für die gesamte Flüchtlingssituation, auch in Europa, ein historischer Wendepunkt sein“, sagt Knaus dem Stern am Montag (9. Dezember). „Syrische Flüchtlinge in den Nachbarländern haben sofort die Chance zu sehen, ob es in ihrer Heimat wieder sicher ist. Ist das so, werden auch Asylanträge in Deutschland und anderen europäischen Ländern zurückgehen.“
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Nach Ansicht von Knaus könnten sich die Entwicklungen in Syrien auch auf die hiesige Politik auswirken. „Wenn sich Syrien stabilisiert, könnte das auch unsere Politik dramatisch und positiv verändern“, sagte er. „Sollte sich die Zahl syrischer Asylanträge 2025 schnell verringern, würde extrem gefährlichen Kräften das Wasser abgegraben - der AfD hierzulande, der FPÖ in Österreich. Deswegen muss das Thema der Stabilisierung Syriens absoluten Vorrang haben, auch was die außenpolitischen Anstrengungen angeht.“
Knaus forderte die Bundesregierung auf, die sofortige Einrichtung einer Kontaktgruppe zu erwirken. „Es braucht eine Kontaktgruppe von unmittelbar betroffenen Ländern. Jordanien müsste dabei sein, die Türkei, Österreich, Griechenland, Deutschland, die EU und die nächste syrische Regierung. Diese Gruppe muss eine Strategie entwerfen, die EU sie unterstützen.“
Professor Volker Boehme-Neßler Verfassungsexperte an der Universität Oldenburg, findet noch klarere Worte. Er sagt zu Bild: „Wenn der Fluchtgrund wegfällt, müssen auch anerkannte Asylbewerber ausreisen.“
Nach Sturz von Assad: Bundesamt stoppt Entscheidungen über Asylanträge von Syrern
Während seit den Geschehnissen am Wochenende auch Stimmen aus der Union laut werden, für die nach Deutschland geflüchteten Syrer „Rückkehr-Anreize“ zu schaffen, warnen Politiker anderer Parteien, Hilfswerke und Menschenrechtler vor übereiltem Aktivismus. Die Lage in Syrien sei mehr als unübersichtlich und von außen kaum zu bewerten.
Indes berichteten Medien übereinstimmend, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Entscheidungen über vorliegende Asylanträge von Syrern vorerst gestoppt habe. Das beträfe derzeit rund 47.000 Anträge.
Wie viele von den rund 975.000 Syrern, die sich aktuell in Deutschland aufhalten, perspektivisch in die Heimat zurückkehren wollen, ist derzeit nicht absehbar. Zumal unter ihnen einige sind, die schon vor der großen Flüchtlingszuwanderung der Jahre 2015 und 2016 in Deutschland lebten und Menschen, die inzwischen die Voraussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen und diese teils auch bereits beantragt haben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurden im Jahr 2023 rund 75.500 Syrer deutsche Staatsbürger. (bg/dpa)