Angst vor Atomwaffen-Eskalation: USA wollen Indien und Pakistan beruhigen
Nach dem Anschlag in Kaschmir: Die USA fordern Indien und Pakistan zur Deeskalation auf. Außenminister Marco Rubio schaltet sich ein.
Neu-Delhi/Islamabad – Nach dem tödlichen Anschlag auf Touristen in der Region Kaschmir verschärfen sich die Spannungen zwischen den Atommächten Indien und Pakistan. Die USA versuchen nun, eine weitere Eskalation zu verhindern, wie aus mehreren Quellen hervorgeht.
Am 22. April 2025 erschütterte ein brutaler Anschlag die Region Kaschmir. Bei einem Überfall auf indische Touristen in der Nähe des Bergorts Pahalgam wurden 26 Menschen getötet, darunter 25 Hindus. Die „Resistance Front“, eine Splittergruppe der pakistanischen Terrororganisation Laschkar-e Taiba, übernahm zunächst die Verantwortung, bestritt ihre Beteiligung später jedoch, berichtet unter anderem das US-Magazin Newsweek. Indien beschuldigt Pakistan der Unterstützung der Attentäter – eine Anschuldigung, die Islamabad zurückwies.
Als Reaktion verhängte Neu-Delhi drastische Maßnahmen: Die Aussetzung des Indus-Wasservertrags von 1960, der die Nutzung grenzüberschreitender Flüsse regelt, die Ausweisung pakistanischer Diplomaten, die Streichung von Visa für pakistanische Staatsbürger und die Schließung des Grenzübergangs Attari, schreibt die Nachrichtenagentur Reuters. Pakistan reagierte seinerseits laut Newsweek mit der Suspendierung des Shimla-Abkommens von 1972, das die friedliche Konfliktlösung vorsieht, der Schließung des Luftraums für indische Flugzeuge und Handelsbeschränkungen.
Pakistan warnt vor unmittelbarem Militärschlag Indiens
Die Lage eskalierte weiter, als Pakistans Informationsminister Attaullah Tarar am Mittwoch (30. Mai) über X behauptete, sein Land verfüge über „glaubwürdige Geheimdienstinformationen“, wonach Indien „innerhalb der nächsten 24 bis 36 Stunden“ einen Militärschlag plane.
Als Vorwand würden „erfundene Vorwürfe“ zur Pahalgam-Attacke dienen. Tarar warnte: „Jede militärische Abenteuerlust Indiens wird sicher und entschieden beantwortet werden.“ Bereits zuvor hatte Pakistans Verteidigungsminister Khawaja Asif gegenüber Reuters erklärt, eine indische Militäroffensive stünde „unmittelbar bevor“.
US-Diplomatie auf Hochtouren und historische Parallelen: Rubio drängt zur Deeskalation
Die USA reagieren mit intensiven diplomatischen Bemühungen. Außenminister Marco Rubio werde „in Kürze“ mit seinen Amtskollegen in Indien und Pakistan sprechen, kündigte Tammy Bruce, Sprecherin des US-Außenministeriums, laut Newsweek an. Washington stehe auf „mehreren Ebenen“ im Austausch und ermutige zu einer „verantwortungsvollen Lösung“. Bruce betonte: „Wir fordern alle Parteien auf, nicht zu eskalieren. Die Welt beobachtet dies genau.“ Zudem appelliere die US-Regierung an andere Staaten, sich aktiv für Entspannung einzusetzen. In Kürze will auch US-Vizepräsident JD Vance nach Indien reisen.
Die aktuelle Krise erinnert an die Eskalation von 2019, als Indien nach einem Selbstmordanschlag in Pulwama (Kaschmir) Luftangriffe auf mutmaßliche Terrorcamps in Pakistan flog. Mike Pompeo, damaliger US-Außenminister, schrieb in seinen Memoiren, die Welt habe nicht gewusst, „wie nah Indien und Pakistan damals einem nuklearen Konflikt waren“, schreibt The Independent.
Experten wie Srinath Raghavan, Professor an der Ashoka-Universität (Sonipat, Indien), betonen, die Erwartungshaltung in Indien an Premierminister Narendra Modi, auf den jüngsten Anschlag militärisch zu reagieren, sei enorm. „Die Regierung kann sich angesichts eines derart schweren Angriffs nicht zurückhalten“, sagte dieser ebenfalls dem Independent.
Internationale Reaktionen auf Konflikt zwischen Indien und Pakistan: China warnt, UN ruft zur Besonnenheit
Die internationale Gemeinschaft zeigt sich alarmiert. Die Vereinten Nationen riefen Indien und Pakistan zur Mäßigung auf. Chinas Außenminister Wang Yi betonte in einem Gespräch mit Pakistans Außenminister Ishaq Dar, heißt es auf CNN, ein Krieg „liege nicht im Interesse“ der Nachbarländer und gefährde die regionale Stabilität.
Peking, das Teile Kaschmirs beansprucht, unterstützt Pakistan traditionell politisch und militärisch. Der indische Sicherheitsexperte Pravin Sawhney warnt daher gegenüber The Independent vor chinesischer Cyberunterstützung für Islamabad: „Die PLA [Chinas Volksbefreiungsarmee] wird Pakistan mit nicht-kinetischen Mitteln helfen, um in der elektronischen Kriegsführung die Oberhand zu behalten.“
Konflikt mit Pakistan: Indiens Muslime unter Generalverdacht
Während sich die Krise international zuspitzt, verschärft sich innenpolitisch die Lage für Indiens muslimische Minderheit. Nach dem Anschlag berichten Medien von landesweiten Hetzjagden auf Kaschmiris und pauschalen Verdächtigungen. In Gujarat ließen Behörden laut der New York Times über 2.000 Hütten in einem muslimischen Slum abreißen, angeblich um „illegale Bangladescher“ auszuweisen – eine Rhetorik, die Aktivisten als Vorwand zur Diskriminierung kritisieren. In Uttar Pradesh und Karnataka wurden offenbar mindestens zwei Muslime bei mutmaßlichen Hassverbrechen getötet.
Unterdessen demonstrieren beide Atommächte militärische Stärke. Indiens Marine testete am Wochenende Langstreckenraketen, um „Präzisionsfähigkeiten unter Beweis zu stellen“, schildert CNN. Pakistan meldete am Dienstag den Abschuss einer „indischen Spionagedrohne“ nahe der Grenzregion – ein Umstand, den Neu-Delhi laut der Newsweek nicht kommentierte.
Trotz diplomatischer Bemühungen bleibt die Lage explosiv. Indiens Premierminister Modi, der im Wahlkampf eine harte Linie gegen Pakistan vertritt, schwor jüngst, die Täter „bis ans Ende der Welt“ zu verfolgen, konstatiert der Independent. Analysten befürchten, dass ein einzelnes militärisches Missverständnis – wie der Abschuss eines Jets oder ein Grenzzwischenfall – die nukleare Schwelle überschreiten könnte. Wie 2019 warnt ein ehemaliger US-Diplomat, ebenfalls im Independent: „Die Welt unterschätzt, wie schnell ein begrenzter Konflikt außer Kontrolle geraten kann.“